Marlene Trenker nimmt Babys bei sich auf, bis das Jugendamt eine Pflegefamilie gefunden hat. Sie weiß nicht, wie lange ein Kind bleibt. Sie weiß nur, sie muss es wieder abgeben. Wie hält man das aus?
Der Anruf kam an einem Herbsttag. Die Strampelanzüge waren gewaschen, der Kinderwagen stand bereit, sie ging ans Telefon. Es ist ein Kind geboren, sagte die Frau vom Jugendamt, wie jedes Mal. Marlene Trenker bat um Bedenkzeit, wie jedes Mal. Sie rief ihren Mann bei der Arbeit an. Das Jugendamt, sagte sie nur, er wusste Bescheid, er willigte ein. Sie sprach mit den Kindern nach der Schule, na gut, Mama. Dann sagte sie zu.
Sie fuhr ins Krankenhaus und da war es, das Kind, keine drei Tage alt, allein, die Stirn in Falten. Die Frau vom Jugendamt hatte das Nötigste gesagt: Das Kind ist gesund, wird nicht allzu lange dauern. Von der Mutter war ihm nichts geblieben. Keine Kleidung, kein Kuscheltier. Nur der Name. Mit dem leeren Kinderwagen fuhr Marlene Trenker zur Klinik, voller Vorfreude, mit dem Kind darin fuhr sie zurück.
Seitdem wartet sie auf den Tag, an dem sie das Kind wieder abgeben muss.
Mehr als sechs Monate sind vergangen, seit es zu Marlene Trenker kam. Sie heißt eigentlich anders, aber damit die leiblichen Eltern nicht plötzlich vor der Tür stehen, trägt sie hier diesen Namen. Auch das Geschlecht des Kindes darf nicht genannt werden. Es ist nicht das erste Baby, das Trenker aufnimmt. Sie arbeitet als Bereitschaftspflegemutter für das Münchner Stadtjugendamt, zu ihr kommen Findelkinder, Babyklappenkinder, Inobhutnahmekinder.
Es sind Kinder, bei denen die Eltern feststellen, dass sie sie nicht aufziehen können. Und Kinder, bei denen das Jugendamt feststellt, dass die Eltern sie nicht aufziehen können.