Meinen Eltern war es schon immer wichtig, dass ich die Stimme, die ich habe, auch nutze. Und dass ich unabhängig bin und mein eigenes Geld verdiene. Das treibt mich an bei allem, was ich heute mache. Egal, ob es um Global Digital Women geht oder darum, Podcasts zu produzieren, zu moderieren oder Bücher zu schreiben. Meine Eltern haben mir die Vereinbarkeit von Job und Familie ganz selbstverständlich vorgelebt: Beide haben gearbeitet und sich gemeinsam um den Haushalt und mich und meinen Bruder gekümmert. Weil ich mir schon als Kind intensive politisch Debatten mit meinen Eltern lieferte, sagte mein Vater irgendwann zu mir: „Wenn du etwas verändern willst, dann musst du dich auch aktiv dafür einsetzen." Und genau das mache ich heute!
Global Digital Women ist ein Unternehmen, das unter anderem mehr als 30.000 Frauen aus der Digitalbranche vernetzt. Welche Unterschiede beobachten Sie in den verschiedenen europäischen Ländern im Umgang mit Diversität?
Vorreiter sind hier die skandinavischen Länder. In Finnland etwa gibt es schon seit Jahren eine Frauenquote in Politik und Wirtschaft, und das hat bereits viel verändert. Deutschland ist bei ähnlichen Bestrebungen leider oft das Schlusslicht. Die Rollenvorstellungen hierzulande sind noch immer stark von den Fünfzigern geprägt. Oft habe ich den Eindruck, dass wir noch gar nicht in diesem Jahrhundert angekommen sind!
Woran lässt sich das festmachen?Das merkt man allein schon daran, mit welchen Fragen weibliche und männliche Manager in der Öffentlichkeit konfrontiert werden: Frauen wird immer die Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestellt, ihr Aussehen wird thematisiert, und in den Gesprächen geht es meist um weiche Faktoren wie zum Beispiel Teamfähigkeit. Männer hingegen werden an ihren beruflichen Erfolgen gemessen, und niemand sorgt sich darum, ob sie Job und Familie unter einen Hut bekommen. Deswegen existiert auch der Begriff „Rabenvater" nicht, „Rabenmutter" aber schon. Working Dads gelten als cool, Fehler im Job werden ihnen gern mal verziehen. Wenn eine Working Mum mal nicht so funktioniert, wie sie es sollte, wird es darauf zurückgeführt, dass sie Familie und Karriere nicht vereinen kann.
Sie werden oft als Powerfrau bezeichnet. Was halten Sie von dem Begriff?Das Wort klingt im ersten Moment positiv, aber es stört mich, dass es diesen Begriff nicht für Männer gibt. Man würde ja nie „Karrieremann" sagen oder „Powermann". Bei Frauen aber glaubt man, es müsse extra hervorgehoben werden, dass sie stark sind. So als wären sie es normalerweise nicht.
Wie reagieren Sie darauf, wenn Sie danach gefragt werden, wann Sie Kinder bekommen wollen?Diese Frage sollte abgeschafft werden, weil sie einfach zu intim ist. Meist sage ich: „Mein Zyklus geht niemanden etwas an!" Oder: „Würden Sie diese Frage auch einem Mann stellen?" Denn in der Frage schwingt immer auch die Vorstellung mit, dass die Gründung einer Familie das erstrebenswerteste Ziel für eine Frau sein sollte. Dabei bedeutet Diversität, unterschiedliche Lebensplanungen zu akzeptieren.
Sie kleiden sich sehr feminin und bunt. Warum denken immer noch viele, dass dieser Look nicht zu einer erfolgreichen Unternehmerin passt?Weil Frauen in Deutschland immer noch meinen, sie müssten sich eher männlich kleiden, um sich den vorherrschenden Strukturen anzupassen. Diversität beginnt für mich aber schon beim Kleidungsstil. Deshalb ziehe ich mich so an, wie es mir gefällt. Weil es mir Spaß macht, aber auch, weil es mein Job ist, auf solche Missstände hinzuweisen. Ich finde Frauen toll, die ihre Weiblichkeit nicht verstecken, so wie die EZB-Chefin Christine Lagarde zum Beispiel. Genauso geht's mir auch: Ich möchte meine Weiblichkeit nicht verstecken.