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Nach Ende der politischen Eiszeit: Länderspiel Türkei-Russland in Antalya

Wenn am Mittwochabend in Antalya das Länderspiel zwischen der Türkei und Russland angepfiffen wird, steht vor allem im Fokus, was sich außerhalb des Fußballplatzes abspielt. Und das, obwohl das erste Mal der neue russische Trainer Stanislaw Tschertschessow an der Seitenlinie stehen wird. Denn tatsächlich sind beide Staaten vor allem um "Freundschaft" bemüht. 

Der Abschuss eines russischen Kampfjets im türkisch-syrischen Grenzgebiet im November letzten Jahres durch die türkischen Streitkräfte hatte zu einer schweren diplomatischen Krise geführt. Das Fußballspiel soll nun der Höhepunkt der Versöhnungsbemühungen zwischen den beiden Staaten sein.

Zwar konnte auch vor dem Konflikt von einem engen Verhältnis zwischen den beiden Staaten nicht die Rede sein: Die beiden mächtigen wie umstrittenen Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan vertreten außenpolitisch sehr unterschiedliche Interessen. So vor allem in Syrien-Konflikt. 

Und der Abschuss sorgte lange Zeit für politische Eiszeit, viele befürchteten eine Eskalation, nachdem Putin von einem "Dolchstoß von Verbündeten von Terroristen" gesprochen hatte. Der Kreml reagierte mit Sanktionen gegen Ankara. Der Türkei drohte ein um fast ein Prozent gesunkenes Bruttoinlandsprodukt, hätte Russland am Embargo festgehalten. Doch auch weil das Verhältnis zum Westen nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli weiter abkühlte, tat Moskau sich als wichtiger Partner hervor. 

Ende Juni entschuldigte sich Erdogan in einem Schreiben für den Abschuss des Militärjets und drückte den Angehörigen des getöteten Piloten sein Beileid aus. Russland hob die Sperre für Urlaubsflüge in die Türkei auf und kündigte das Freundschaftspiel an. Am 9. August gab es das mit Spannung erwartete Treffen von Putin und Erdogan in St. Petersburg - Entspannung auf der ganzen Linie.

"Die Beziehungen mit der türkischen Seite normalisieren sich und die Flugbeschränkungen wurden aufgehoben", sagte der russische Sportminister Witali Mutko, der auch dem russischen Fußball-Verband RFS vorsitzt, am Montag: "Die türkische Regierung hat uns Sicherheit garantiert. Ich plane selbst, das Spiel zu besuchen. Ich denke, es wird alles gut sein." Entgegen einiger Medienberichte soll Präsident Putin nicht in der Türkei anwesend sein. 

Dafür werden in Antalya rund 2000 russische Fans erwartet, um die Sbornaja zu unterstützen. "Eine Wohltätigkeitsorganisationen, die um die Verbesserung der russisch-türkischen Beziehungen bemüht ist, vergibt rund hundert Tickets umsonst an Russen, die in Antalya leben", kündigte ein Sprecher des türkischen Fußball-Verbands TFF an.

Aber auch auf dem Platz sind die Veränderungen auf der russischen Seite seit dem enttäuschenden Abschneiden bei der EM in Frankreich umfassend. Nachdem der frühere Trainer Leonid Sluzki mit seiner Mannschaft ohne Sieg in der Vorrunde ausschied und zurücktrat, verpflichtete der RFS mit Blick auf die Heim-WM 2018 den früheren Dresdner Bundesliga-Torwart Tschertschessow. 

Nur acht EM-Akteure stehen für die Länderspiele gegen die Türkei und gegen Ghana (6. September) in Moskau in seinem 23-köpfigen Aufgebot, darunter auch der eigens für die EM eingebürgerte Ex-Schalker Roman Neustädter.

Keine Berücksichtigung fanden dagegen Alexander Kokorin und Pawel Mamajew, von denen ein Video bei einer Champagner-Party in Monaco kurz nach dem Aus bei der EURO aufgetaucht war. Mutko sagte, sie müssten erst wieder das Vertrauen der Fans gewinnen, um zur Mannschaft zurückkehren zu dürfen.