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Rhetorische Mittel erkennen und interpretieren

Rhetorische Mittel zu finden, ist manchmal echte Detektivarbeit. | Foto: bee32/Getty Images

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Willst du einen Text richtig analysieren, kommst du um sie nicht herum: rhetorische Mittel. Wir geben dir einen Überblick über die wichtigsten Stilmittel und erklären dir, wie du sie erkennen und interpretieren kannst.

Wichtig für jede Textanalyse: Rhetorische Mittel

Die Interpretation literarischer Texte fällt oft deshalb nicht leicht, weil sie vielschichtig und umfangreich ist. Anders als in kannst du hier nicht auf eine Formel zurückgreifen, sondern musst dir eigene, oft assoziative Gedanken machen und erklären, analysieren und interpretieren. Dabei geht es völlig unabhängig von der konkreten Aufgabenstellung eigentlich immer nur um eine Frage: Was ist die Aussage des Textes und wie wird diese Aussage sprachlich dargestellt?

Um das beantworten zu können, musst du vor allem die rhetorischen Mittel eines Textes erkennen und interpretieren. Und das ist gar nicht so schwer, wie es sich anhört.

Kein Text ohne sprachliche Mittel

Rhetorische Mittel sind sprachliche Stilmittel, die der Autor bewusst einsetzt, um die Botschaft seines Werkes, eine bestimmte Atmosphäre oder Gefühle auszudrücken. Sprachliche Mittel schaffen Bilder, die Inhalt und Aussage eines Textes veranschaulichen sollen. Ihr Ursprung liegt in der griechischen Antike, weshalb rhetorische Mittel in der Regel griechische oder lateinische Namen haben. Rhetorische Mittel sind vor allem in epischen (z.B. Romane, Kurzgeschichten), dramatischen (z.B. Dramen oder Komödien) und lyrischen Texten (z.B. ) zu finden, tauchen aber auch in Reden oder, wenn auch sehr reduziert, in Sachtexten oder auf.

Auch im alltäglichen Sprachgebrauch kommen rhetorische Mittel so selbstverständlich vor, dass du wahrscheinlich gar nicht auf die Idee kommst, dass es sich dabei um eine sprachliche Figur handelt. Oder ist dir bewusst, dass Begriffe wie "Nasenflügel" oder "Tischbein" nichts anderes als Metaphern sind?

Einmal lesen reicht nicht

Rhetorische Figuren erwecken Texte zwar zum Leben, sorgen aber auch dafür, dass du dich vom Text manchmal regelrecht erschlagen fühlst und beim ersten Lesen gar nicht verstehst, worum es eigentlich geht. Das ist vor allem bei Gedichten häufig der Fall, wo sprachliche Mittel meist in hoher Dichte vorkommen. Insbesondere für die Lyrik aus bestimmten Literaturepochen, wie etwa dem , der oder dem Sturm und Drang, ist eine starke Bildsprache typisch. Sollte es dir so gehen, dass du dich nach dem ersten Lesen fragst "Und jetzt?", ist das überhaupt kein Problem. Lass dich davon auf keinen Fall verunsichern. Selten schreibt sich eine Analyse einfach so runter. Meist musst du geistig richtig dafür arbeiten, denn literarische Texte lassen sich in unzählige Einzelteile zerlegen. Folglich musst du dich erstmal in den Text einarbeiten. Entsprechend wächst das Textverständnis im Verlauf deiner Interpretation.

Deswegen macht es Sinn, den zu analysierenden Text mehrmals zu lesen. Beim ersten Lesen geht es zunächst um das reine Textverständnis. Gibt es Dinge, die du nicht auf Anhieb verstehst, macht das nichts. Es reicht, erstmal grob zu wissen, worum es geht. Im zweiten Lesedurchgang markierst du dir Auffälligkeiten im Text. Im dritten Durchgang kannst du dann überlegen, ob sich hinter diesen Auffälligkeiten Stilmittel verbergen.

Rhetorische Mittel erkennen

Eine Textanalyse ist immer so aufgebaut, dass du dich vom Groben zum Detail, von den Äußerlichkeiten zu den Deutungen vorarbeitest. Bei einer Gedichtanalyse startest du beispielsweise zunächst damit, Aussagen über die formalen Aspekte wie Gedichtaufbau (Anzahl der Strophen und Verse), Reimschema, Kadenzen und zu machen und den Inhalt in Form einer kurzen Inhaltsangabe wiederzugeben. Damit legst du auch für dich selbst einen wichtigen Grundstein für die anschließende Interpretation.

Rhetorische Mittel zu interpretieren gehört zur Detailarbeit deiner Analyse. Sie zu erkennen, fordert vor allem deine eigene Sprachkompetenz, vollzieht sich aber auch auf einer assoziativen Ebene. Deswegen gilt: Folge deinen Assoziationen! Wenn du beispielsweise im Text das Wort "grau" liest und es mit Langeweile oder Farblosigkeit in Verbindung bringst, oder auch mit und Schwermut, greife das in deiner Interpretation auf und übertrage es auf den Inhalt des zu analysierenden Textes.

Rhetorische Mittel interpretieren

Rhetorische Mittel zu erkennen, und entsprechend zu benennen, ist der erste Schritt. Da sprachliche Mittel immer eine bestimmte Funktion erfüllen, geht es im nächste Schritt darum, sie zu interpretieren. Dass bedeutet, dass du ihre Aussage und Funktion erklärst und eine Beziehung zwischen Form und Inhalt herstellst, denn: Sprachliche Figuren sind vom Autor niemals wahllos gewählt. Die Qualität eines literarischen Werkes zeigt sich in der Verschmelzung der formalen und der inhaltlichen Ebene.

Es ist nicht nötig, dass du jedes rhetorische Mittel beim Namen nennen kannst. Oft reicht es, wenn du sprachliche Auffälligkeiten einfach beschreibst. So ist es natürlich gut, wenn du einen Diminutiv benennen kannst. Genau so richtig ist es aber, wenn du einfach sagst, dass es sich um eine Verniedlichung (z.B. Blümchen) handelt. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Interjektion. Hier reicht es, wenn du sagst, dass es sich bei einem Ausruf wie "Oh!" oder "Ah!" um einen Gefühlsaudruck handelt. Generell gilt: Fällt dir der Fachbegriff nicht ein, beschreibe die sprachliche Figur einfach. Abgesehen davon gibt es allerdings einige gängige rhetorischen Mittel, die du auf jeden Fall erkennen und beim Namen nennen können solltest. Hier ein paar wichtige im Überblick.

Die häufigsten Stilmittel:

Metapher: eines der häufigsten rhetorischen Mttel in allen literarischen Gattungen. Die Metapher vollzieht eine sprachliche Bedeutungsübertragung, das heißt, dass sprachlich zwei Bereiche miteinander verbunden werden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Beispiele: Ein Meer aus Menschen, "Ein rosenfarbnes Frühlingswetter, lag auf dem lieblichen Gesicht" (Johann Wolfgang von Goethe, "Willkommen und Abschied") Vergleich: Ein Vergleich verknüpft zwei Sachverhalte durch das vergleichenden "wie". Beispiel: Sie singt wie eine Nachtigall. Personifikation: Dingen, Begriffen oder Tieren werden menschliche Eigenschaften oder Fähigkeiten zugeschrieben. Das macht einen Text bildhaft und lebendig. Beispiel: Die Sonne lacht. Anapher: Gleicher Satzanfang oder gleiches Satzteil. Funktionen von Anaphern sind Strukturierung, Rhythmisierung und Verstärkung. Beispiel: Ja, da kann man sich doch nur hinlegen, ja, da muss man kalt und herzlos sein. (Bertolt Brecht, "Die Dreigroschenoper") Alliteration: Mindestens zwei benachbarte oder aufeinander folgende Wörter beginnen mit demselben Buchstaben. Beispiel: Kind und Kegel; "Wir weben, wir weben" (Heinrich Heine, "Die schlesischen Weber"). Alliterationen dienen dazu, die entsprechenden Worte besonders zu betonen oder hervorzuheben. Tautologie: Sie drückt einen Sachverhalt doppelt aus. Beispiele: Ein kleines Baby (der Begriff Baby impliziert ja bereits, dass es klein ist), weißer Schimmel. Durch die eigentlich unnötige Dopplung wirkt die Tautologie verstärkend und rückt die Wichtigkeit des Gesagten in den Vordergrund. Ellipse: Ein grammatisch unvollständiger Satz. Jeder Bestandteil (Subjekt, Prädikat, Objekt) kann fehlen. Eine Ellipse stellt das Wesentliche in den Mittelpunkt, oft konzentriert sie Gefühle und Sprache. Beispiel: Gönn dir. Chiasmus: Überkreuzung zweier ähnlicher Satzglieder. Beispiele: "Die Kunst ist lang, und kurz ist unser Leben." (Johann Wolfgang von Goethe) oder "Ich liebe die Nacht, die Nacht liebt mich." Der Chiasmus hebt oft gegensätzliche Behauptungen hervor. Parallelismus: Aufeinanderfolgende Sätze haben die gleiche Abfolge von Satzgliedern (Subjekt, Prädikat, Objekt, adverbiale Bestimmungen). Oft werden dabei auch Wörter wiederholt, die die Parallelität verstärken. Ein Parallelismus steigert die Aussagekraft. Gegenstück ist der Chiasmus, der die Satzglieder kreuzt. Beispiele: "In deinen Küssen welche Wonne! In deinen Augen welcher Schmerz!" (Johann Wolfgang von Goethe, "Willkommen und Abschied"); "Wohnst du noch oder lebst du schon?" Neologismus: Eine Wortneuschöpfung. Beispiele: hartzen, Smombie. Wortneuschöpfungen müssen immer im historischen Kontext gesehen werden. "Chillen" war ursprünglich auch ein Jugendwort, das inzwischen in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen ist. Rhetorische Frage: Eine Scheinfrage, die die Antwort bereits beinhaltet und daher nicht beantwortet werden muss. Rhetorische Fragen werden verwendet, um eine Aussage besonders nachdrücklich zu gestalten. Beispiel: Wie oft soll ich dir das noch sagen? Klimax: In meist drei Stufen werden bei einem Klimax Wörter oder Satzteile aneinandergereiht. Sie steigern sich vom schwachen bis zum stärksten Ausdruck. Beispiel: "Ich kam, sah und siegte." (Caesar) Antithese: Gegenüberstellung zweier gegensätzlicher Begriffe. Beispiele: "Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang." (Friedrich von Schiller, "Die Glocke"); "Ein kleiner Schritt für mich, ein großer Schritt für die Menschheit." Akkumulation: eine Anhäufung von ähnlichen Begriffen oder Wörtern. Beispiel: Sonne, Mond und Sterne. Onomatopoesie: Lautmalerei; eine Nachahmung von Lauten mit Worten. Beispiele: Wau, Miau, Muh, Piep.

Rhetorische Mittel lassen sich nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen und verschmelzen oft miteinander. So handelt es sich beispielsweise bei dem Vers "Wir weben, wir weben!" aus Heinrich Heines "Die Schlesischen Weber" sowohl um eine Alliteration (da gleiche Anfangsbuchstaben) als auch um eine Repetitio (Wiederholung von Wort- oder Satzteilen). Und ein Parallelismus wie "Soll ich bleiben, soll ich gehen?" ist gleichzeitig auch eine rhetorische Frage.

Rhetorische Mittel für Profis

Neben einigen gängigen rhetorischen Mitteln, die du grundsätzlich erkennen und auch benennen können solltest, gibt es noch zahlreiche weitere sprachliche Figuren, die sich in literarischen Texten verstecken. Sie alle zu kennen ist nicht nötig. Für ein paar Extrapunkte hier fünf rhetorische Mittel für Profis:

Polysyndeton: Mehrfaches Angliedern von Satzgefügen durch ein gleiches Satzglied. Beispiel: Das Haus war groß und sauber und schön Synästhesie: Unterschiedliche Sinneseindrücke oder Empfindungen werden miteinander verbunden. Beispiel: laues Frühlingswetter, herber Duft, kaltes Grün. Inversion: Umstellung der üblichen Wortfolge. Beispiel: "Schlau bist du" (statt "Du bist schlau"). Correctio: Korrektur oder Verbesserung einer Aussage. Beispiel: "Die Klausur war toll, nein, großartig!" Adynaton: Beschreibung etwas Unmöglichen, um zu verdeutlichen, dass etwas niemals geschehen wird. Beispiel: "Wenn die Sonne im Westen aufgeht und im Osten versinkt, wenn die Meere austrocknen und die Berge wie Blätter im Wind verwehen." (George R.R. Martin, "Das Lied von Eis und Feuer")

Selbst wenn du alle rhetorischen Mittel kennst, musst du nicht jedes einzelne erkennen und interpretieren. Wenn du dich zu sehr im Detail verlierst, kannst du schnell das Ganze aus dem Blick verlieren - zumal du in einer Klausur ja auch nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hast, in der du deine komplette Analyse schreiben musst. Daher gilt: Konzentriere dich auf einige wichtige und auffällige Stilmittel, interpretiere sie und setze sie in Bezug zu Form und Inhalt. Das bringt dir mehr, als wenn du jede noch so kleine Anapher raussuchst.

Eine Analyse kann nie jedes Detail erfassen. Es geht um ein rundes Gesamtbild, in dem du die wichtigsten Auffälligkeiten erfasst und Aussagen über das zu analysierende Werk lieferst. Dabei gilt: Es gibt nicht die eine richtige Interpretation. Es gibt immer nur eine Tendenz. Deswegen können auch rhetorische Mittel unterschiedlich gedeutet werden, solange sie zu Inhalt und Aussage des Textes passen.

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