Tiere sind mir wichtig. Das war schon immer so. Zu Hause habe ich einen Hund und zwei Kaninchen. Und nun auch noch einen Ochsen.
Unsere Beziehung fing vor drei Jahren an, einen Tag nach seiner Geburt. Ich hatte auf dem Bauernhof meiner Großtante mitgeholfen, als sie sagte, ich könne mich um das Kälbchen kümmern. Das Kälbchen war Oskar. Jeden Abend nach der Schule bin ich zum Hof gelaufen, habe die Flasche mit Milch von Oskars Mutter aufgefüllt und Oskar damit gefüttert. Das war eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens.
Relativ schnell war klar, dass er verkauft, gemästet und geschlachtet werden soll. Wenn du ein Kälbchen mit der Flasche großziehst, kannst du das nicht zulassen. Deswegen habe ich ihn für 300 Euro von meinem Konfirmandengeld selbst gekauft. Da hatte ich also einen Ochsen - aber noch keinen Platz für ihn. Mit dem Paulinenhof, nur fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt, hatte ich Glück. Es ist eine Einrichtung für Behinderte, die eine eigene Kuhherde hat und sich ganz lieb um Oskar kümmert. Zu Anfang hatte es Oskar in der neuen Herde nicht leicht. Er wurde oft von den älteren Kühen herumgeschubst und erzogen, aber bald lebte er sich gut ein.
Einmal in der Woche besuche ich ihn. Dann gehe ich mit ihm raus, füttere ihn mit Äpfeln, und alle paar Monate wasche und bürste ich ihn, weil er immer so schmutzig ist. Oskar gehört zur Familie. Wenn er mich sieht, kommt er von der Weide angerannt und muht ganz laut. Ich habe ihm ein Pferdehalfter gekauft, mit dem wir einmal in der Woche spazieren gehen. Aber unsere Interessen gehen oft sehr auseinander. Ich will am liebsten mit ihm laufen und über Hürden springen. Aber Oskar will lieber auf der Wiese herumstehen und fressen. Manchmal hat er einen schlechten Tag, dann ist er unfassbar störrisch. Manche Leute finden es verrückt, wenn ich mit ihm durchs Dorf spaziere. Aber ich finde es toll. Einen Ochsen vor dem Schlachthof gerettet zu haben hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Es hat mich Durchhaltevermögen gekostet. Ich würde es jederzeit wieder machen.
Protokoll: Dunja Smaoui
Claudia Otto, 45, lebt mit ihrem Mann und Hund Bradley in Siegen. Vor zehn Jahren wurde der Mischling auf Puerto Rico aus einer Müllhalde gefischt. Heute geht er mit Otto als Helferhund ins Hospiz.
Als ich ihn vor vier Jahren das erste Mal gesehen habe, war ich fasziniert von der Ruhe, die er ausstrahlte. Ich konnte es nicht glauben, bei einem Hund, der so viel erlebt hat. Zwei Freunde von mir hatten Bradley an einem Strand auf Puerto Rico auf einer Müllkippe gefunden. Er war beschnitten, abgemagert und völlig verwahrlost. Man hatte ihn mit einer Machete verletzt und versucht, ihn anzuzünden. Hätten meine Freunde Bradley nicht mitgenommen, er hätte die Nacht nicht überlebt.
Sie haben ihn aufgepäppelt und zum Servicehund ausgebildet. Als sie dann vor vier Jahren vor meiner Tür standen und ihn in meine Obhut übergeben wollten, war ich unsicher, ob ich mir das zutraue. Als Kind habe ich manchmal den Dackel der Nachbarin ausgeführt. Einige Jahre habe ich alte Hunde bei mir zu Hause als letzte Pflegestation aufgenommen. Aber mit solch großen und dazu noch verstörten Hunden wie Bradley hatte ich vorher nichts zu tun. Er ist ein Labrador-Rottweiler-Mischling. Und das tollste Tier, das ich je kennengelernt habe.
In Bradley sehe ich mehr eine Aufgabe als nur ein Haustier. Er musste vieles erst lernen: Vertrauen aufzubauen, keine Angst vor Berührungen zu haben, an der Leine spazieren zu gehen. Vor der Arbeitskleidung meines Mannes hatte er Angst. Aber mit der Zeit legte sich alles.
Nach einer Weile nahm ich ihn mit in eine soziale Einrichtung für behinderte Kinder. Dann ins Altenheim. Dann ins Hospiz. Er strahlt eine Ruhe aus und macht die Menschen glücklich. Bradley öffnet die Menschen in seinem Umfeld, im Hospiz freuen sie sich auf ihn und fangen an, über Dinge zu sprechen, die lange Zeit verschüttet waren. Es ist, als hätte er einen sechsten Sinn. Das schönste Erlebnis hatten wir mit einem Mann, der an Parkinson litt. Immer wenn er Bradley streichelte, hörte sein Zittern auf.
Mein Hund war lange Zeit Opfer. Jetzt ist er zu einem Seelentröster geworden.
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