Mit 40 ertappt man sich ja immer öfter dabei, in der Vergangenheit zu schwelgen. Ach, war das Leben mit Mitte 20 doch unbeschwert! Als man sich bestenfalls mal kurz um den Biernachschub für die WG-Küche sorgte. Als an ein Nachhausegehen vor zwei Uhr morgens nicht zu denken war, auch unter der Woche. Oder als man sich nach dem Sport richtig frisch fühlte und nicht wie Methusalix. Und dann ist da die Sache mit den Haaren.
Vor Kurzem fiel mir bei einem Umzug ein Bild von mir in die Hände, fünf oder sechs Jahre alt mag ich da gewesen sein. Adrettes Hemd mit Schmetterlingen, schicker Kragen, ernster Blick. Und die Frisur! Würde ich die heute noch tragen, müsste man das Revival des Britpop ausrufen, selbst in ihrer großen Zeit wären Damon Albarn, die Gallaghers oder Richard Ashcroft vor Neid erblasst.
Auch später durfte ich noch mal prächtiges Haar zeigen, was mir ein Foto aus der Abizeit vor Augen führte, das kürzlich bei Facebook auftauchte. Schnittiger Mittelscheitel, wallende Naturwelle, strahlendes Naturblond - "wie ein Rauschgoldengel", meinte eine Bekannte. Vom Rauschgoldengel hat die Zeit nicht mehr viel übriggelassen, und dennoch, selbst wenn es manchmal den gegenteiligen Anschein haben mag, die Frisur ist auch uns 40-jährigen Männern nicht völlig egal. Im Gegenteil.
"Die Männer in diesem Alter wissen heutzutage ganz genau, was sie wollen", sagt etwa Knut Jäkel, der einen meiner besten Freunde in Haarfragen berät, seinen eigenen Herrensalon in Wiehl betreibt und seit immerhin 40 Jahren im Geschäft ist. "Trotzdem sehen die meisten von Experimenten ab." Was vielleicht auch daran liegt, dass bei vielen einfach nicht mehr so viel übrig ist an Haaren. Wen der Haarausfall voll erwischt hat, der hat es im Prinzip allerdings sehr einfach: Was noch da ist, wird ultrakurz geschoren oder ganz wegrasiert - und gut ist. Das sind ja oft die Männer, die behaupten, eine Glatze sei Zeichen von Männlichkeit und mache sexy.
Oh Gott, die Glatze
Wer aber haartechnisch noch halbwegs bestückt ist, der gibt das, was da ist, nicht kampflos her. Das kenne ich von mir, bei dem sich die Ecken an der Stirn langsam ausweiten. Auch die "Pleete" auf dem Hinterkopf ist mir aufgefallen, aber dank meiner Größe kann ich das - zumindest im Stehen - noch ganz gut kaschieren. Man darf sich halt nicht hinsetzen, das dankt einem im Übrigen auch der 40-jährige Rücken.
Gegen die Ecken hilft vor allem eine geschickte Kämmtechnik, die ich im Laufe der Jahre perfektioniert habe. Wichtig dabei ist, die Haare nicht zu föhnen, nicht stark zu schwitzen noch die mühsam errichtete Frisur Gegenwind auszusetzen. Fahrradfahren ist also Gift für geschickt kämmende Geheimratseckenträger, da erntet man nur mitleidige Blicke, das Auto oder der ÖPNV sind also vorzuziehen.
Also: Was für eine Frisur passt jetzt für einen Kerl um die 40 mit halbwegs vorhandenem Haupthaar? Oder ist alles erlaubt, was einfällt? Ich denke, das ist eher nicht der Fall, denn auch viele andere Sachen, die mit Mitte 20 oder noch Anfang 30 durchgehen, wirken mit 40 eher peinlich berufsjugendlich, als wolle man längst vergangene Zeiten wieder aufleben lassen. Was leider wirklich peinlich ist, es sei denn, man ist Rockstar und will alte Platten promoten.
Für alle anderen gilt: Mit einer klassischen Kurzhaarfrisur kann man sich mit um die 40 überall sehen lassen. Das mag ein wenig öde klingen und die Variationsmöglichkeiten sind eher gering. Aber das ist bei stilvoller Kleidung in diesem Alter ja genauso: klassisches Hemd und klassischer Anzug sind die beste Wahl, und wenn das noch mit einer klassischen Kurzhaarfrisur kombiniert wird, ist man für fast alle Anlässe gerüstet.
Wie der Filialleiter der örtlichen Sparkasse
Die Tatsache, dass die Haare je nach Gesichtsform vielleicht nicht zu kurz sein sollten, erlaubt ja schon wieder Variation. Haare - nicht allzu kurz, nach vorn gekämmt und mit Scheitel versehen - verdecken geschickt haarlose Ecken, auch wenn die Frisur dann schnell zu wirken droht wie ein Mix aus CDU-Landtagsabgeordnetem und Filialleiter der örtlichen Sparkasse. Das muss man halt mit Charme und Selbstironie wettmachen.
Friseur Jäkel hat übrigens auch festgestellt, dass viele Männer in diesem Alter frisurentechnisch noch einmal "durchstarten wollen", etwa nach einer Trennung. "Dann wollen sie die Haare etwas länger tragen und mit mehr Volumen, um sich ein neues Image zu verschaffen", sagt er, "viele identifizieren sich auch in diesem Alter mit ihrer Frisur." George Clooney gelte da frisurentechnisch immer noch als Vorbild, auch wenn er der Altersgruppe ein wenig entwachsen ist.
Gibt es eigentlich auch No-Gos? Igelfrisuren? Bitte nicht, das überlassen wir Offizieren des US-Marinekorps. Gel, Schaumfestiger oder gar Pomade? Nur, wenn man eine Rolle neben Don Draper im "Mad Men"-Spin-off ergattern will. Und wer den fehlenden Kick auf dem Kopf mit extravaganten Koteletten oder Bartfrisuren wettmachen will, der sei gewarnt: Das trägt nur der authentisch, der das eh schon immer gemacht hat.
Also, im Kern lautet der schlichte Rat: Haare kurz schneiden lassen und gut ist. Und die nächste Herausforderung steht ja schon vor der Tür: das Ergrauen. Fällt bei blonden Haaren nicht so sehr auf, aber die Zeit wird kommen. Ich hoffe nur, dass dann bei der Jahreszahl eine Fünf vorne steht.