Betrogen? Deutschlands berühmteste Paarberater wissen, was zu tun ist
SPIEGEL ONLINE: Herr und Frau Zurhorst, Sie sagen, eine glückliche Partnerschaft gründe auf Selbstliebe und Selbstannahme. Was bedeutet das?
Eva-Maria Zurhorst: In Sachen Liebe rennen wir alle immer noch herum, als wäre die Erde eine Scheibe. Wir glauben nämlich, die Liebe komme von außen. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Liebe ist aber eine Anziehungskraft. Sie kommt von innen, aus der Selbstliebe. Wenn ich in mir Liebe fühle, dann bin ich attraktiv und ziehe Liebe in mein Leben.
SPIEGEL ONLINE: Eine Art Resonanzphänomen also. Doch zu Ihnen kommen vermutlich auch total zerstrittene Leute. Da braucht es etwas mehr, oder?
Wolfram Zurhorst: Ja. Allerdings sind die allermeisten Paare eher ausgelaugt und völlig festgefahren als in aktivem Kampfmodus. Gekämpft wird meist am Anfang. Mit den Jahren wird's eher resigniert. Da gibt es Sprachlosigkeit, Affären und Dreiecksgeschichten. Und oft völlige Überlastung im Alltag. Oft kommen Paare, wo sich jeder von beiden meilenweit von sich selbst entfernt hat und beide in der Partnerschaft nur noch zusammen funktionieren. Beide befinden sich in einer Erwartungshaltung, was der andere doch bitte für die Beziehung zu leisten habe, damit es gut läuft. Aber auch hier ändert Selbstliebe alles. Es ist wichtig, dass der Fokus weg vom anderen zu sich selbst und weg von der Beziehung hin ins eigene Leben gelegt wird. Die Selbstliebe ist der große Perspektivwechsel; nicht mehr der andere soll mein inneres Loch auffüllen oder meinen Schmerz wegmachen, sondern ich gehe in die Eigenverantwortung. Ich trage nicht mehr dem anderen an, dass er mich glücklich machen soll.
SPIEGEL ONLINE: Dann kommt vermutlich erst mal Ruhe auf?
Wolfram Zurhorst: Na ja. Oft kommt erst mal ein Loch. Unbequem, aber heilsam. Ich muss gucken, wo ich meinen Weg verloren habe, wo ich meinen Weg nicht mehr gegangen bin, wo ich von Gewohntem loslassen, wieder etwas wagen muss. Dann kommt Entwicklung in die Paarbeziehung.
Eva-Maria Zurhorst: Gestern habe ich mit einer Gruppe von Frauen gearbeitet, in der gleich mehrere von ihren Männern betrogen wurden. Eine berichtete von ihrem Wechselbad aus Trauer, Hass, Angst. Immer wieder. Ich habe sie irgendwann gefragt: Aber wo haben Sie sich selbst in dieser Ehe betrogen? Ich bin quasi der Cowboy mit dem Lasso, der seine Rinder immer wieder zurückholt. Am Anfang wollen alle nicht in Kontakt mit sich selbst gehen. Ich muss sie förmlich überreden, die Energie mal vom Partner abzuziehen und ihr eigenes Leben zu gestalten.
SPIEGEL ONLINE: Was hilft in so einer akuten Krise?
Eva-Maria Zurhorst: Wir Menschen sind wie Pflanzen. Wenn ich die richtige Erde, genug Sonne und Wasser habe, blühe ich. Viele leben aber in der Partnerschaft wie eine Orchidee, die sie selbst in den Schatten gestellt haben. Dann sind sie noch sauer auf sich oder ihren Mann, wenn sie nicht blühen. Unsere Aufgabe ist, den Platz im Leben zu finden, an dem wir blühen.
SPIEGEL ONLINE: Und das ist nicht die Aufgabe des Partners?
Wolfram Zurhost: Nein. Leider nicht. Das ist das Missverständnis von Liebe.
Eva-Maria Zurhorst: Zu meinen Frauen in den Gruppen sage ich oft: Vergessen Sie erst mal Ihre Männer und seien Sie ehrlich zu sich. Sie dürfen Ihren Mann und den Sex mit ihm ruhig erst mal komplett bescheuert finden. Dann können wir rausfinden, was Sie wirklich wollen, wie Ihr Leben wieder ein Abenteuer wird und Ihnen Spaß macht.
SPIEGEL ONLINE: Also, die Frauen werden erst mal wieder auf sich zurückgeworfen?
Eva-Maria Zurhorst: Ja, wir nennen das Partnerdiät. Wenn es in der Liebeskrise darum geht, Trennung oder geht noch was? Wenn beide festgefahren sind, dann braucht es oft eine Trennung in der Beziehung. Die Partner müssen lernen, komplett voneinander loszulassen, auch wenn sie noch unter einem Dach leben. Oft ist dieser Schritt besser als eine endgültige Trennung, weil sonst mit dem nächsten Partner das gleiche Spiel beginnt, so als würde ich nur den Tennisplatz wechseln, wenn mein Spiel nicht klappt. Der Entzug betrifft auch die Körperlichkeit, kein Sex, kein Tisch und kein Bett.
SPIEGEL ONLINE: Und dadurch ändert sich die festgefahrene Situation?
Eva-Maria Zurhorst: Ja, allerdings geht es in dieser Zeit nicht um Ablenkungen, um Freunde treffen, mehr arbeiten oder so etwas, sondern darum, aus den Verwicklungen rauszukommen. Meditation hilft in dieser Phase sehr.
Wolfram Zurhorst: Für viele ist das am Anfang furchtbar und einsam. Viele Männer fühlen einen großen Schmerz. Ich sage dann oft: So hat sich Ihre Frau die ganzen Jahre mit Ihnen gefühlt. Ich rate Ihnen dann auch zu Meditation.
SPIEGEL ONLINE: Warum ist Meditation bei Paarkrisen ein Wundermittel?
Eva-Maria Zurhorst: Sie hilft, wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen, mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Ich komme wieder bei mir an.
Wolfram Zurhorst: Sie macht klarer und souverän, das sage ich auch den oft skeptischen Männern.
SPIEGEL ONLINE: Sie verstehen Liebe als Ort gemeinsamen Wachstums, doch zwei Partner können sich auch komplett blockieren. Kann Selbstliebe jede Liebe retten?
Eva-Maria Zurhorst: Wenn ich meinen Klienten Selbstliebe beibringe, müssen die meisten einen Schritt von ihrer Beziehung zurücktreten. Es geht nicht darum, die alte Beziehung zu retten, die ist tot. Die neue, die sie brauchen, soll zu ihnen kommen. Das kann entweder eine gewandelte Beziehung mit dem alten Partner sein oder aber eine Beziehung mit einem Menschen, der besser passt. Am Anfang steht Selbstliebe und der Weg zu sich, der Rest passiert organisch, der Partner entwickelt sich mit oder nicht. Wenn der Partner seinen Schmerz fühlt, dann macht er auch eine Entwicklung, wenn er ihn annimmt.
SPIEGEL ONLINE: Wann leuchten bei Ihnen die Warnlampen auf? Welche Paare sollten sich trennen?
Eva-Maria Zurhorst: Wenn es Sucht und Gewalt gibt ohne Entwicklung. Und wenn es emotionale Abhängigkeit gibt; wenn eine Beziehung wie eine Droge ist. Drogen führen in Sucht, aber nicht in Liebe und Leben. Es gibt ganz viel Sucht in Beziehungen. Zu einer klammernden Frau - leider sind es immer noch häufig Frauen, die sich in Beziehungen verlieren- gehört ein Mann, der komplett von sich entfernt ist. Und zu einem Mann, der suchthaft Anerkennung braucht und fremdgeht, gehört eine Frau, die ihre eigenen Bedürfnisse verleugnet und sich selbst aufgibt.
Wolfram Zurhorst: Ein Mann war zum Beispiel 22 Jahre verheiratet, und seit 20 Jahren betrog er seine Frau. Er konnte das richtig beschreiben: Wenn er Stress hatte, ging er in eine Bar und lernte eine kennen - seine Anerkennungsdroge. Dieser Mann ist genauso gefangen wie die Frau, die an ihm klebt. Solche Frauen erdulden immer wieder, sie sind selbstzerstörerisch und werden irgendwann körperlich krank. Häufig werden sie spirituell und sind überrascht, wenn ich sage: Schießen Sie den Kerl in den Wind!
SPIEGEL ONLINE: Die Selbstliebe verfeinert also die Wahrnehmung, was für mich gut ist? Wo ich nein sagen soll?
Eva-Maria Zurhorst: Selbstliebe soll nicht dazu führen, allen Mist auszuhalten. Es geht nicht darum, zu erdulden. Viele Frauen lesen meine Bücher und glauben, wenn sie nur genug meditieren und an sich arbeiten, würde alles gut. Völlig falsch: Sie sollen aufstehen, nicht durchhalten. Sie sollen sagen: Das brauche ich für die Liebe, da erblühe ich. Dann bekommen Männer auch tiefere Einsichten. Und Sex wird wieder Soul-Sex, Begegnung zweier Seelen.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie eigentlich eine Vision, ein Anliegen?
Wolfram Zurhorst: Ein Paar, das wirklich liebt, verändert nicht nur sich, sondern alles um sich herum: Den Job, seinen Umgang mit dem Leben, und vor allem ist dieses Paar ein lebendiges Beispiel für seine Kinder. Denen helfen wir nicht, wenn wir tote Harmonie vorspielen.
Eva-Maria Zurhorst: Unsere Kinder brauchen uns als Vorbilder. Sie schauen die Liebe ab und nehmen sie auf - genauso wie Pflanzen die Sonne. Mehr Liebe in die Welt zu bringen, ist eine sehr, sehr große Sache. Vor allem in unserer Zeit. Wir brauchen mehr liebesfähige Menschen.