Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Artikel

Die Drohne wird erwachsen

Klar zum Testflug: Der Volocopter ist eine deutsche Erfindung

Eine Zukunftsvision wird Wirklichkeit: Drohnen werden schon bald Passagiere befördern können. Zum wichtigsten Testgebiet wird dabei Dubai.


Die Fahrstuhltür zur Landefläche auf dem Dach öffnet sich, die Rotoren der Drohne drehen sich bereits - sie ist zum Einsteigen bereit. Eine Szene, wie sie früher in Zeitschriften und Büchern als Zukunftsvision beschrieben wurde, wird jetzt Wirklichkeit: Autonome Flugkabinen, die jedermann schnell und unkompliziert von A nach B bringen - und das ohne eigenen Pilotenschein. Mit Batterie und Elektroantrieb bringt sie den Passagier zum Ziel.

Das Passagier gibt sein Ziel ein, die Drohne erledigt den Rest.

Die Anbieter sehen die Flugobjekte als möglichen Ausweg aus dem Verkehrskollaps in Ballungsräumen: Die Drohnen benötigen wenig Platz für Starts und Landungen, ein Parkhausdach genügt. Sie sind leiser als Helikopter und fliegen emissionsfrei. Einige Konzepte verzichten sogar auf den Piloten und machen den Computer zum Captain. Der Passagier gibt sein Ziel in ein Tablet-PC ein, und die Drohne erledigt den Rest. Die Nachteile: Fliegen viele Drohnen über den Städten, wird man es deutlich hören. Außerdem ist der Luftraum nicht unendlich groß, staatliche Stellen müssen daher sowohl Luftstraßen als auch Landeplätze festlegen.

Von Quadrocopter bis VTOL

Ein einheitlicher Name für die Transport-Drohne hat sich bislang nicht etabliert. Die einen sprechen von Quadrocoptern, also Fluggeräten mit vier Rotoren. Anderen benennen die Kategorie nach der Flugbahn: VTOL - Vertical Take-off and Landing. Sie alle eint der Kompromiss zwischen Gewicht und Flugzeit. Je mehr Batterieleistung und Personen an Bord, desto kürzer die Flugzeit. Dabei bestehen die Cockpits bereits aus leichten Materialien wie Kohlenstofffasern und Aluminium.

Sicherheit ist ein wesentliches Thema bei den Herstellern. Redundante Systeme an Bord sorgen beim Ausfall einer Batterieeinheit dafür, dass immer noch ausreichend Energie für eine sichere Landung vorhanden ist. Sollten tatsächlich alle Rotoren still stehen, haben die Drohnen Fallschirme an Bord. Die deutschen Entwickler von Lilium nennen einen Teil ihres Sicherheitskonzeptes "Flight Envelope Protection". Der Computer verbietet Flugmanöver wie Rollen oder Loopings, die einen sicheren Flug gefährden könnten - ein ähnliches Konzept wie in den Passagierflugzeugen von Airbus.

Dubai als Testgebiet

Die Zukunft wird in Dubai getestet - hier will man nicht nur beim Hausbau hoch hinaus. Die Roads and Transport Authority (RTA) möchte bis zum Jahr 2030 ein Viertel aller Reisenden in autonomen Vehikeln durch die Vereinigten Arabischen Emirate transportieren - auf dem Boden und in der Luft. Zwei von drei fortgeschrittenen Drohnenprojekten sollen in Dubai starten. Wir stellen hier diese Projekte vor.

Per Smartphone zum Landeplatz: ehang 184

In der Animation des chinesischen Herstellers ehang fliegt die Drohne bereits über den Häuserschluchten von Dubai. Das Modell ehang 184 bezeichnet der Anbieter als Autonomous Aerial Vehicle (AAV). Der Passagier bestellt die Drohne per Smartphone App zum Ladeplatz. Nach der Landung besteigt er die Kabine, mitnehmen kann er maximal einen kleinen Koffer. Die gesamte Zuladung ist auf 100 Kilogramm begrenzt. Auf dem Touch-Display gibt der Fluggast sein Ziel ein. Der Rechner ermittelt die Flugbahn, die man als umgedrehtes U beschreiben kann: Die ehang 184 steigt mit ihren vier Doppel-Rotoren senkrecht auf, fliegt mit bis zu 60 km/h horizontal zum Ziel und landet senkrecht.

Daimler ist an Bord: Volocopter

Mit seinem ersten unbemannten Testflug hat Ende September 2017 der Volocopter 2X eine fünfjährige Testphase gestartet. Das deutsche Unternehmen aus Bruchsal will in Dubai sein autonom fliegendes Lufttaxi (Autonomous Air Taxi) etablieren. „Wir sehen Dubai als Vorreiter für einen riesigen entstehenden Markt", sagt Mitgründer Alexander Zosel. Beim jüngsten Modell VC200 haben zwei Passagiere in der Kabine Platz. Über deren Köpfen rotieren 18 Propeller, die den Volocopter bis zu 30 Minuten in der Luft halten. Das Bundesministerium für Wirtschaft fördert das Projekt und über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch kamen 1,2 Millionen Euro in die Kasse. Bei den Investoren der jüngsten Finanzierungsrunde über 25 Millionen Euro ist auch Daimler mit an Bord.

Mit 36 Jet-Turbinen: Lilium

Ebenfalls aus Deutschland kommt die Idee für Lilium. Im Wettbewerb um die Lufthoheit geht das Start-up aus Gilching bei München einen anderen Weg: Hier steuert ein Pilot das Flugobjekt. Außerdem setzen die Entwickler auf starre Flügel, in die kleine Rotoren samt Motoren verbaut sind. Insgesamt 36 Jet-Turbinen bringen Lilium zum Fliegen. Beim Start wird die Kraft über bewegliche Klappen in den vier Flügeln nach unten gelenkt. Auf Flughöhe drehen die Klappen in eine horizontale Position und sorgen für Vorwärtsschub. Für den notwendigen Auftrieb sorgen im Flugbetrieb die Flügel, genau wie bei einem normalen Flugzeug. Auch Lilium ist als Flug-Taxi konzipiert. Der Pilot bringt bis zu fünf Passagiere - in der finalen Ausbaustufe - bis zu 300 Kilometer weit. Nach einem erfolgreich Jungfernflug in Bayern ist der erste bemannte Flug für 2019 vorgesehen. Zu den Investoren des Start-ups zählt auch Frank Thelen. "Für mich repräsentiert Lilium den Pioniergeist, den Deutschland braucht, um weiterhin weltweit führend im Bereich Mobilität zu bleiben", sagt der Investor und Jurymitglied der TV-Show "Die Höhle der Löwen".

Nach 15 Minuten ist der Passagier am Flughafen

Aber zurück zum Drohnenflug vom Anfang: Sekunden nach dem Fingertipp auf das Ziel "Flughafen" auf dem Touchscreen hebt die Drohne ab. Sie steigt vom Dach des Jumeirah Lake Towers senkrecht nach oben und nimmt dann direkten Kurs auf den nordöstlich gelegenen Flughafen. Im Inneren hört man gedämpft das Surren der Rotoren. 15 Minuten später setzt die Drohne sanft auf dem Landeplatz am Rande des Flughafens auf. Der Testbetrieb in Dubai zeigt: Die Drohne ist wirklich erwachsen geworden.

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