Wie jedes Jahr gibt es zur Sonnenwende Ende Juni eine Vielzahl an Feierlichkeiten. Veranstaltungen, bei denen der außergewöhnliche Sonnenstand - der längste Tag und die kürzeste Nacht - gefeiert wird. Die unterschiedlichsten Menschen, Vereine, Gruppen und politischen Organisationen beteiligen sich dabei oder veranstalten ihre eigenen - oftmals traditionellen - Sonnwendfeiern. Interessant wird es, wenn es sich um Sonnwendfeiern mit politischem Hintergrund handelt und wenn PolitikerInnen oder VertreterInnen bekannter Organisationen am Feuerredner-Pult stehen.
Eine Sonnwendfeier besteht in ihrem Ablauf aus traditionellen Liedern, Feuersprüchen - das sind kurze Statements von Anwesenden, dem Entzünden des Feuers sowie dem Höhepunkt der Feuerrede, die meistens von bekannten Persönlichkeiten vorgetragen wird.
neuwal war bei drei voneinander unabhängigen Sonnwendfeiern dabei, um zu beobachten, welche Themen von PolitikerInnen und VertreterInnen im vornehmlich rechten politischen Spektrum thematisiert werden: Bei einer Feier der FPÖ Wiener Neustadt mit NAbg. Walter Rosenkranz, bei der Sonnwendfeier von Barbara Rosenkranz mit Klubobmann Karl Schnell und bei der traditionellen Sonnwendfeier vom WKR (Wiener Korporations Ring) am Cobenzl.
Die Feuerreden waren durch ein gemeinsames großes Themen geprägt: In Bezugnahme auf den Sieg von Conchita Wurst beim Eurovisions Songcontest 2014 sprachen sich die FPÖ-Redner eindeutig gegen ein Zeichen der Toleranz aus: "In Zukunft geht es nicht mehr darum ob man Links oder Rechts ist. In Zukunft wird es eigentlich nur mehr darum gehen, ob man normal ist oder nicht." So sprach man von einer kranken Gesellschaft, Fehlleitungen, dem Entgegenwirken von gewissen Fehlentwicklungen in der Gesellschaft und der Normalität der Beziehungen zwischen Mann und Frau. Ebenso durfte das Lieblingsthema der FPÖ, die Migration, auch bei den Sonnwendreden nicht fehlen. Neben Reden gab es auch einen besonderen Gast: Bei der WKR-Feier am Cobenzl wurde mit Max Zastrow ein Ritterkreuzträger aus vergangenen Tagen willkommen geheißen.
1. Sonnwendfeier der FPÖ Wiener Neustadt in Dreistetten (20.06.2014)
Bei der Sonnwendfeier der FPÖ Wiener Neustadt am 20. Juni 2014 trafen sich rund 50 Gäste beim Zitherwirt unter der Ruine Starhemberg in Dreistetten. Zunächst im Wirtshaus, in dem in guter Athmosphäre gegessen und getrunken wurde. Dort wurde von einem lokalen FPÖ-Politiker stolz sein " Zur Zeit "-Artikel "Der geile Wurst-Schmäh" - kopiert auf DIN A4 - mehrfach den anwesenden Gästen zum Lesen ausgeteilt.
Die Feuerrede bei der politischen Sonnwendfeier in Dreistetten wurde von NAbg. Walter Rosenkranz (FPÖ) auf einem Feuerplatz im Freien gehalten. Die Rede drehte sich u.a. um den gesellschaftlichen Wandel, der sich lt. seiner Reflektion sehr negativ im Umbruch befindet. Der Begriff der "Dekadenz", der sich im konservativ-rechten Lager zur EU etabliert hat, taucht öfter in seiner Rede auf. Ganz stark thematisiert wurden Themen rund um "Conachita Wurst" so wie dem "Genderismus". Walter Rosenkranz lässt zum Abschluss mit einer neuen politischen Richtung - fern von rechts oder links - aufhorchen. Denn, "in Zukunft wird es eigentlich nur mehr darum gehen, ob man normal ist oder nicht" und stellt sich selbst als fremdschämenden "heterosexuellen" Politiker vor.
Bei der Sonnwendfeier von Barbara Rosenkranz am 21. Juni 2014 in Kleinrötz/NÖ zeigte sich LABg. Karl Schnell (FPÖ Salzburg) bei seiner Feuerrede vor rund 150 Gästen ebenso kritisch gegenüber "Conchita Wurst" und den Entwicklungen einer "schwer kranken Gesellschaft": "Das ist eine Entwicklung, der wir also wirklich einfach in der Gesellschaft entgegenwirken müssen." Schnell zeigte auf, dass Toleranz ausgenützt wird und, dass "das ganz normale eigentlich verdrängt wird". Als einstiger Redner bei der Sonnwendfeier 2008 und im März 2014 bei den deutschen Republikaner sind "Die Guten, die Gutmenschen, die Demokraten" nicht das, was er sich wünscht und möchte - unter Zurufen der Anwesenden - gewissen Fehlentwicklungen der Gesellschaft entgegenwirken.
Anders als beim Akademikerball, feierte der WKR am 18. Juni 2014 gemeinsam mit der Österreichischen Landsmannschaft ihre traditionelle Sonnwendfeier ruhig am Cobenzl. Keine Demonstrationen, keine Gegenveranstaltung und keine Sicherheitsvorkehrungen, dafür mit bestem Ausblick vom Cobenzl-Garten auf das nächtliche Wien. Das liegt vermutlich daran, dass die Veranstaltung im Vorfeld nicht breitflächig angekündigt und dadurch keine mediale Berichterstattung erfolgte. Ebenso kam es zu keiner politischen Insziniertung - von welcher Seite auch immer. Besser so, um Ausschreitungen vorzubeugen und die Feierlichkeiten und Gesinnung im kleinen Rahmen unter sich zu bewahren.
Die Veranstaltung war ruhig, wenn gleich nicht unauffällig, da Reden und Musik weit über den Cobenzl hörbar und vom Parkplatz gut einsichtbar waren. Drei Euro Eintritt, dazu gab es ein Programm mit Liedtexten und wahlweise Eckert-Ausgaben zum Erwerb. Rund 100 Burschenschafter, Vertreterinnen der Mädelschaft und SympathisantInnen feierten eine der wohl wenigen Sonnwendfeiern nach klassischem Muster: Strukturierter Ablauf, Begrüßungsreden und Feuersprüche wurden mit alt bekanntem Liedgut ergänzt: Bozener Bergsteigerlied, Flamme empor, Der gute Kamerad, Die Gedanken sind frei und Die freie Republik. Die Feuerrede wurde diesmal durch Verena Inauen von der Wiener Akademischen Mädelschaft Nike abgehalten.
Dass sich Tischgespräche um deutschnationale Themen handelten, oft das N-Wort fiel, abfällig über Zuwanderer gesprochen wurde und man sich über Anekdoten aus dem Krieg unterhielt, überrascht und schockiert nicht mehr. Ein Sympathisant der Partei "EU-STOP" war mit auffallendem T-Shirt mit eigens geschriebenen kritischen EU-Parolen und Buttons vor Ort, um "Interessierte" für seine EU-kritischen Themen zu finden. Die Antwort und Botschaft einer Anwesenden auf die Suche nach Unterstützung war eindeutig: "Wir sind keine Europäer, wir sind Deutsche."
Mit dem Unteroffizier Max Zastrow wurde zu Beginn ein ganz besonderer Gast angekündigt und begrüßt: ein Kriegsveteran und der letzte noch lebende Wiener Ritterkreuzträger. Das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ist eine Stufe des Eisernen Kreuzes, das am 1. September 1939 anläßlich des Polenfeldzuges von Adolf Hitler neu gestiftet wurde . Verliehen wurde es Zastrow im März 1944 ( Deutsche Wochenschau) "nach der Zerstörung drei russische Bunker ohne Hilfe seiner Kameraden" . Seine Anekdoten gibt es im Buch " Max Zastrow - Der Gefreite mit dem Ritterkreuz " nachzulesen.
In rechten Kreisen dürfte Max Zastrow lt. Recherchen durchaus bekannt sein. So hatte Zastrow im März 2011 einen Auftritt bei Neonazis als Redner "aus der Ostmark" in Grevesmühlen, zeigt die rechtsextreme Online-Plattform MUPINFO. Grevesmühlen sei übrigens 2011 die Festung der Extremisten und Tummelplatz der rechten Szene in Deutschland gewesen.
2007 war Max Zastrow zu Gast bei der "Annaberg Gedenkfeier" in Deutschland. Einem Treffen von RechtsextremistInnen, bei der TrachtenträgerInnen mit schwarz-weiß-roten Fahnen sowie neonazistische Skinheads Seite an Seite stehen. Zastrow wird dort als "prominenter Teilnehmer" neben Burschenschaften, NPD-PolitikerInnen und Gudrun Burwitz gesehen.
In der rechtsextremen Zeitschrift AULA finden sich im Oktober 2012 vielsagende Würdigungen zu Zastrow, der "auch sieben Jahrzehnte nach seinem tollkühnen Einsatz an der Ostfront der alte geblieben ist, nach wie vor sozial & national denkt und zeitgeistige Narreteien strikt ablehnt." 6 Abschließend wird Zastrow mit einem Gedicht vom "großartigen Josef Weinheber" 7 gehuldigt. Auch hier mal ganz kurz nachrecherchiert: Weinheber war prononcierter NS-Poet und wichtiger Akteur in der Kulturpolitik des Dritten Reichs, verherrlichte den "von Gott gesandten Führer" und rühmte dessen Machwerk "Mein Kampf". 8
Weiters tauchte Zastrow 2000 als Mitglied der "Initiative Wehrbereitschaft" auf . Die "Initiative Wehrbereitschaft" hatte Schulen Zeitzeugen für Referate angeboten. Einige dieser Referenten galten laut "profil" und dem grünen Abgeordneten Karl Öllinger als rechtsextrem. . Nach einer sofortigen Untersuchung des Projekts "Zeitzeugen der Wehrmacht" der damaligen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer wurde am 21. März 2000 auch parlamentarisch behandelt . Letztlich sind Redner der "Initiative Wehrbereitschaft" an österreichischen Schulen nicht zum Einsatz gekommen: "Extremismus, gleich welcher Art, hat an den Wiener Schulen nichts zu suchen", so der damalige Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz. .
Transkripte und weitere Berichte auf http://neuwal.com/index.php/2014/07/03/was-den-feuerrednern-auf-der-seele-brennt-sonnwendfeiern2014/
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