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Die Stadt der Zukunft

Der Belgier Luc Schuiten entwirft Architektur-Visionen.

Brüssel.

Nur ein paar Meter entfernt vom EU-Parlament in Brüssel ist eine Ausstellung zu sehen, die alle grünen Abgeordneten begeistern müsste: Vegetal City, die Vision von einer grünen Stadt der Zukunft.

Eigentlich sind es mehrere Städte, die Luc Schuiten mit seinen Zeichnungen, Skizzen, Modellen und Holzbauten präsentiert. Der belgische Architekt hat eine blühende Fantasie und die kreist schon lange um die grüne Stadt von übermorgen: Die Besucher finden Häuser, die anstelle von verputzten Wänden ein Gewebe wie ein Kokon oder Spinnennetz haben, das Solarenergie für den Haushalt speichert.

Oder „Ornithoplanes", CO2- und kerosinfreie Kurzstreckenflieger, leichter als Luft. Oder gigantische Lotusstädte, die ihre Energie vor allem aus Methangas speisen.

Der Ausgangspunkt ist immer gleich, immer idealistisch: Die Menschen sollen nicht länger die Natur ausbeuten und die Umwelt verschmutzen, deswegen müssen die Energie fressenden Städte und ihr Verkehr neu organisiert werden.

Der Besucher ist hin- und hergerissen: Einerseits findet er realistische Skizzen von Stadtvierteln und Fakten aus der Biologie, dann wieder fantastische Sachen, die es vielleicht niemals geben kann.

Ein Pionier des

Städtebaus

Mit seinen wirren grauweißen Haaren, seiner manchmal schelmischen Art und seinen poetischen Collagenwelten erinnert Schuiten ein wenig an den deutschen Künstler Max Ernst. Er ist allerdings in Deutschland nicht so bekannt, obwohl er schon an Unis in Wuppertal, Aachen und Weimar lehrte und für die Expo 2000 in Hannover die Ausstellung „Planet of visions" gestaltete. Und während Max Ernst sich bewusst immer wieder neu erfunden hat, hat Schuiten seinen Standpunkt gefunden, nachdem er die Hippiebewegung und die Ölkrise Anfang der 70er erlebt hatte. Er sagt aber auch: „Ich will mich nicht für eins entscheiden: Architekt, Künstler, politischer Aktivist, Utopist - das bin ich alles."

Dementsprechend sind Atelier und Wohnung im gleichen Haus. Auf dem Dach Solarzellen. Drinnen viel Holz, aber auch moderne Computer. In der Garage stehen Elektrofahrräder und ein sogenannter Twike, eine 200 Kilogramm leichte Mischung aus Elektrorad, rollendem Heimtrainer und Seifenkiste. Schuiten fährt damit tatsächlich über Brüssels Straßen und Autobahnringe, maximal 85 Stundenkilometer schnell und neuerdings, um seine erste große Ausstellung in seiner Heimatstadt zu bewerben.

Der 65-Jährige ist durchaus begeistert, dass er es in das Jubelparkmuseum geschafft hat - mehr als 30 Jahre, nachdem er sein auf Sonnen- und Windenergie basierendes Oréjona-Haus in den belgischen Wald gebaut hat. Da warteten die Grünen in Deutschland noch auf den ersten Sitz im Landtag.

2010 soll der erste Eingriff in das Brüsseler Stadtbild folgen. Bis es soweit ist, nur soviel: An einem medizinischen Gebäude sollen Sonnenenergie-Pumpen einen 20 Meter hohen Wasserfall antreiben; dabei kommt Material zum Einsatz, das gemeinhin als Abfall gilt.

Ausstellung bis zum 30. August: Musées royaux d'Art et d'Histoire, Parc du Cinquantenaire 10, 1000 Brüssel. Dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, montags geschlossen.

Eintritt: 7 bis 8 Euro.

Internet: http://vegetalcity.net

Dirk Nordhoff

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