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Rapperin Sookee im Interview über Depressionen und warum sie hinschmeißt - ZITTY

Rapperin Sookee steht wie kaum jemand in Deutschland für die Verbindung aus Rap und Feminismus - doch jetzt zieht sie sich aus der großen Musikindustrie zurück, um Musik für kleine Menschen zu machen. Wir trafen sie für ein besonders ehrliches Gespräch über Depressionen - und das Perfide im Business

Sookee ist die personifizierte Farbe Lila. Foto: Katja Ruge

Sie trägt eigentlich immer lila. Auch als sie sich zum Interview in die „taz"-Kantine setzt. Feminismus und so, lila Latzhosen, die Klischees, möchte man meinen. Aber das ist keine Rolle und kein zynischer Marketingmove, Sookee spielt keine Figur - und spielte sie auch nie. Sie ist immer Sookee, seit ihrem 16. Lebensjahr schon. Für die Menschen in ihrem engeren Umfeld genauso wie auf der Bühne spielt ihr bürgerlicher Name keine Rolle mehr. Die 36-jährige ist immer Sookee, die Feministin, die Zecke, die Frau, deren Rap-Bars angeblich an eine Soziologie-Vorlesung erinnern würden, wie ein Journalist mal kolportierte.

Weil die Bühnenfigur Sookee und die reale Person ein und dieselbe sind, treffen wir uns zum Interview. Denn nach fast 18 Jahren im Hiphop verabschiedet sich am 7.März die Rapperin Sookee mit einer Gala ins Private. Danach wird es auf unbestimmte Zukunft kein Soloalbum mehr geben, keine Tour, keinen Festivalauftritt. Stattdessen wird die Künstlerin, wie schon vermehrt in den letzten Jahren, in der Bildung und in der politischen Arbeit aktiv sein - und ihr Kindermusikprojekt namens Sukini aus dem vergangenen Jahr fortsetzen. Ein radikaler Schritt, den sie letzten Dezember mit einem langen Text öffentlich über ihre Social Media-Kanäle verkündete. Aber warum sollte jemand am Peak seiner Karriere, wie sie selbst sagt, aussteigen?

„Das Ding mit der Musikindustrie ist überhaupt nicht das, wo ich hinwill. Ich hatte nie als Kind den Traum, auf der Bühne zu stehen", erzählt sie uns. „Nicht als Kind, nicht als Teenie, nicht in meinen Zwanzigern." Aber organisch kam nach einem Auftritt der nächste, und so wuchs nach und nach eine kleine Maschinerie - aus der man nicht so einfach wieder rauskommt. Und es ist ja auch toll, mit den eigenen Ideen und Werten eine Zuhörerschaft zu erspielen - gerade wenn man sich wie Sookee auf unbekanntes und zuvor selten beackertes Terrain begibt: feministischer, dezidiert linker Deutschrap. Texte, die etwas bewegen sollen, die etwas verändern sollen, die „der guten Sache" dienen sollen. Und die vielleicht nicht in den Mainstream, aber die ihre eigene begeisterte Zuhörerschaft fanden.

Es folgten vier Alben und mehrere EPs, 2014 dann der erste Abschied aus der Szene mit dem Titel „Vorläufiger Abschiedsbrief". Ganz konnte es Sookee aber eben nicht lassen - und veröffentlichte 2017 ihr bislang erfolgreichstes Album, „Mortem & Makeup". Es war eine Rückkehr, ein Neuanfang und auch ein Aufstieg, endgültig raus aus dem DIY und rein ins große Business, sprich: Charteinstieg, größere Liveproduktionen, noch mehr Auftritte, noch mehr Festivals. Und gleichzeitig war es eben dieser Erfolg, der sie immer kränker werden ließ: „Ich war nach jedem Festivalsommer sehr depressiv und bin dann immer wieder in der Klinik gelandet", sagt Sookee heute nüchtern. „Ich bin vom letzten Gig nach Hause und habe meine Tasche gepackt."

Ihre Kolleg*innen, teilweise selbst lange Weggefährt*innen, sorgten sich um sie, aber eine Pause zu machen kam trotzdem nie in Frage: „Ich bin schon immer auf Verschleiß gefahren", berichtet sie. Depressiv und hochfunktional, heißt: die eigenen Bedürfnisse stehen ganz hinten an, ganz besonders wenn es um Ansprüche aus linken Kontexten geht - und währenddessen läuft die kapitalistische Verwertungslogik weiter: „Eine Mischung aus dem linken Für-die-gute-Sache-sein und dem kapitalistischen ‚Leistung, Leistung, Leistung!'", beschreibt Sookee das Spannungsfeld, in dem sie die letzten Jahre stand. „Aus beiden Seiten, die sich eigentlich diametral gegenüberstehen, das Beschissenste." Bis dann nichts mehr ging. Jeden Sommer wieder.

Auch die Kreativität wollte nicht mehr mitmachen: „Sie hat die Arme verschränkt und gesagt: ‚Nö, machen wir nicht.' Ich habe anderthalb Jahre versucht, ein Album zu schreiben", erzählt die Rapperin. Ihr Kinderalbum „Schmetterlingskacke" habe sie dagegen in nur einer Woche schreiben können. „Wie soll ich mich dagegen wehren?" Auch Aktivismus und Kindermusik sind natürlich Industrien, aber welche, in denen, wie sie sagt, die Zyklen nicht so vorgefertigt sind: Album, Promo, Tour, Festivals. Alle zwei Jahre wieder. Garniert mit maximaler Eskalation - zumindest visuell. Denn immer mehr ging es darum, berichtet Sookee, gute Promo-Momente zu schaffen: Da sieht ein Konzert auf dem Instagrambild nach völligem Abriss aus, auch wenn es in der Realität ganz anders war. Da wird im Backstage gekungelt, um bloß nächstes Jahr noch bessere Slots zu angeln und noch größere Festivals zu spielen.

Eine Welt, aus der sich die studierte Linguistin und Gender-Wissenschaftlerin auch nicht entfernen konnte. Auch wenn das bedeutete, dass sie sich auch mit Menschen auseinandersetzen musste, die ihr zuwider waren: „Ich arbeite seit Jahren gegen Acts, die am Ende aus dem gleichen Topf bezahlt werden wie ich, nur weil wir beide groß genug sind, auf dem gleichen Festival zu spielen. Und dann stehe ich im Backstage mit denen an der gleichen Salatbar." Sie kochte vor Hass, aber was blieb, war nur Frust. Denn nicht nur die Künstler sind das Problem, sondern die gesamte Industrie drum herum ist es: „Nicht nur die Acts sind die Arschlöcher, sondern auch die Leute, die sie buchen, die sie bezahlen, die dafür sorgen, dass sie noch größer werden, und die mit denen ohne zwei kritische Fragen Interviews führen. Ich kumpel mit denen genauso rum, und das will ich nicht. Ich möchte das nicht. Ich möchte mich nicht mit solchen Leuten gemeinmachen."

Die Konsequenz also ist jetzt der Schlussstrich. Und eine Karriere als die neue Rolf Zuckowski? „Auf keinen Fall! Mir geht's ja nicht darum, ein Monopol zu schaffen, sondern darum, eine Erfahrung zu machen", lacht Sookee. Eine Herzensentscheidung, wie sie sagt. Es sind ja genug Rapper*innen nachgekommen, die (einst in der der ersten Publikumsreihe bei Sookee) jetzt selbst die Bühnen mit radikal inklusiven, intersektionalen Texten entern. Und sie selbst? Sie entscheidet sich gegen die Vergangenheit, für die Zukunft, für die Leichtigkeit und für eine allerletzte Show. Ganz in Lila, natürlich. Aida Baghernejad

Sa 7.3., 20 Uhr, Astra Kulturhaus, Revaler Str. 99, Friedrichshain, ausverkauft
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