Kein Führerschein? Mit 33? Fehlt es da an Männlichkeit? Wer später als andere zur Fahrschule geht, lernt über Nacht eine Fremdsprache. Plötzlich ergibt vieles einen Sinn.
Ich mache gerade den Führerschein, sagte ich. Das war vor ein paar Wochen, ich saß mit Bekannten in einer Bar. Motorrad?, fragte einer. Nein, sagte ich, Auto. Das konnte er nicht fassen: Kein Führerschein? Mit 33?
Ich komme aus Berlin, entgegnete ich halb entschuldigend, da braucht man kein Auto. Und Parkplätze kannste auch vergessen. Er sagte nichts mehr dazu, aber es kam mir so vor, als hätte sich zwischen den durchnässten Bierdeckeln ein Restverdacht festgesetzt: Dass mir ohne Führerschein ein Stück Männlichkeit fehlte. Ich brauchte noch ein Bier, bis mir klar wurde, dass es mein eigener Verdacht war. Warum sonst hatte ich mich dann doch bei der Fahrschule angemeldet?
Männer mögen es, Großes zu bewegen, Bierkästen zum Beispiel, Gewichte oder Wanderrucksäcke. Am besten Dinge, die größer sind als sie selbst, wie Autos. Echte Männer bilden eine Symbiose mit ihrem Fahrzeug, da kann es vorkommen, dass sie die Kraft des Gaspedals mit ihrer eigenen Fitness verwechseln. Das merkt man auch daran, dass die Autos mit dem Alter ihrer Insassen wachsen. Der Porsche Cayenne etwa sieht aus wie ein Boxster, den man so lange aufgeblasen hat, bis er kurz davor war, zu platzen.
Männer wollen unabhängig sein, sagt man, ein Auto macht unabhängig. Es ist ein Faradayscher Käfig, auch im übertragenen Sinn, ein privater Raum. Man muss das Auto als rollenden Vorgarten begreifen, in dem man machen kann, was man will. Vielleicht nicht unbedingt grillen, aber sonst fast alles, solange das Gesicht Richtung Windschutzscheibe zeigt.
Seit ich meinen Führerschein habe, bin ich ein anderer Mann.
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