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Interview

SID-Interview mit Claudia Neumann: "Wie ein lästiger Durchfall"

SID: "Frau Neumann, in vergangenen Interviews haben Sie angegeben, dass Männerfußball zu kommentieren kein ausgewiesenes Ziel von Ihnen ist. Wie sehr freut es Sie, dass sie nun doch bei einem Männer-Turnier im Einsatz sein werden?

Claudia Neumann (52/ZDF-Reporterin): "Ich freue mich, dass es jetzt endlich losgeht. Ich kann meine Nominierung gesellschaftspolitisch einordnen, würde sie aber viel lieber ausschließlich im Kontext meines Werdegangs sehen."


SID: "Macht es Sie ein bisschen stolz, dass Sie die erste Frau sind, die bei einem Männerfußball-Großereignis live kommentiert? Oder stört Sie die Aufmerksamkeit eher?"

Neumann: "Nein, Stolz ist es keinesfalls. Und ja, ich könnte auf diese Art von Aufmerksamkeit sehr gut verzichten."


SID: "Warum, glauben Sie, hat das so lange gedauert?"

Neumann: "Weil unsere Gesellschaft tatsächlich längst noch nicht so modern, weltoffen und tolerant ist, wie uns viele glauben machen wollen."


SID: "Haben Sie das Gefühl, dass es Vorbehalte gegenüber Frauen im Sportjournalismus gibt und ihnen von vornherein weniger Fußballkompetenz zugetraut wird?

Neumann: "Vorbehalte auf jeden Fall. Der Fachlichkeit, verpackt in einer Frauenstimme, wird automatisch ein gehöriges Maß an Vertrauen entzogen. Eine allgemeine Ablehnungshaltung ist da eher instinktiv. Beim Fußball handelt es sich nun mal um des deutschen Mannes liebstes Kind, da sind Veränderungen genauso willkommen wie eine lästige Durchfallerkrankung."


SID: "Glauben Sie, dass Zuschauer Sie wegen Ihrer Stimme ablehnen, egal wie gut Ihre Leistung als Kommentatorin ist?"

Neumann: "Ja, das ist der signifikante Unterschied. Hätte ich eine Männerstimme, würde niemand überhaupt bemerken, dass da eine Frau kommentiert. Kritik gäbe es natürlich trotzdem, das ist ja etwas was uns dann doch alle eint, vor dem Mikro."


SID: "Wie haben Sie sich auf Ihre Spiele vorbereitet, und worauf freuen Sie sich besonders?"

Neumann: "Vorbereitet habe ich mich eigentlich wie immer. Informationen zu Teams und Spielern recherchieren, Vorbereitungsspiele schauen, Interviews lesen, das Ganze auf die wichtigsten Fakten reduzieren. Vor Ort dann die letzten aktuellen Fakten sammeln, dann geht's los."


SID: "Was trauen Sie der deutschen Mannschaft zu?"

Neumann: "Trotz der jüngsten personellen Hiobsbotschaft(en) glaube ich aus Überzeugung an die deutsche Mannschaft. Hier passt das Paket insgesamt am besten: individuell viele herausragende Spieler, ein fantastischer Trainer mit einer klaren Idee vom Spiel und zu guter Letzt ein Zusammenhalt im Kader, der in meiner Wahrnehmung nicht nur demonstriert wird."