Am anderen Ende der Welt zeigt die Natur ihr Best of: Regenwald und Fjorde, goldene Strände und Gletscher, Vulkane und Almen. Begleiten Sie unseren Autor auf seiner Reise über die wilde Südinsel
Im Schatten der Pappeln grasen Schafe in vertrauter Allgäu-Szenerie. Sie heben die Köpfe, gucken, kauen und senken ihre Mäuler wieder ins Gras. Man kann ein Spiel daraus machen, die Sekunden zählen, 21, 22, 23, bis der Fehler im Bild auftaucht, der einen daran erinnert, dass man einen ganzen Tag lang im Flugzeug saß, um hier zu landen.
Ein paar Meter weiter verschränken haushohe Silberfarne und Nikaupalmen ihre fransigen Blätter über dem Pfad und flechten ein Lamellendach. Die Luft riecht sumpfig, von den Blättern rollen Wassertropfen. Ich spaziere durch ein Stück Regenwald. Ein kleiner Vogel fliegt auf, sein Schwanz ist ein schwarz-weiß gestreifter Fächer; mit lautem Surren verschwindet er zwischen den Büschen. Aus dem Unterholz quillt hellgrüner Neuseelandflachs. Gleich taucht auch noch ein Dinosaurier auf, ganz bestimmt.
Neuseeland macht es einem leicht, es ist nur so wild, wie man es zulässt. Wird es zu viel, kann ich jederzeit ins vertraute Europa zurückkehren, dann schaue ich den Schafen beim Kauen zu. Oder gehe in den Pub, um mit den Leuten über endlose Cricket-Matches und ihre geliebte Merinowolle zu reden. Gut, es dauert ein paar Minuten, bis man das neuseeländische Englisch wirklich versteht. Aber ich bin ja auch weit weg, das hier ist das Ende der Welt, vollkommen egal, ob man auf der Westroute über die USA oder auf der Ostroute über Asien anreist. Nachrichten aus Europa klingen hier, als kämen sie vom Mond. Eurokrise, was war das nochmal? Ein wohliges Unwissen macht sich in mir breit, eine Unkompliziertheit. Ich ahne jetzt, warum deutsche Urlauber im Schnitt 29 Tage lang bleiben – oder gleich für immer.
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