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HSV schlägt BVB und das mulmige Gefühl

Von Alexander Barklage, Hamburg

Strikte Sicherheitsvorkehrungen, zwei Schweigeminuten, verzögerter Anpfiff: Die Partie zwischen Hamburg und Dortmund ist kein normales Bundesliga-Spiel - und trotzdem ein großer Schritt zurück in die Normalität.

Als Lotto King Karl zehn Minuten vor dem Anpfiff die HSV-Hymne "Hamburg meine Perle" schmetterte, war das Hamburger Volksparkstadion nur halb gefüllt. Ungewöhnlich, denn offiziell war das Spiel ausverkauft. Nachdem der Hamburger Barde seinen Song beendet hatte, ergriff der Stadionsprecher das Wort und erklärte den Fans, dass das Spiel mit 15-minütiger Verspätung angepfiffen werden würde. Grund: Die Autobahnen und Zugangsstraßen zum Volksparkstadion waren verstopft. Außerdem dauerten die strengen Leibesvisitationen länger als sonst.

Nach den Terroranschlägen von Paris und der Absage des Länderspiels in Hannover war die Stimmung vor dem Spiel in Hamburg angespannt. Es gab verstärkte Einlasskontrollen. Deutlich mehr Ordner sollten die allgegenwärtige Unsicherheit reduzieren. Die Stimmung unter den Fans, die schon zwei Stunden vor dem Spiel Schlangen vor den Stadiontoren bildeten, waren wesentlich gesitteter und ruhiger als sonst. Man habe schon irgendwie ein mulmiges Gefühl, aber man kann diesen Terroristen nicht in die Karten spielen und ängstlich ins Stadion gehen, gab ein Dortmund-Fan vor dem Spiel seine Gefühlswelt preis. Es war der allgemeine Tenor. Aufstehen und Gesicht zeigen.

Zwei Schweigeminuten

Kurz von dem Anpfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer gab es zunächst eine Schweigeminute zu Ehren der Opfer von Paris. Es schloss sich eine weitere an zu Ehren des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt. Der kurze Moment des Schweigens endete in einem Applausorkan für den Hamburger Ehrenbürger. Es war der Auftakt eines erstaunlich normalen und fröhlichen Bundesliga-Abends. Um 20.45 Uhr wurde Spiel 1 am 1. Spieltag nach Paris schließlich angepfiffen, um 22.40 Uhr wieder abgepfiffen. Der 3:1-Endstand für Hamburg war überraschend, aber verdient.

Auf dem durchnässten Rasen sahen die Zuschauer im Volksparkstadion stark aufspielende Hamburger. Die wollten ihren Fans, so schien es, einen unvergesslichen Abend bescheren. "Heute war für den HSV ein Freudentag und den Zuschauern hat das gut getan. Man hat die vielen Emotionen auf den Rängen gespürt", schilderte HSV-Trainer Bruno Labbadia. Zuvor hatte er angekündigt, das Geschehene auszublenden und sich den Spaß am Fußball nicht nehmen zu lassen. Mitte der zweiten Halbzeit stimmten die HSV-Fans "Oh wie ist das schön, oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen" an.

Tuchel: "Habe ich nicht kommen sehen"

Die Dortmunder bleiben der absolute HSV-Lieblingsgegner in der jüngeren Vergangenheit. Die Hamburger verloren nur eines der letzten sieben Bundesliga-Spiele gegen die Schwarz-Gelben. Die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel, der fast in der vergangenen Saison Coach bei den Hanseaten geworden wäre, spielte ungewohnt gehemmt und rief nicht die volle Leistungsstärke ab. Das wurmte auch Tuchel mächtig: "Diese Leistung habe ich nicht kommen sehen. Wir waren nicht bereit diese Intensität an den Tag zu legen, die man braucht um Spiele in der Bundesliga zu gewinnen. Wir haben dramatisch hinterher gehinkt."

Besonders die beiden deutschen Nationalspieler Matthias Ginter (wurde zur Pause ausgewechselt) und Mats Hummels (Eigentor zum 3:0) erwischten nicht ihren besten Tag. Die schlechte Leistung der Beiden jedoch auf die Geschehnisse der vergangenen Tage zu schieben, fand Tuchel müssig. "Wir hatten natürlich mit ihnen gesprochen und es ihnen auch zugetraut. Sie waren in den letzten Tagen hochkonzentriert."

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Die Hamburger richten nach ihrer wohl besten Saisonleistung und dem Sieg gegen den Tabellenzweiten den Blick wieder nach oben. Am kommenden Wochenende steht das Nordderby gegen Werder Bremen auf dem Programm. "Wir können uns freuen über den Sieg, aber nur kurz, dann konzentrieren wir uns auf Werder. Wenn wir jetzt Larifari machen, werden wir in Bremen untergehen", mahnte Torschütze Lewis Holtby, der seine beste Leistung im Trikot des HSV bot.

Nach Abpfiff feierten die Hamburger zusammen mit ihren Fans, die danach beseelt und und völlig ruhig nach Hause gingen. Keine besonderen Vorkommnisse. Die beste Nachricht an diesem Abend. Es scheint Normalität eingekehrt zu sein nach Tagen der Unsicherheit. "Wir wollten ein Fußballfest aus dem heutigen Abend machen und den Fans die Angst nehmen, damit sie wieder mit Freude ins Stadion kommen", hatte Linksverteidiger Matthias Ostrzolek angekündigt. Das ist dem HSV gestern Abend eindrucksvoll gelungen.

Quelle: n-tv.de

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