Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

3 Abos und 0 Abonnenten
Artikel

So bereitet man sich auf ein Assessment-Center richtig vor

Immer wieder graut Jobsuchenden davor, im Auswahlprozess durch sogenannte Assessment-Center ins kalte Wasser geschmissen zu werden. Die große Frage lautet: Wie kann ich mich auf Aufgaben vorbereiten, die ich vorher noch nicht im Detail kenne?

Wie genau sich ein Assessment-Center ausgestaltet, hängt immer von den Erwartungen und Bedürfnissen des Unternehmens und der Stelle ab. Kein Auswahltest gleicht exakt dem anderen, dennoch gibt es oft Parallelen. Der erste Schritt bei der Vorbereitung sollte es deshalb sein, Informationen über das Unternehmen einzuholen. Auch wenn man sich bereits im Laufe des Auswahlprozesses vorab informiert hat, sollte man die Kennzahlen regelmäßig auf Aktualität überprüfen und besondere Neuigkeiten oder aktuelle Entwicklungen im Blick haben. Informationsquellen sind zum Beispiel die Homepage, Social Media-Auftritte oder die Berichterstattung in den Medien. Mitarbeiter*innen des Unternehmens, die das Assessment-Center schon erfolgreich hinter sich gebracht haben, lassen sich zum Beispiel über Xing oder LinkedIn leicht ausfindig machen – manchmal lohnt sich auch hier der Sprung ins kalte Wasser.

Digitale Assessment-Center

Immer mehr Unternehmen setzen auf digitale Assessments. Diese bieten einige Vorteile: Die Bewerber*innen können die Tests jederzeit von Zuhause aus durchführen, was eine Anreise und den Stressfaktor vor Ort erspart. Online-Assessments sind sehr objektiv, die automatisierte Auswertung über den Computer spart Zeit und Kosten. Der geringe Aufwand ermöglicht es zudem, dass eine große Bewerberzahl daran teilnehmen kann. Ein Nachteil ist es, dass Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft oder Freundlichkeit online nicht geprüft werden können. Aus diesem Grund gibt es manchmal mehrstufige Auswahlverfahren, bei denen die Bewerber*innen nach der digitalen Vorauswahl zu einem realen Assessment-Center eingeladen werden.

Auch Online-Assessments bestehen aus verschiedenen Tests, die nacheinander bearbeitet werden. Die Reihenfolge kann man dabei selbst auswählen, und es können Pausen dazwischen eingelegt werden. Man sollte sich wohlfühlen und munter sein, für eine störungsfreie Umgebung sorgen und eine stabile Internetleitung haben. Normalerweise beginnen die Tests mit einer kurzen Einleitung, danach folgen eine interaktive Sequenz, die den Test näher erklärt, und eine Testaufgabe. Die Aufgaben sollten sorgfältig und zügig gelöst werden, meist wird eine Frist im Einladungsschreiben mitgeteilt.

Phase 1: Die Selbstpräsentation

Die Selbstpräsentation gehört zu jedem klassischen Assessment-Center und sollte deshalb unbedingt vorbereitet werden. Dazu eignet sich zum Beispiel der sogenannte Elevator-Pitch: Man überzeugt sein Gegenüber in der Zeitspanne, die eine Fahrt mit dem Aufzug normalerweise dauert, also ein bis zwei Minuten. Das Ziel ist es, mit wenigen Sätzen Begeisterung zu wecken und sein Thema, also in dem Fall die eigene Persönlichkeit, zu verkaufen. Enthalten sein sollten der bisherige berufliche Werdegang, wesentliche Meilensteine und Erfolge sowie Stärken mit Bezug zur ausgeschriebenen Stelle. Große Namen, konkrete Zahlen oder das Erzählen einer Geschichte sorgen dafür, dass beim Gegenüber etwas hängen bleibt.

Phase 2: Übungen

Oft beginnt die zweite Phase des Assessment-Centers mit der sogenannten Postkorbübung: Die Bewerber*innen erhalten einen „Postkorb“ mit Dokumenten, die innerhalb einer vorgegebenen, knappen Zeitspanne bearbeitet werden müssen. Oft überschneiden sich Rahmenbedingungen oder Abgabetermine, sodass man gezwungen ist, Prioritäten zu setzen. Unter Umständen wird die Arbeit durch zusätzliche Dokumente, Telefonate oder Gespräche mit Mitarbeitern gestört, um den Stressfaktor zu erhöhen. Normalerweise ist die Postkorbübung so angelegt, dass sie nicht hundertprozentig erfüllbar ist. Bei dieser Übung soll überprüft werden, wie man Entscheidungen im Job trifft und wie stressresistent man ist.

Um sich auf die Postkorbübung vorzubereiten, ist zum Beispiel das Verinnerlichen der Eisenhower-Matrix geeignet: Mit ihrer Hilfe gelingt es, Aufgaben gezielt nach Dringlichkeit und Wichtigkeit zu priorisieren. A-Aufgaben sind wichtig und dringend, werden also am besten sofort erledigt. B-Aufgaben sind wichtig, aber nicht dringend: Sie werden geplant. C-Aufgaben sind nicht wichtig, aber dringend: Sie werden delegiert. D-Aufgaben sind weder dringend noch wichtig und werden eliminiert.

Im Anschluss an die Postkorbübung geht es normalerweise ans Eingemachte: In dieser Phase des Assessment-Centers finden oft Intelligenz- oder Konzentrationstests, Einzelinterviews oder das Halten von Präsentationen statt. Auf diese Aufgaben kann man sich nur bedingt vorbereiten, weil man die Aufgabenstellung im Vorfeld noch nicht konkret kennt. Und das ist gewollt: Unternehmen richten das Assessment-Center genau deswegen aus, um die Bewerber*innen so kennenzulernen, wie sie wirklich sind. Die Personalverantwortlichen sind darin geschult zu erkennen, wer eine Rolle spielt und wer ganz er selbst ist. Deshalb gilt es in jedem Fall, authentisch zu bleiben, anstatt sich zu verstellen.

Phase 3: Rollenspiele

Bei einem Rollenspiel müssen sich die Bewerber*innen in einem direkten Gespräch in einer schwierigen Situation beweisen, zum Beispiel mit einer Mitarbeiterin oder in einem Kundengespräch. Normalerweise bekommen die Teilnehmer*innen fünf bis zehn Minuten Vorbereitungszeit, das Rollenspiel selbst dauert zwischen 10 und 30 Minuten. Ein typischer Fallstrick ist die Rolle des Gegenübers, welche sich mit Sicherheit nicht sofort einsichtig und kooperativ zeigen wird. Wichtig ist deshalb, sachlich und zielorientiert zu argumentieren. Unqualifizierte oder impulsive Antworten sollten vermieden werden, ebenso gilt es die Handlungskompetenz der vorgegebenen Rolle nicht zu überschreiten. Wer Souveränität vermittelt, überzeugt beim Rollenspiel.

Phase 4: Fallstudien

Die Fallstudie ist vor allem in Jobs mit Führungsverantwortung Teil des Auswahlverfahrens, denn sie überprüft die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeiten der Bewerber*innen. Sie übernehmen dabei die Position von Entscheidungsträgern, die vor einem Problem stehen. Als Hilfestellung erhält man dasselbe (möglicherweise unzureichende) Material, welches Entscheidungsträgern in vergleichbaren Situationen tatsächlich zur Verfügung steht. Es gilt, unter Zeitdruck geschickt mit komplexen Problemen umzugehen. Die Fallstudie kann schriftlich oder mündlich und entweder als Einzel- oder als Gruppenaufgabe stattfinden.

Phase 5: Gruppendiskussion

Bei der Gruppendiskussion im Assessment-Center werden die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer*innen unter die Lupe genommen. Introvertierte Bewerber*innen können sich positiv hervortun, indem sie aktiv zuhören, Gesprächsinhalte Anderer zusammenfassen und Ergebnisse formulieren. Mögliche Themen könnten die Vor- und Nachteile von erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen Energien, die Einführung einer Männerquote in sozialen Berufen oder die Gefahren von gewaltverherrlichenden Videospielen sein. Fachwissen ist ein nützlicher Bonus, aber nicht primär gefragt.

Bei der Themenauswahl kann es passieren, dass man aufgefordert wird, einen Standpunkt zu vertreten der nicht der persönlichen Meinung entspricht. Flexibilität und eine gute Strategie sind der Schlüssel zum Erfolg, beispielsweise das Zurechtlegen von Definitionen für bestimmte Kriterien. Bezieht man sich bei der Vorbereitung der Argumentation auf bestimmte Kriterien der eigenen Definition, die man zu Beginn seiner Ausführungen erläutert, gelingt eine stringente und überzeugende Präsentation. Umso mehr die eigenen Ausführungen auf objektiv nachvollziehbaren Kriterien beruht, desto eher werden andere Teilnehmer*innen zustimmen.

Phase 6: Feedback

Am Ende eines Assessment-Centers steht das Abschlussgespräch. Das Unternehmen nimmt abschließend die Motivation und die Persönlichkeit der Bewerber*innen erneut unter die Lupe und testet gleichermaßen die Kritikfähigkeit. Weil das Abschlussgespräch genauso in die Beurteilung mit einfließt, wie alle anderen Tests, sollten nicht alle Bemühungen durch eine unbedachte Bemerkung zunichte gemacht werden. Trotz der Aufforderung, „frei von der Leber weg“ über das Assessment Center und andere Bewerber*innen zu urteilen, sollte man sich in freundlicher Zurückhaltung üben. In jedem Fall sollte vermieden werden, sich negativ über Mitbewerber*innen zu äußern.