Keine Stadt glitzert so zwanghaft wie Los Angeles. Hier wird die Asche großer Schriftsteller versteigert und Obdachlose sind YouTube-Stars.
Am Himmel ein Palmengeschwader, die runden Büschel rutschen ins Sichtfeld und wieder heraus, ins Sichtfeld, und wieder heraus. An einer roten Ampel lehne ich den Kopf ans Seitenfenster und starre ins sonnenstichige Blau über mir. Dass man ausgerechnet Los Angeles an seinem Himmel erkennt, diese ausgewalzte Ansiedlung am Pazifik.
Selbst die Parkplätze sind getauft, ihre Namen klingen antik: Athena Parking oder Olympic Trophy Parking. Sechs Spuren in jede Richtung, muskelige Rams, Escalades und Suburbans, chromglänzende Kühlergrills, strassgerahmte Nummernschilder, eine gläserne Autobahnkirche mit den Ausmaßen eines Shoppingcenters. Raue Dachpappelandschaften, darunter rosa Magnolien. Bei Dieter's Motors funkeln die Mercedes-Limousinen, wie sie es unter einer deutschen Sonne nie könnten. Beige Hügel, Pinienalleen, eine US-Flagge, so groß, dass man einen Truck darin einhüllen könnte. Wo der Boden eben ist, hebt der Wind Staub in die Luft. Lost Hills Road. Fenster zu, Klima an.
Los Angeles mag für Hollywood stehen, die Stadt aber funktioniert genau andersherum. Während ein Filmstudio Größe illusioniert, eine sorgsam kleingefaltete Welt beherbergt, ist die Stadt übergroß. Man braucht Zeit um sie zu sehen, und Benzin.
1 – ElysiumBeginnen wir ganz oben, im Getty Museum, das der Stadt enthoben scheint. Wie ein perfekt erhaltenes Dinosaurierskelett liegt das Gebilde aus lichtem Stein und hellen Platten in den Bergen von Santa Monica. 270 Meter über dem Pazifik, dessen Wellen die untergehende Sonne vertausendfachen.
Im Dezember 1997 wurde das Getty eröffnet. Mit 1,3 Milliarden Dollar Baukosten war es um einiges teurer als die Elbphilharmonie. Der Besuch ist trotzdem kostenlos, bemerkenswert. Dafür muss ich zehn Dollar für den Stellplatz im Parkhaus bezahlen. Von hier fährt eine Monorail hinauf, 1,2 Kilometer in vier Minuten. Ich sitze im ersten von drei elfenbeinfarbenen Waggons, draußen ziehen knorrige Bäumchen vorbei, unter mir vibriert der Freeway nach San Diego.
Oben dann stehe ich vor einem jener Bauwerke, die so schön sind, dass beinahe egal ist, was sie beherbergen. Die verwinkelte Anlage birgt halbschattige Innenhöfe und hohe Arkadengänge, saftig grüne Wiesenterrassen und steinerne Freitreppen. Und immer wieder Springbrunnen, deren Plätschern sich zu einem weißen Rauschen zusammenfügt. Im Süden des Areals, am Ende eines schmalen Stegs, liegt ein kreisförmiger Kakteengarten, dahinter, blau eingefärbt von vielen Lagen Luft, Los Angeles.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass man im Getty Museum auch Gemälde von Rembrandt, Rubens, Renoir oder van Gogh anschauen kann. Hochkultur. Von hier aus kann es eigentlich nur noch bergab gehen.
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