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Solja verpasst Gold-Chance, aber gewinnt Bronze: "Jetzt fahre ich nach Disneyland"

Mit hängendem Kopf schlurfte Petrissa Solja unter aufmunterndem Applaus aus der Tischtennis-Halle. Der Schmerz über das verlorene Mixed-Halbfinale und die verpasste Chance auf das erste WM-Gold für Deutschland seit 28 Jahren schien zunächst erdrückend. Minuten später fand die Mannschafts-Olympiazweite aber bereits ihr Lachen wieder. "Mit etwas Abstand werde ich mich sehr darüber freuen", sagte Solja: "Danach fahre ich mit dem Wohnmobil nach Disneyland, da kann ich mir die Freude aus der Seele schreien."

Soljas Wohnmobil steht immer parat, auch in Düsseldorf parkte die 23-Jährige das Gefährt vor der Halle. Dass Solja und ihr chinesischer Partner Fang Bo im Mixed-Wettbewerb aber die Gelegenheit zum Finaleinzug ausließen, ärgerte sie dann doch. "Bronze ist keine Enttäuschung, aber ich ärgere mich, dass wir die 3:1-Führung nach Sätzen liegen gelassen haben", sagte die 23-Jährige: "Wenn man sich die Paarung im anderen Semifinale anschaut, hätten wir gute Chancen gehabt." Im Endspiel hätte ein taiwanesisches Duo gewartet.

Der Tragweite des ersten WM-Medaillengewinns einer Spielerin des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) in einem Einzelwettbewerb seit 1971 war Solja schon vor dem Duell gegen die späteren Weltmeister Maharu Yoshimura/Kazumi Ishikawa (Japan) bewusst. "Für mich ist es so besonders als würde ich Geschichte schreiben", sagte sie im Anschluss an das Viertelfinale.

Dabei wäre es dazu beinahe nicht gekommen. Fast hätte sie - wie ihre Schwester Amelie - den Verband gewechselt und würde heute für Österreich aufschlagen. Für die WM wäre sie dann noch nicht spielberechtigt gewesen. Amelie tritt seit 2011 mit einem österreichischen Pass an und ist noch bis 2018 für Weltmeisterschaften gesperrt. "Eigentlich hatte ich mit der deutschen Nationalmannschaft schon abgeschlossen", sagte sie damals. Bundestrainerin Jie Schöpp überzeugte sie, zu bleiben.

Die versuchte der deutsch-chinesischen Kombination, als ihnen das Spiel im fünften Satz zu entgleiten drohte, immer wieder Mut zuzureden. "Fang Bo war sehr nervös. Sein Trainer hat ihn auch nicht so oft gelobt wie ich", sagte sie: "Am Ende war es eine Nervensache." 

Mit der WM-Medaille kann Petrissa auf eine beachtliche Sammlung in ihrer Trophäenvitrine blicken: In Rio holte sie für Deutschland mit der Mannschaft Silber, 2015 feierte sie beim World Cup mit Bronze einen ihrer größten Einzel-Erfolge, besiegte zwei Top-Ten-Spielerinnen. 

Im Einzel war sie in Düsseldorf auf Position 14 gesetzt, jedoch platzten ihre Hoffnungen überraschend früh in der zweiten Runde. Vor ihr fanden sich ausnahmslos Asiatinnen und die beiden in China geborenen Europäerinnen Liu Julia (Österreich) und Hu Melek (Türkei). Sie scheiterte an der in der Weltrangliste 79 Positionen schlechter geführten Ungarin Szandra Pergel mit 1:4.

Bereits vor der WM war die Paarung mit Fang heißester Anwärter auf Edelmetall gewesen. Der DTTB hatte beim chinesischen Verband wegen eines Partners für Solja angefragt, und China bot Vizeweltmeister Fang an. "Okay, den akzeptiere ich", sagte Solja schmunzelnd. Für beide Seiten dürfte sich die Entscheidung gelohnt haben. Das zeige auch den "Respekt, den Petrissa mittlerweile in Asien genießt", sagte DTTB-Sportdirektor Prause. Nach WM-Bronze dürfte der noch größter geworden sein.