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COVERSTORY: Mannsbilder - Warum auch Männer Body Positivity brauchen

Endlich passt die Welt – und der Werbeslogan. In der neuesten Kampagne des Dessous-Herstellers Palmers präsentieren Frauen mit rundem Popo, vollen Hüften, kleineren und größeren Brüsten die neue Bikini-Mode. Body Positivity at its best. Auch ein „Person Of Colour“-Model ist vertreten. Gut gemacht, möchte man loben. Und doch, eine leise Stimme empört sich. Sie gehört einem Mann. „Warum dürfen Frauen in der Modewerbung nun ,echt‘ aussehen, den Männern wird allerdings weiterhin der Waschbrettbauch abverlangt – sogar als Mid-Ager mit grauen Haaren?“ Stimmt. Denn der einzige Herr zwischen den Palmers-Nixen sieht aus, wie alle männlichen Bademoden-Models aussehen, ob alt oder jung: Breite Schultern, braune Haut und dazu ein makel- und haarloses Waschbrett als Bauch. Diese Schieflage kann man auch auf der H&M-Website abrufen: Während die Bikini-Mode ganz im Trend von Body Positivity präsentiert wird, ist Körper-Diversität in der Badehosenwelt nicht vorhanden. Da reiht sich ein muskulöser Jüngling an den anderen. Ist Body Positivity bei Männern also kein Thema?

MÄNNERKÖRPER ALS MANGELWARE

Der eigene Körper soll so akzeptiert werden, wie er ist. Dabei muss er nicht dem von der Gesellschaft und der Modewelt diktierten Schönheitsideal entsprechen. Das ist die Grundidee der Body Positivity Bewegung. Durch Hashtags wie #allbodiesarebeautiful und #embraceyourcurves hat die Bewegung in den letzten Jahren auch auf Instagram hohe Wellen geschlagen. Dabei zeigt jedoch nur einer kleiner Teil der fast fünf Millionen Posts unter dem Hashtag #bodypositivity Männerkörper. Das ist bereits auf die Ursprünge der Bewegung zurückzuführen. Das, was wir heute „Body Positivity“ nennen, entstand in der ersten Feminismus-Welle zwischen den Jahren 1850 und 1890. Damals legten die Frauen ihre Korsette ab, um gegen die ihnen aufgezwungenen Körperideale zu demonstrieren. Auch 100 Jahre später sind es noch Frauen, die den Ton innerhalb der Debatte angeben. Im Fokus steht die Normalisierung von dicken Körpern, alltäglichen Körperfunktionen wie der enstruation sowie Körperbehaarung. Große Modehäuser wie Zara und H&M greifen genau das auf und verzichten auf das Retuschieren ihrer Models. Sucht man nun dort nach einem neuen Bikini, sieht man auch Frauen mit Dehnungsstreifen oder Hängebrüsten. Das ist richtig und wichtig. Aber warum endet die Diversität in Badehosenkampagnen bei Sixpacks in unterschiedlichen Hauttönen?

TOXISCHE KÖRPERIDEALE

Immerhin betrifft Body Positivity auch Männer. In der Gay-Community gibt es bereits verstärkt Ansätze, ein anderes Männerbild als das von Adonis zu bewerben. Laut des Body Image Reports von 2019, durchgeführt von der britischen Mental Health Foundation, hat ein Drittel der befragten queeren Personen Selbstmordgedanken aufgrund ihres Erscheinungsbildes. Demzufolge leiden Männer sexueller Minderheiten vermehrt unter toxischen Körperidealen. Body Positivity soll dem entgegenwirken und zeigen, dass die sexuelle Identität nicht von einem athletischen Körper definiert wird. Den Druck, den perfekten Körper zu erreichen, erleben auch heterosexuelle Männer. Muskulöse Arme, die einen beschützen. Einen weichen, aber trotzdem durchtrainierten Bauch, an den man sich kuscheln kann. Körperbehaarung bitte nur an den richtigen Stellen – Gott bewahre vor dem Rücken. Und vor allem, größer als die Frau solle der Traummann bitteschön sein. Die Plattformen der sozialen Medien sind voll mit Influencern, durch deren Adern nicht nur Blut, sondern auch haufenweise Eiweißshakes fließen. Der erfolgreichste Fitness-Influencer Österreichs – Johannes Bartl – zählt 1,9 Millionen AbonnentInnen auf Instagram. Dort teilt er mit seinen FollowerInnen Trainingsroutinen sowie Ernährungstipps für einen perfekt gestählten Körper, ganz ohne Aufputschmittel. Im Zuge unserer Recherche sprechen wir Männer auf ihr „Körpergefühl“ bei einer Straßenumfrage in Wien an. Darunter ist der 19-jährige Dario, der sich aus Selbstschutz von Instagram abmeldete: „Ich wollte genauso aussehen wie die Sportler. Das hat mich extrem gestresst.“ Wer dem Druck nicht entkommt, legt sich unters Messer. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich 2019 die Zahlen der operativen Eingriffe bei Männern verdoppelt. Auf den ersten Plätzen liegt hier die Fettabsaugung, wie der Verein der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgie angibt.

ABNEHMGEDANKEN UND DIÄTPLÄNE SIND NICHT FEMINISTISCH

Bei Frauenkörpern ist Body Positivity mittlerweile so verbreitet, dass „frau“ unnormal ist, wenn sie etwas an sich selbst kritisiert, anstatt es hinzunehmen. Die 20 Kilo, die während der Schwangerschaft dazugekommen sind, hat man zu lieben. Abnehmgedanken und Diätpläne sind nicht feministisch. Die Männermodels des biber-Shootings hingegen geben ehrlich zu, was sie gerne an sich ändern würden. „Eine Haartransplantation“ kann sich Ernan vorstellen, „10kg weniger“ wünscht sich Damir. Das zu sagen fällt ihnen leicht. Sie stehen zu sich und sind selbstbewusst, wenn es um ihre vermeintlichen Makel geht. „Schlimmer ist es, wenn man etwas haben will, aber nicht bekommen kann“, so Cedric. Die Körper der biber-Adonisse sind klein, haarig, dünn oder dick. Die Fotos, die wir von ihnen gemacht haben, könnte man genauso gut in der Zara-Werbung zeigen wie das hundertste Sixpack. Body Positivity sollte endlich auch in der Männerwelt Einzug finden. Damir, Sahil, Cedric, Ernan, Alex und Denis sind die body-positive Vielfalt, die wir uns wünschen.