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Kleines Land ganz groß

Das Museum of Islamic Art in der katarischen Hauptstadt Doha. (Foto: imago)

Am Golf ist ein bizarrer Wettstreit um Rekorde entbrannt. Katar und seine Nachbarn lechzen auch in der Kunst nach Anerkennung.

Am arabischen Golf begrüßt man das neue Jahr am liebsten mit einem neuen Weltrekord. Von 2013 auf 2014 erhellten 479 651 Raketen in nur sechs Minuten den Nachthimmel von Dubai und überboten damit den Weltrekord des Nachbarn Kuwait, der 2011 innerhalb einer Stunde 77 000 Raketen in den Himmel schoss. Von 2014 auf 2015 weihten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die größte Videoleinwand an der Fassade des höchsten Gebäudes der Welt, Burj Khalifa, in Dubai ein. Und das, obwohl der Jahreswechsel nach christlichem Kalender im arabischen Raum ansonsten keine große Rolle spielt. Doch alle, Katar, Dubai, Kuwait und die VAE, wollen einen Imagewechsel, sie wollen ihren Platz in der globalisierten Welt. Und das alles möglichst schnell. Nicht einfach für diese Staaten, die durchweg autokratisch regiert werden. Genügend Kapital um sich diesen Wandel zu kaufen, haben sie.

Doch Baukräne alleine scheinen nicht auszureichen. Das merkt derzeit vor allem das Emirat Katar. Das Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen steht mal wieder in der Kritik. Das Gastgeberland der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 war bereits in der Vergangenheit wegen der schlechten Arbeitsbedingungen beim Stadionbau in Bedrängnis geraten - seit Anfang Juni ist das Land mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten haben ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen und eine Blockade gegen das Land verhängt. Die Staaten werfen dem reichen Wüstenemirat unter anderem vor, Terrorismus zu unterstützten und Beziehungen zum schiitischen Iran zu pflegen. Auch der katarische TV-Sender Al Jazeera gerät in die Kritik.

Für Katar ein weiterer Rückschlag auf dem Weg zu seiner "nationalen Vision 2030". Auf knapp vierzig Seiten ist der Fahrplan für die nächsten Jahre zusammengefasst, bereitgestellt von der katarischen Entwicklungsplanung. Die nationale Vision wird darin als "Leuchtturm" bezeichnet, der den Weg weisen soll, in eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Modernisierung. Projekte für 200 Milliarden Dollar sollen dem Emirat eine alternative Einnahmequelle zum Erdöl sichern.

Man wetteifert am Golf sogar um die meisten und größten Museen

Doch es geht Katars Emir, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, nicht nur um die wirtschaftliche Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sondern auch um globale Anerkennung. Das Land soll nicht nur im Sport, sondern auch in Kunst, Kultur, Diplomatie und Tourismus glänzen. Und der Hang zu Superlativen reißt auch in diesen Bereichen nicht ab, ein regelrechter Kunstwettstreit läuft seit einigen Jahren am Golf. Abu Dhabis Museen wie die dortigen Ableger des Louvre oder des Guggenheim waren Katar lange ein Dorn im Auge. In den vergangenen Jahren eröffneten in Doha neun Museen - von islamischer bis hin zu zeitgenössischer Kunst. Doch das reicht dem Emir offenbar nicht: Das weltgrößte Museum soll nun in Doha gebaut werden, "The Art Mill", die Kunstmühle, soll Abu Dhabi als Kunststadt den Rang ablaufen. Mittlerweile gehört es am Golf zum guten Ton, eine "Vision" zu haben. Kuwait gibt sich bis 2035 Zeit für das "New Kuwait", Saudi-Arabien nennt es "Vision 2030", genauso wie Bahrain. Dahinter stecken ähnliche Ambitionen wie bei Katar. Wichtig sei es, so sagen die Herrscher immer wieder, Tradition und Moderne in Balance zu halten.

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