Mode muss schön sein! Falsch, Mode muss vor allem: niemandem
wehtun. Martin Höfeler will das mit seinem nachhaltigen Fashionlabel
Armedangels erreichen. Nebenbei strebt er auch noch die Weltherrschaft
an.
Von Ellen Stickel
Eingestürzte Textilfabriken, verseuchtes Grundwasser,
Kinderarbeit - wenn man sich in ein tolles neues Shirt verliebt und es
kauft, sind das sicher nicht die Bilder, die vor dem inneren Auge
aufpoppen. Für Martin Höfeler schon, denn der Gründer des Ökomodelabels
Armedangels kämpft seit einigen Jahren gegen die Windmühlen, die
Textilbranche heißen. Seine Waffen: Überzeugungskraft, jede Menge
Enthusiasmus und ein Schuss naiven Glaubens an das Gute. Ob das
ausreicht? Sieht so aus.
uMag: Martin, euer Label Armedangels habt ihr vor sechs
Jahren während des Studiums gegründet, eigentlich eher als
Übungsprojekt. Inzwischen ist es deutlich mehr als das ...
Martin Höfeler: Ja, ich habe während des BWL-Studiums Anton Jurina
kennengelernt, und wir haben beide schnell gemerkt, dass wir eigentlich
nur studieren, um irgendwann ein eigenes Unternehmen aufbauen zu können.
Wir habe nicht darüber nachgedacht, dass Armedangels irgendwann so groß
werden könnte, dass wir nicht mehr zum Studieren kommen. Ich bin zwar
immer noch eingeschrieben, weil es meinen Eltern sehr wichtig war, dass
ich mein Studium zu Ende mache. Aber mittlerweile ist ihnen das wohl
auch schon fast egal.
uMag: Ihr habt relativ schnell prominente Testimonials wie
Thomas D, Jürgen Vogel oder Sibel Kekilli an Land gezogen. Wie wichtig
war das für euch?
Höfeler: Für uns ist alles wichtig, was die Marke weiterträgt. Dazu
gehören die Testimonials, aber auch die Kunden, die davon
weitererzählen. Ganz am Anfang haben wir unsere Idee auf einem Blatt
Papier skizziert, hatten aber nicht das nötige Geld, denn bei der
Textilproduktion muss man am Anfang viel in Vorleistung gehen. Wir haben
verschiedene Investoren angefragt, aber die meisten sagten uns: Ihr
habt ja gar keine Chance. Ihr produziert für mehr Geld als
konventionelle Marken, zahlt locker das Doppelte, wollt aber mit den
Preisen nicht höher gehen. Wir sagten aber: Doch, das wird
funktionieren. Klar, wir machen vielleicht nicht die Gewinne wie die
anderen und können nicht so viel für Marketing ausgeben, aber vielleicht
ist das auch gar nicht notwendig. Vielleicht können sich manche Dinge
auch einfach dadurch entwickeln, dass sie weitergetragen werden.
uMag: Was waren die größten Veränderungen seit Gründung des Labels?
Höfeler: Puh, viele! Zu Anfang haben wir mit gerade mal sechs
verschiedenen Printshirts angefangen, unsere aktuelle Kollektion hat 450
Teile. Außerdem haben wir in den vergangen Jahren sehr hart daran
gearbeitet, unsere gesamte Produktionskette so zu gestalten, dass wir
sicherstellen können, dass umweltgerecht produziert wird und faire
Arbeitsbedingungen herrschen. Früher waren unsere Produkte lediglich
Fairtrade, aber dieses Zertifikat bezieht sich hauptsächlich auf den
Rohstoff Baumwolle an sich. In der Textilbranche ist es aber ja so, dass
sehr viele Schritte notwendig sind, bis ein Kleidungsstück entsteht.
uMag: Baumwolle ist ein sehr beliebtes Material, braucht aber sehr viel Wasser im Anbau. Wie geht ihr damit um?
Höfeler: Es gibt harte Diskussionen darüber, welche Rohstoffe die
beste Ökobilanz haben. Wichtiger finde ich aber, dass das Wasser, was
die Pflanzen wieder in den Boden abgeben, nicht verseucht ist. Beim
konventionellen Baumwollanbau werden unglaublich viele
Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel ins Grundwasser gespült. Wenn man
vor Ort ist und sich das anschaut, dann will man das Glas Wasser, das
sie einem anbieten, echt nicht trinken. Beim Bioanbau wird mit Mist
gedüngt und Spritzmittel aus heimischen Pflanzen hergestellt. Natürlich
ist es wichtig, neue Fasern zu entwickeln, aber bisher gibt es noch
keine, die in der Gesamtbilanz so viel besser wäre als Baumwolle. Und
wenn du ein T-Shirt hast, das eine super Ökobilanz hat, aber leider
völlig kratzt oder komplett einläuft, dann ist uns auch nicht geholfen.
uMag: Wären eure Produktionsmethoden für die ganze Branche machbar, wenn man mal vom Finanziellen absieht?
Höfeler: Du sagst es schon: wenn man vom Finanziellen absieht. Denn
was man machen muss, ist natürlich teurer. Hinter der Textilbranche
steckt sehr viel Lobbyarbeit, und Moderiesen wie H&M, Zara und Co.
behaupten ja immer, dass man für ihren Bedarf auf den vorhandenen
Flächen gar nicht genug Biobaumwolle anbauen könne. Meiner Erfahrung
nach stimmt das nicht. Die Bauern, die zur traditionellen Anbauweise
zurückgekehrt sind und mit denen ich gesprochen habe, sagten, dass auf
lange Sicht die Erträge bei Bioanbau höher sind. In Indien wurde früher
praktisch alles ökologisch angebaut, da gab es einfach noch nichts
anderes. Dann kamen die großen Düngemittel- und Saatgutkonzerne wie
Monsanto und schwatzten den Bauern ihr genmanipuliertes Saatgut auf und
versprachen doppelte Erträge. Das hat auch am Anfang funktioniert, dann
mussten die Bauern aber natürlich auch spezielle Düngemittel einkaufen,
was sie viel Geld gekostet hat. Und am Ende hat man festgestellt, dass
der Ertrag mit jeder Saison weniger wurde. Also zu deiner Frage: In
einer perfekten Welt, in der man das Finanzielle ausklammert, würde es
funktionieren. Das Finanzielle spielt aber nunmal für die meisten
Konzerne eine sehr große Rolle.
uMag: Ihr seid inzwischen auch ab und an in Kaufhäusern zu
finden - verträgt sich das noch mit der Street Credibility, die ja für
junge Marken ein wichtiger Faktor ist?
Höfeler: Nee, natürlich nicht. (lacht) Wir wissen aber auch: Wir
werden nur etwas da draußen verändern können, wenn die Marke und das
Unternehmen wirklich groß werden. Als ich in Indien war, habe ich
gesehen, wie viel Hoffnung die Bauern haben, wenn man als
Fairtrade-Abnehmer da hinkommt, und wie wenig wir damals nur abnehmen
konnte. Das Gefühl, dass ich hatte, als ich nach Hause gekommen bin ...
ich wusste einfach, dass ich beweisen will, dass man tatsächlich gut
produzieren und trotzdem ein profitables Unternehmen aufbauen kann. Mit
jedem Stück, das wir verkaufen, werden die Arbeitsbedingungen in der
kompletten Kette verbessert, und Leute können von dem leben, was sie
produzieren, ob das die Bauern sind oder die Leute, die den Stoff
herstellen oder die Färber in der Färberei. Wir wollen aus der kleinen
Nische raus, damit auch andere Unternehmen das Gefühl bekommen, dass man
auch mit guten Arbeitsbedingungen erfolgreich sein kann.
Hergestellt werden die Shirts, Kleider, Hosen und Mäntel in Fabriken
in Portugal, Marokko, der Türkei und Indien. Die Produktion nach
Deutschland zu verlegen, stand für Martin Höfeler und seine Kollegen nie
zur Debatte, sie sind der Meinung, dass sich im Ausland noch viel mehr
in Sachen Arbeits- und Sozialbedingungen bewirken lässt als hierzulande.
Und was diese Bedingungen angeht, ist Höfeler knallhart: Wenn ihm eine
Fabrik oder ein Geschäftspartner suspekt sind oder die Einstellung nicht
stimmt, wird auch nicht zusammengearbeitet -Preise hin oder her.
uMag: Wie genau kontrolliert ihr die Produktion?
Höfeler: Auf der einen Seite indem wir direkt mit den Produzenten
zusammenarbeiten. Wir fahren mindestens einmal im Jahr selbst hin und
gucken uns die Bedingungen an. Zum anderen ist die gesamte
Produktionskette zertifiziert, was auch heißt, dass die einmal pro Jahr
Besuch von Kontrolleuren bekommen, die sich alles zeigen lassen und auch
Gespräche mit den Arbeitern führen, bei denen keiner sonst aus der
Fabrik dabei sein darf. Schlussendlich darf man sich aber keinen
Illusionen hingeben: Wenn jemand dabei ist, der einen betrügen will,
dann geht das natürlich. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir mit
Produzenten zusammenarbeiten, denen wir vertrauen können und die auch
selber davon überzeugt sind, dass das die richtige Entwicklung ist. Ich
gehe auch immer durch die Produktionsstätten mit dem Gedanken im
Hinterkopf: Würde ich selbst hier arbeiten wollen? Letztens haben wir
eine Fabrik in der Türkei besichtigt, die zwar zertifiziert war, aber
die hatten dort Dinge, die hätte ich als Arbeiter nicht aushalten
können. Das war nicht menschenwürdig.
uMag: Abseits der Weltherrschaft, was sind eure nächsten Pläne?
Höfeler: Wir wollen bald eigene Jeans herausbringen. Das wird eine
ganz große Nummer, denn Denim ist von der Produktion her ein ganz
furchtbares Produkt, es ist wirklich pervers, was an Chemie eingesetzt
wird, um diese ganzen Used-Effekte zu bekommen. In dieses Thema haben
wir in den letzten Monaten richtig viel Arbeit reingesteckt. Aber wenn
ich morgens in die Firma komme und sehe, wie vielen Leute wir
mittlerweile auch hier Arbeit geben, macht mich das sehr zufrieden. Und
dass wir für Menschen, die nicht täglich in den Nachrichten sind, außer
es passieren irgendwelche Katastrophen, die Situation vor Ort verbessern
können. Das ist echt 'ne gute Sache.
Checkbrief
NAME Martin Höfeler
ALTER 31
AUS Köln
STUDIERT BWL, mehr oder weniger
PLANT die Ökorevolution
LABEL Armedangels
www.armedangels.de
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