Tropical Islands, das überdachte Südseeparadies im brandenburgischen Mischwald, ist für viele ein Synonym für prekären Urlaub. Unser Autor war trotzdem dort
Ich werde nass, noch bevor ich mich in die rostfreie Rinne der Wasserrutsche katapultiere. Nämlich so: Der Junge, der hinter mir ansteht, niest mir mit Schwung in den Rücken.
Ich hätte nicht kommen sollen.
Einige Stunden zuvor: Niemand außer mir rührt sich, als der riesige Hangar in Sichtweite kommt. Niemand zeigt mit dem Finger darauf, niemand klebt mit der Nase an der Scheibe, niemand staunt, nicht laut und auch nicht leise. Es riecht nach Doppelkeks - und nichts passiert. Der Bus shuttelt einfach weiter über die Betonplatten, die 35 Kilometer südlich von Berlin im Brandenburger Sand liegen. Dabei ist die Halle, die da hinter Kiefern und Birken auftaucht, wirklich beeindruckend, sie sieht aus wie ein gigantisches umgedrehtes Nudelsieb. In der Vormittagssonne glänzt sie silbrig.
Wir sind auf dem Weg in die Tropical-Islands-Allee 1, 15910 Krausnick. Ja, das Ding hat wirklich eine Adresse, als ob der Postbeamte überlegen müsste, welches Tropical Islands wohl gemeint ist. Die Halle steht seit 2000, sie wurde errichtet, um darin einen Transportzeppelin zusammenzubauen. Es gab sogar schon eine flugfähige Miniatur, Maßstab 1:25. Dann war das Geld alle, und jemand mit einer anderen Vision übernahm das größte freitragende Gebäude der Welt. An der höchsten Stelle ist das Dach 107 Meter hoch, es überwölbt 66.000 Quadratmeter. Statt ein Fluggerät zu entwickeln hat man dann eine Tropenlandschaft im Kleinformat in die Halle gestopft. Es ist das genaue Gegenteil der Ursprungsidee: Aus einem Ding, das fliegen sollte, wurde ein Ding, das Fliegen unnötig macht.
Den ganzen Tag pendelt der Bus zwischen dem Provinzbahnhof mit den eingeworfenen Fenstern und Tropical Islands. Ein ganz normaler Bus eigentlich, nur dass die Sitzbezüge ein Dschungelmuster mit lila Vögeln aufweisen, Kolibris oder so was. Neben meinem Kopf klebt ein freundliches Hinweisschild: „Bitte nicht mit nassen Badesachen auf die Sitze setzen. Vielen Dank."
Menschen in Wind- und Wetterjacken steigen aus und schlappen der Halle entgegen. Sie grinsen aufgeregt, denn das Betreten der Halle muss man sich wie den Moment vorstellen, in dem man aus dem Flugzeug in ein fremdes Land steigt. Schnell rein ins aufgeschüttete Paradies: draußen 2 Grad, drinnen 29,2. Es gibt echte Palmen und echten Strandsand, aber das Beste ist natürlich das Dach gegen die Unzuverlässigkeit des echten Himmels. Ich komme mir vor wie in einer dieser mittelalterlichen Darstellungen des Himmelszelts, an dem Gott oder wer auch immer die Sterne aufgehängt hat.
Schwer zu sagen, wie bekloppt das hier alles ist. Andererseits: Wer wollte den armen Menschen aus dem Großraum Berlin mit seinem kontinental-kalten Winter ein bisschen Wärme verwehren? Ich würde sagen, die Sache ist nicht bescheuerter als ein Eiffelturm in Las Vegas oder ein auf 22 Grad gekühltes Olympiastadion in Katar.
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