Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Warum ist Wasserstoff noch nicht richtig im Fluss?

Hohe Reichweite, schnelles Auftanken und keine Emissionen bei der Herstellung von Wasserstoff: An sich spricht alles für die Brennstoffzelle. Woran hakt es?

Sonnenlicht erzeugt Wasserstoff

Auf den ersten Blick erinnert der hohe Turm in der Mitte an einen Wachturm. Aber wir sind hier nicht etwa auf einem Militärgelände, sondern in einer Forschungsanlage. Und rings um das hohe Metallgerüst stehen auch keine Baracken, sondern Spiegel. Sie alle sind auf dieses eine Gerüst ausgerichtet - und zwar genau auf einen bestimmten Punkt daran. Wie in einem Brennglas bündeln sie die Sonnenstrahlen auf diesen Punkt.

Willkommen im Hydrosol Plant Almeria im Süden Spaniens. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreibt die Anlage zusammen mit griechischen, niederländischen und spanischen Partnern. Seit Ende November 2017 wird hier Wasserstoff erzeugt - und zwar direkt mit Hilfe der von den Spiegeln gebündelten Sonnenenergie. Bei 1400 Grad Celsius im Reaktor werden Sauerstoffmoleküle freigesetzt. Im zweiten Schritt passiert zwischen 800 und 1000 Grad die eigentliche Wasserspaltung. Aus H2O wird Sauerstoff (O) und gasförmiger Wasserstoff (H2).

Welche Rolle Sauerstoff dabei spielt

Mit dieser Anlage wollen die Forscher beweisen, dass Wasserstoff die Energiequelle der Zukunft ist, unter anderem für den Betrieb von Elektroautos mit Brennstoffzelle. Aber: Pro Woche entstehen im Testbetrieb bisher erst rund drei Kilogramm Wasserstoff - das reicht nicht mal für eine komplette Tankfüllung eines modernen Brennstoffzellenautos. Bis zu einer industriellen Produktion mit Sonnenlicht dürften noch zehn Jahre vergehen. Und da stellt sich die generelle Frage: Warum ist Wasserstoff noch nicht richtig im Fluss?

Gerade im Verkehrssektor können Wasserstoffantriebe erheblich zum Klimaschutz beitragen.

In großtechnischen Anlagen wird bislang die Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff eingesetzt. Elektrischer Strom spaltet Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. In der Brennstoffzelle im Auto läuft diese atomare Reaktion rückwärts ab. Wasserstoff kommt mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft in Verbindung. Jetzt wird die im Wasserstoff gespeicherte Energie in Elektrizität umgewandelt, die den Elektromotor antreibt. Eine Lithium-Ionen-Batterie speichert Bremsenergie (Rekuperation) und unterstützt damit den Motor in Beschleunigungsphasen. Aus dem Auspuff entweicht lediglich Wasserdampf. „Gerade im Verkehrssektor können Wasserstoffantriebe erheblich zum Klimaschutz beitragen", sagt Prof. Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr.

Theoretisch spricht vieles für Wasserstoff

Neben Umweltaspekten spricht auch der Zeitaufwand beim Tanken für die Brennstoffzelle. Anders als bei batterieelektrischen Fahrzeugen dauert das Befüllen des Tanks nur wenige Minuten. Die Behälter sind auf Reichweiten bis zu 500 Kilometer ausgelegt. Es stimmt einfach alles, doch bislang ist das Angebot an Brennstoffzellenautos gering. Somit spricht die Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamt eine eindeutige Sprache: Zum Jahresbeginn 2017 waren etwas mehr als 300 Brennstoffzellen-Autos in Deutschland zugelassen. Bei Elektroautos sind es 34.000 Zulassungen.

Autohersteller, Gasproduzenten und Kraftstofflieferanten schließen sich zusammen.

Dabei hat Wasserstoff einflussreiche Fürsprecher: Zuletzt schlossen sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos 18 Unternehmen zur Hydrogen Council zusammen. Dazu gehören unter anderem Autohersteller wie Audi, BMW und Daimler, Gasproduzenten wie Air Liquide und Linde sowie Kraftstofflieferanten wie Shell, Statoil und Total. Bereits seit 2002 fördern 13 Industrieunternehmen in der Clean Energy Partnership (CEP) unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums den Einsatz von Wasserstoff. Fehlende Brennstoffzellen-Fahrzeuge mögen die eine Seite der Medaille sein, fehlende Tankstellen sind die andere. Doch diese Herausforderung geht seit 2015 das Joint-Venture H2 Mobility an. Die Zahl soll von rund 30 auf 100 Wasserstoff-Tankstellen bis Ende 2018 steigen. Fünf Jahre später sollen es bundesweit 300 Tankstellen sein, so der Plan von Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total.

Platin in der Brennstoffzelle

Die aktuelle Generation der Brennstoffzelle nutzt Platin in der Katalysatorenschicht. Das Edelmetall regt die chemische Reaktion an. Platin ist teuer, darum forscht man an Alternativen. Hinzu kommt der Energieaufwand bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse. Während von 100 Kilowattstunden Strom rund 70 Prozent in einem batterieelektrischen Auto genutzt werden können, sind es im Brennstoffzellen-Auto, je nach Untersuchung, lediglich 20 bis 25 Prozent. Der gasförmige Wasserstoff wird für den Transport entweder unter Druck gesetzt (200 bis 700 bar) oder verflüssigt. Flüssiger Wasserstoff hat 99,9 Prozent weniger Volumen als das Gas. Entscheidender Nachteil: Flüssig wird Wasserstoff erst bei minus 253 Grad Celsius. Die Tiefkühlung benötigt viel Energie, deutlich mehr als die Kompression. Solang es keine Pipelines zu den Tankstellen gibt, erfolgt der Transport von den Produktionsstätten mit klassischen Diesel-Lkw.

Den Nachteil in der Energiebilanz könnten Wasserstoff-Hersteller durch den Einsatz von Strom aus regenerativen Quellen ausgleichen. Statt überschüssigen Wind- und Sonnenstrom ans Ausland abzugeben, könnte damit Wasserstoff produziert werden. Das Gas lässt sich in Tanks als auch im Erdgasnetz für die spätere Nutzung speichern. Die Technik ist als Power-to-Gas bekannt.

Fazit: Es gibt derzeit noch viele Hürden für die Nutzung von Wasserstoff im Auto, die sich jedoch langfristig alle lösen lassen. Es wird aber vermutlich noch viele Jahre dauern, bis aus dem Auspuff lediglich Wasserdampf entweicht.

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