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Libanon - Neues Kabinett in Beirut

Der sunnitische Politiker und Unternehmer Saad al-Hariri gilt als Vertrauter Saudi-Arabiens und Kritiker des syrischen Assad-Regimes. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Nach zwei Jahren politischen Stillstands gibt es im multikonfessionellen Libanon wieder eine funktionsfähige Regierung. Der sunnitische Chef der Zukunftspartei, Saad al-Hariri, wird Regierungschef einer breiten Koalition, in der auch die schiitische Hisbollah-Miliz vertreten ist. Hariri sagte am Sonntag, die wichtigste Aufgabe seiner Regierung sei es, angesichts der "tobenden Brände in unserer Region" für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Der Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien hat weitreichende Folgen für Libanon: Kein Land hat in Relation zur eigenen Bevölkerung mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen. Zu den etwa viereinhalb Millionen Einwohnern kamen in fünf Jahren Bürgerkrieg eine Million Flüchtlinge aus Syrien. Um darauf zu reagieren, wurden im 30-köpfigen Kabinett eigens Posten für Flüchtlingsfragen geschaffen, außerdem erstmals welche für Frauen- und Menschenrechte sowie für den Kampf gegen die im Lande grassierende Korruption.

Der 46-jährige Politiker und Unternehmer Hariri war bereits zwischen 2009 und 2011 Premier. Die Koalition zerbrach allerdings, als die Hisbollah und verbündete Parteien ihre Minister aus der Regierung abzogen. Im Vielvölkerstaat Libanon werden die wichtigsten Ämter entlang konfessioneller Linien vergeben. Es gibt 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, die größten Gruppen sind Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen. Die libanesische Verfassung schreibt vor, dass der Staatspräsident ein maronitischer Christ zu sein hat, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Vor sechs Wochen wurde Michel Aoun als christlicher Präsident des Landes gewählt.

Neben der festgelegten Postenverteilung erschwerten konfessionelle Machtspiele die Regierungsbildung. Lange Zeit hat sich Hariri geweigert, Aoun als Staatspräsidenten zu unterstützen. Der 81-jährige maronitische Christ war der bevorzugte Kandidat der schiitischen Hisbollah. Hariri hatte gemeinsam mit Saudi-Arabien einen anderen Bewerber unterstützt, Suleiman Frangieh. Am Ende setzte sich die Hisbollah durch, in Iran und in Syrien wurde die Wahl Aouns als Sieg gefeiert.


Leicht dürfte Hariri es nicht fallen, mit der Hisbollah zu regieren: Sie soll seinen Vater ermordet haben


Leicht dürfte Hariri auch diesmal die Zusammenarbeit mit dem politischen Gegner nicht fallen. Der einflussreiche Sunnit ist scharfer Gegner der Hisbollah.

Sein Vater, Rafiq al-Hariri, war ebenfalls libanesischer Ministerpräsident und kam im Februar 2005 bei einem Sprengstoffattentat ums Leben. Vor einem internationalen Tribunal in den Niederlanden wurden fünf Hisbollah-Mitglieder des Mordes angeklagt, Urteile sind bis heute keine ergangen. Ob die beiden Verbündeten der Hisbollah - Syrien und Iran - an der Verschwörung beteiligt waren, ist unklar. Im Beiruter Kabinett werden seit jeher Stellvertreterkriege ausgefochten. Besonders der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien spaltet das kleine Land weiter: Die schiitische Hisbollah kämpft derzeit im Nachbarland Syrien aufseiten Irans und des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die Sunniten neigen zu den von Saudi-Arabien unterstützten Rebellen. Saad al-Hariri gilt als Freund des Königshauses in Riad und besitzt neben der libanesischen auch die saudische Staatsbürgerschaft.

Anfang Dezember besuchte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Libanon und riet zu einer schnellen Regierungsbildung, damit "die libanesischen Institutionen rasch wieder arbeitsfähig werden". Er zielte dabei eher auf die politische Ebene, die Bürger des Landes dürften sich auch freuen, wenn das neue Kabinett Hariri sich zunächst vor allem der Grundversorgung zuwendet: Öffentliche Dienstleistungen wie etwa Müllabfuhr und Stromversorgung funktionierten zuletzt immer schlechter.


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