Männer verhalten sich in Bezug auf Winterschuhe etwa so wie mit Winterreifen für ihr Auto: Sie kaufen erst, wenn es richtig kalt wird, wenn Schnee fällt oder wenn sie dreimal hintereinander morgens die Windschutzscheibe freikratzen mussten. Auch wenn es dann schon zu spät sein kann, um noch vernünftige Exemplare zu bekommen.
Vor allem bei Winterschuhen wird es heikel. Das hat vielleicht damit zu tun, dass bei Männern Stiefel grundsätzlich merkwürdig aussehen, es sei denn, sie wollen angeln, jagen oder Polo spielen. Zwar habe ich letztens einen Kerl in Jeans und kniehohen Stiefeln mitten in der Stadt gesehen, aber das war im schicken Düsseldorf - da haben die Menschen grundsätzlich ein eher seltsames Modeverständnis.
Ansonsten gestaltet sich die Suche nach dem richtigen Winterschuh sehr schwierig, gerade für Männer um die 40. Da ist man so langsam aus dem Alter raus, in denen die neuesten Sneakers immer gehen, aber auch noch nicht wirklich in dem Alter, in dem man ständig schicke, möglichst noch rahmengenähte Halbschuhe an den Füßen haben will - dafür hat man ja noch genug Zeit, wenn man über 50 ist.
"In meiner Verzweiflung pfiff ich auf jegliche Scham"
Leider zieht auch das Durchhalte-Motto "einfach normale Schuhe tragen und dicke Socken dazu" nicht, wenn es hart auf hart kommt. Ich erinnere mich an einen Winter vor ein paar Jahren, in dem Hamburg wochenlang unter einer Kälteglocke lag und viele Männer nach eben diesem Motto handelten. Und so schlitterten sie unbeholfen auf den vereisten Gehwegen entlang, immer hässliche Schneeränder an den schicken Schuhen, dazu schauten graue, dicke Socken oben heraus. Ich finde, es gibt wenig Tätigkeiten, die entwürdigender sind, als Schneeränder von Lederschuhen wieder wegzubekommen.
In meiner Verzweiflung pfiff ich für ein paar Tage auf jegliche Scham und lief mit halbhohen, aber gefütterten und mit Profilsohle versehenen Gummistiefeln durch die Stadt - immer darauf achtend, keinem der entgegenkommenden Personen direkt in die Augen zu schauen und deren Entsetzen ob meiner Schuhwahl zu sehen.
Wander-, Trekking- oder Bergschuhe mag mancher als seine Wahl ansehen, aber es hat schon seinen Grund, warum die Schuhe so heißen: Damit man sie beim Wandern, Trekking oder auf dem Berg anzieht - und nicht in der Stadt. Zumal es unter den Funktionsschuh-Designern einen Wettbewerb zu geben scheint, der denjenigen belohnt, der die meisten Neonfarben auf seinem Schuh platziert - und jeder will gewinnen.
"Ich habe meine Beine noch mal extra ausgestreckt"
Meinen idealen Winterschuh fand ich dann eher zufällig, als mir beim Schaufenstergucken ein Modell ins Auge fiel, bei dem ich nur dachte: So was gibt's? Chucks in der Winterversion: klassischer, zurückhaltender Look, schwarz, extra dicke und rutschfeste Sohle, innen gefüttert und zudem mit wasserabweisender Oberfläche. Vier Jahre lang, also viermal von Oktober bis April, hat mich dieser Schuh täglich begleitet, durch kalt und nass, auf Spaziergängen im Schneematsch, bei Restaurantbesuchen, Stadtbummeln, ach, fast überall. Und wenn ich irgendwo in der U-Bahn saß, habe ich meine Beine noch mal extra ausgestreckt, um zu zeigen: Seht her, Männer, ich hab ihn gefunden!
Aber trotz zahlreicher Besuche beim Schuster war er im vergangenen Frühjahr endgültig untragbar. Und wie das so ist mit schönen und guten Dingen: Sie haben ihre Zeit, das Modell gibt es leider nicht mehr. Und ich bin wieder auf der Suche. Aber glücklicherweise hat sich daraus irgendwie ein Trend entwickelt, und fast jede Turnschuhfirma bietet mittlerweile einige Modelle in der Winterversion an.
Converse war ja ursprünglich sogar ein Unternehmen, das Winterschuhwerk herstellte, aber selbst die Skaterfirma Vans mit Sitz im wahrlich selten kalten oder schneereichen Kalifornien bietet nun Varianten einiger Klassiker in der "Mountain Edition" an - gefüttert, mit wasserabweisenden Materialien und Profilsohle versehen. Und alles in klassischem Design und ohne einen Hauch von Neonfarben.
Manchmal kann für Männer ja doch alles so einfach sein.