Das Haus öffnet für die erste Publikumsschau. Das ist durchweg begeistert.
Schon kurz vor zehn Uhr sammelt sich eine kleine Menschentraube vor dem Eingang des Romantik-Museums. Ja, es wurde viel im Vorwege geschrieben und berichtet. Das wissen auch die Besucherinnen und Besucher, die ein wenig ungeduldig vor dem verschlossenen Eingang warten, vor dem feierlich anmutend ein dunkelblaues Band gespannt wird. Dementsprechend sind die Erwartungen groß. Alexander Reuter (51) erhofft sich von seinem Besuch nichts Geringeres als „Erleuchtung" und Christiane Liebel (78), die eigentlich früh genug da sein wollte, um die Erste zu sein und jetzt doch in der zweiten Reihe steht, gerät schon jetzt ins Schwärmen: „Die Romantik ist so ein weites Feld. Es geht um Träume, Natur, Literatur ... das möchte ich hier entdecken." Mittlerweile hat sich auch eine Schulklasse hinter ihnen versammelt, die extra aus Gelsenkirchen angereist ist.
Alexander Reuter darf das blaue Band durchschneiden und den Weg frei machen für die ersten Besucherinnen und Besucher des Frankfurter Romantik-Museums. Diese tröpfeln nach und nach in die Goethe-Galerie, die ein bisschen die Schwelle zur Epoche der Romantik markieren soll, und ganz unterschiedliche Reaktionen kommen auf, die aber durchweg positiv und fast überschwänglich sind.
Das MuseumÖffnungszeiten: Das Museum ist Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am Donnerstag von 10 bis 21 Uhr. Montags ist es geschlossen. Adresse: Großer Hirschgraben 23-25. neben dem Goethe-Haus. Corona-Hygienekonzept : Es gilt die 3G-Regel (geimpft. getestet, genesen). Im Museum gilt Maskenpflicht. Eintritt : Der Eintritt kostet 10 Euro. Bei Nachweisen gibt es Ermäßigungen. Weitere Infos unter: deutsches-romantik-museum.de
Während Reuter fasziniert an den Gemälden entlangspaziert und bewundernd die kleinen Nischen und Räume hervorhebt, in denen sich unter anderem der Schreibtisch aus dem Nachlass von Johann Gottfried Herder verbirgt, verschmilzt er farblich mit seinem taubenblauen Jackett fast schon im Dekor der Galerie. Christiane Liebel kommentiert entzückt die kleine Nische, in der man sich mit Blick auf die Brandmauer des Goethe-Hauses setzen kann, mit „genial". Als hätten sie es nicht abwarten können, sich in den Sog der vergangenen Epoche zu begeben, so lassen auch die Schülerinnen und Schüler des Deutsch-Leistungskurses des Gelsenkirchner Leibniz-Gymnasiums ein paar Funken der Begeisterung sprühen.
Natascha Eisenbraun (42), die Deutschlehrerin, steht versunken vor Füsslis „Der Nachtmahr". „Wir lesen mit der Klasse gerade ‚Der Sandmann' von E. T. A. Hoffmann und beschäftigen uns mit der dunklen Seite der Romantik", erzählt sie, während eine Schülerin sie kurz zur Seite zieht und aufgeregt erzählt, „da vorne gibt es Handschriften von Novalis!". Anfangs erkunden sie die Räume noch in erster Linie mit dem Smartphone. Eine Gruppe posiert um eine Goethe-Büste: „Lasst mal n' Selfie mit dem Johann machen!" Doch schon in den beiden weiteren Etagen spinnt die Romantik ihre Fäden bis ins Heute und zieht die Jugendlichen in ihren Bann. Zwischen Spiegelsäulen, auf denen Zitate von Eichendorff stehen, und Videofenstern ins Grüne kann man Schubladen öffnen, in denen sich Schriftstücke verbergen, Postkarten mit Schlüsselfiguren mitnehmen, hören, fühlen, verstehen.
Vieles haben sie in der Schule schon gelernt und verknüpfen es mit den Exponaten. „Wir haben viel über Sehnsucht gesprochen", erzählt die 17-jährige Nisa, „dort hängt ein typisches Bild, wo zwei Menschen in die Ferne blicken. Das ist Sehnsucht und da ist ganz viel Atmosphäre." Sie meint das Bild „Erinnerungen an Rom" von Carl Gustav Carus, auf dem Raffael und Michelangelo in der Dämmerung auf den Petersdom schauen.
Man kann sich auch in kleine Räume zurückziehen, sich in weiche Polster hineinsinken lassen, während aus Lautsprechern Regentropfen zu hören sind und hinter milchigen Gardinen auf Bildschirmen regennasse Fenster simuliert werden. Die Stimmung, in der Schauergeschichten wie Mary Shellys „Frankenstein" und Polidoris „The Vampyre" entstanden. Die 17-jährige Lena sitzt vor einem Bildschirm und versucht, das Gedicht „To Nature" von Samuel Taylor Coleridge zu übersetzen. „Das Schwierigste ist, die romantischen Bilder zu fassen", sagt sie. Auf die Frage, was ihr bis jetzt am besten gefallen habe, hat sie noch keine genaue Antwort: „Das ganze Museum ist unfassbar anschaulich und atmosphärisch." Am Ende können sie ihre Eindrücke auf Kärtchen festhalten. Lena schreibt: „Die Welt sollte mehr romantisiert werden. Sonst zieht das Leben an einem vorbei und somit auch die kleinen Dinge." (Eileen Kelpe)