neuwal (Dieter Zirnig): Ich freue mich sehr, dass wir heute miteinander über die EU Wahl reden können und ich bitte Sie, sich kurz vorzustellen. In wenigen Worten. Wer sind Sie und was machen Sie?
Eugen Freund: Mein Name ist Eugen Freund. In meinem Namen sind zweimal die Buchstaben EU drin. Ich habe 40 Jahre lang im Journalismus gearbeitet und habe dort in allen Bereichen des Journalismus von Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendungen, Bücher schreiben, alles gemacht, was man in diesem Bereich machen kann. Jetzt habe ich die Chance bekommen, SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl zu werden.
SPÖ ist ein gutes Stichwort. Wenn Sie in wenigen Worten erklären: Wie steht die SPÖ in Österreich da und was macht sie momentan auf nationaler Ebene?
Wir konzentrieren uns jetzt hauptsächlich auf die Europawahl und wir haben großes Interesse daran, dass wir hier die Nummer 1 werden. Sowohl in Österreich als auch im Europaparlament. Wir sind da ziemlich unabhängig von dem, was sich auf nationaler Ebene abspielt.
Nicht zuletzt deswegen, weil wir die europäischen Probleme betonen wollen und vor allem auch die europäischen Probleme lösen wollen.
Insofern gibt es diesen engen Zusammenhang nicht. Auf der anderen Seite betone ich aber doch, dass ich sozusagen Österreich im Herzen trage und Europa im Gehirn, weil es ja viele Maßnahmen und Richtlinien in Österreich gibt, die wir gerne in der Europäischen Union umgesetzt haben möchten.
Die SPÖ ist auf europäischer Ebene in der S&D Fraktion. Wofür steht die S&D Fraktion auf europäischer Ebene und was sind die wesentlichen Punkte?
Das Wichtigste ist, dass wir derzeit einen Abstand von ungefähr 100 Mandaten haben zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten, also der progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Dieser Abstand hat sich jetzt durch den Wahlkampf auf ein Kopf an Kopf Rennen verringert. Das heißt, wir haben erstmals die Chance im Europäischen Parlament die Mehrheitspartei zu sein. Erstmals seit dieser Krise würde es uns hier wirklich gelingen, hier Politik wirklich umzusetzen und auch tatsächlich einen Kurswechsel in Europa vorzunehmen, der in Europa ja so wahnsinnig wichtig ist, wenn wir uns die Kerndaten Europas anschauen; vor allem im sozialen Bereich.
Wenn man sich die S&D auf Europaebene näher anschaut, was sind die Fraktionen, die für mögliche Zusammenarbeiten sympathisch sind?
Normalerweise wird ja im Europäischen Parlament mehrheitlich beschlossen, mit den anderen Fraktionen gemeinsam. Das heißt aber nicht, dass es nicht Zielvorgaben der jeweils dominierenden Partei gibt. Zum Beispiel, wenn Sie sich anschauen die Bankenkrise: Da haben auch Sozialdemokraten immer wieder mitgestimmt.
Aber nicht zuletzt deshalb, weil wir natürlich gemeinsam zu der Ansicht gelangt sind, dass wir dieses ökonomische System, das gesamte ökonomische System in Europa retten müssen, wenn wir diese Banken nicht retten.
Das ist auf dem Spiel gestanden und wir haben natürlich mit der Erinnerung an die Vergangenheit der 30er Jahre gewusst, dass wir uns in eine solche Situation nicht noch einmal begeben können. Die Situation der 30er Jahre hat unmittelbar danach in einen Krieg geendet und der hat die größte Katastrophe auf diesen europäischen Kontinent gebracht. Das war natürlich klar, aber auf der anderen Seite muss man auch dazu sagen, dass wir natürlich hier eine konservative neoliberale dominante Politik in Europa immer wieder verhindern möchten, aber das nur tatsächlich dann tun können, wenn wir Mehrheitspartei werden.
Welche Chancen rechnen Sie sich aus? Was ist Ihr Ziel?
Unser Ziel ist es natürlich Nummer 1 in Österreich zu werden und auch Nummer 1 im Europäischen Parlament zu werden. Das ist ganz wichtig, weil - ich sage es noch einmal - nur dann, wenn die Sozialdemokratische Partei die stärkste Fraktion im Europaparlament ist, wird es diesen Kurswechsel geben, der so dringend notwendig ist. Wenn wir uns die jetzige Situation vor Augen halten, dann wissen wir, dass wir endlich soziale Politik für die Menschen machen müssen und nicht Politik für Konzerne, Banken oder die Finanzwirtschaft.
Sie haben den Kurswechsel angesprochen. Was gibt es da noch für Punkte? Was steht da auf Ihrer Agenda?
Da gibt's so viele: Von Konsumentenschutz über Lebensmittelsicherheit über Atomkraftwerke. Da gibt es in diesen wesentlichen Bereichen so viele Dinge, die anders vorgenommen werden müssen und wo wir dringend verlangen, dass hier dieser Kurswechsel eben eintritt.
Aber ich sage noch einmal, das wirklich wichtigste Problem ist die Senkung der Arbeitslosigkeit.
Wenn jetzt immer wieder behauptet wird, dass es kein Geld dafür gibt, weil ja schon das ganze Geld in Banken und so weiter geflossen ist, dann kann ich nur sagen, auf der einen Seite fordern wir natürlich dringend, dass die Finanztransaktionssetuer, ebenfalls etwas was uns von den konservativen Parteien unterscheidet, eingeführt wird und zweitens, dass natürlich auch der Steuerzahlerbetrug, der in Europa ungeheure Ausmaße angenommen hat, dass der eingedämmt wird werden müssen. Tausend Milliarden Euro versickern in irgendwelchen Steueroasen oder Steuersümpfen, weil die Steuern nicht dort landen, wo das Geld erwirtschaftet wird. Also nicht in den einzelnen Mitgliedsstaaten sondern irgendwo in irgendwelchen Steueroasen.
Wenn Sie jetzt einmal aus Ihrer Sicht auf Europa und die EU blicken, was fällt Ihnen da besonders auf, auf den ersten Blick? Was läuft gut und was läuft weniger gut?
Was wirklich gut läuft und worauf Europa stolz sein kann ist natürlich das Friedensprojekt. Wir dürfen nicht vergessen, dass ich erst der ersten Generation angehöre, die in Europa oder in Kerneuropa keinen Krieg erlebt hatte. Wir dürfen nicht vergessen, dass es kluge Menschen aus Deutschland und aus Frankreich waren, die sich nach dem Krieg die Hände über den Gräbern von Millionen Menschen gereicht haben und gesagt haben Schluss damit, wir wollen uns nicht in jeder Generation ein oder zwei Mal den Schädel einschlagen.
Und ich glaube, dass man das heute, angesichts der Ereignisse in der Ukraine gar nicht oft genug betonen kann, wie wichtig das ist, dass wir hier in einem gemeinsamen Europa leben, das im Wesentlichen an einem Strang zieht.
Was läuft gut und sollte weiter fortgesetzt werden?
Also ich glaube, dass das einmal gut läuft und natürlich unbedingt weitergeführt werden sollte. Es gibt natürlich auch ein paar Dinge, die nicht so gut laufen und da nehmen wir die Sorgen und Ängste der Bevölkerung schon auch sehr ernst. Also diese Kleinklein Politik, die es immer wieder gibt in den europäischen Institutionen, dass man sich mit der Menge des Wassers, das durch die Klospülung rinnt beschäftigt oder mit der 100 Watt Lampe oder mit den Olivenölkännchen und dabei gleichzeitig die wirklich wichtigen Dinge außer Acht lässt. Ich habe es schon erwähnt, die Finanztransaktionssteuer zum Beispiel. Die immer noch in ihren Kinderfüßen steckende gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Dass es hier zu wenig Fortschritte gibt, dass es auch in der Klimapolitik, die wirklich für unsere jungen Menschen, in 30 oder 40 Jahren auch in Europa zu katastrophalen Zuständen führen wird, wenn hier nicht gemeinsam vorgegangen wird. Also hier sehe ich schon ein paar Dinge, die man in Angriff nehmen muss und wo Europa in den letzten Jahren wirklich nicht genug unternommen hat.
Werfen wir einen Blick auf das Parteiprogramm und auf Ihre politischen Ideen und Ziele. Was sind denn nun Ihre politischen Ideen für Europa und die EU?
Ich kann nicht oft genug betonen, dass natürlich das Allerwichtigste ist, die Arbeitslosigkeit zu verringern. Vor allem, wenn wir diese Situation in Griechenland, in Portugal und in Spanien anschauen, wo die Hälfte aller Jugendlichen schon seit Jahren keine Arbeit findet, den Glauben an diese Gesellschaft verliert, dann ist hier ganz dringend Handlungsbedarf gegeben.
Und die Bekämpfung von Steuerbetrug ist natürlich auch etwas. Wenn uns hier jährlich 1.000 Milliarden an Steuern entgehen, dann glaube ich, dass man das nicht als Kavaliersdelikt behandeln kann.
Wie das so viele von den konservativen und neoliberalen Kräften gern tun.
Wo sehen Sie Ähnlichkeiten der SPÖ mit sozialdemokratischen Parteien in anderen Ländern?
Im Wesentlichen haben wir hier ziemlich idente Programme. Sozialdemokraten haben zum Beispiel auch ihr Programm darauf abgestimmt, darauf, dass wir im Wesentlichen alle an einem Strang ziehen. Da gibt es ganz geringe Unterschiede nur.
Wie wollen Sie diese Themen in Europa angehen, wenn Sie ins EU-Parlament kommen?
Es hängt natürlich vom Wahlausgang ab. Ich sage wie wichtig es ist, dass man diese Wahl ernst nimmt. Das heißt die Bedeutung dieses Europäischen Parlaments kann gar nicht genug unterstrichen werden. Es ist ja nicht so, dass das eine Institution ist, die irgendwie weit weg ist und irgendetwas berät, sondern da geht es wirklich auch um Entscheidungen, die auch unmittelbar in unseren Lebensbereich eingreifen. Ich erwähne nur Konsumentenschutz, Lebensmittelsicherheit, Arbeitsmarktsicherung und dergleichen. Das sind ganz wichtige Entscheidungen. Auch im Sozialbereich, in anderen Bereichen des sozialen Zusammenhalts gibt es sehr viel. Noch einmal, wenn es uns gelingt die Mehrheitsfraktion zu werden, wenn es uns gelingt an der Spitze der Kommission auch einen Sozialdemokraten zu installieren, was ja im Vertrag von Lissabon vorgesehen war, dass die Mehrheitspartei hier mitbestimmt. Dann haben wir diese Möglichkeit zu diesem ganz dringenden Kurswechsel in Europa, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht mehr die Konzerne, die Banken oder die Finanzwirtschaft.
Woran würden Sie konkret mit Ihrer Arbeit merken, dass Sie Erfolg hatten?
Ganz sicher würde ich es merken, wenn die Arbeitslosigkeit zurück ginge und das kann nicht nur ein Ziel sein sondern das muss ein dringendes Vorhaben sein, das tatsächlich in Angriff genommen wird. Hier muss man auch Druck auf die jeweiligen Länder ausüben. Und hier muss man auch innerhalb der Europäischen Union dafür sorgen, dass hier mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Und woran würde es die österreichische Bevölkerung merken, dass Sie mit Ihrer Politik Erfolg hatten?
Die Bevölkerung wird es daran merken, dass wir immer wieder betonen, wie global, aber natürlich auch europäisch Österreich eingebunden ist. Wenn es in Italien zum Beispiel nicht gut läuft, dann spüren das jene Unternehmen, die nach Italien exportieren. Italien ist unser zweitwichtigster Handelspartner. Wir können jetzt nicht so tun als wäre es egal ob es in Spanien oder Italien oder in Portugal gut läuft, weil alle unsere Betriebe oder jedenfalls sehr viele unserer Betriebe exportabhängig sind. Daher haben wir eminentes Interesse daran, dass es in diesen Ländern gut geht und damit spüren es aber auch die Österreicherinnen und Österreicher, die in diesen Betrieben arbeiten, dass es gut geht, weil dort wieder produziert wird, weil dort wieder exportiert wird, weil deren Waren wieder gekauft wird.
Werfen wir einen Blick voraus. Schauen wir zehn Jahre voraus. Wie sehen Sie Europa, wie sehen Sie die EU in zehn Jahren?
Europa hat uns sicher geholfen in zehn Jahren den Export weiter anzukurbeln. Wir haben den Menschen, die gesagt haben, damals vor zehn Jahren, wir sollen aus der EU austreten, eindeutig gezeigt, dass das die falsche Politik war, weil sich Friede, Wohlstand vergrößert haben innerhalb von Europa, weil viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Das ist ganz wichtig.
WordrapDie gemeinsame Währung hat das Reisen noch mehr vereinfacht, weil noch mehr Länder in der Zwischenzeit innerhalb dieser vergangen zehn Jahre den Euro aufgenommen haben. Und es hat auch noch zusätzlich zur Stabilität in der Eurozone beigetragen.
Wo sehen Sie Österreich in zehn Jahren?
Ich sehen Österreich als weiterhin prosperierenden Staat, der wie schon in den vergangenen zehn bis 20 Jahren von dem Beitritt zur EU profitiert und der natürlich auch von dem friedlichen Zustand in Europa seinen Nutzen gezogen hat.
EURO Der Euro hat uns sicher sehr geholfen unseren Export anzukurbeln. Der Euro hat natürlich auch zusätzlich dazu beigetragen, dass wir nicht ständig Geld wechseln müssen, wenn wir in andere Länder fahren und er hat natürlich für Stabilität in den nationalen Währungen gesorgt.
Nationale Währungen Nationale Währungen haben langsam ihren Sinn verloren.
EU Austritt Wenn Österreich aus der EU ausgetreten wäre, natürlich ein rein hypothetischer Fall, dann hätte Anstieg der Arbeitslosenzahlen und hohe Kosten verursacht.
EU Neubeitritte Ich glaube, dass die Verhandlungen, die derzeit geführt werden, auch zu Ende geführt werden sollen und das betrifft vor allem den Westbalkan, wo es Staaten gibt, wo schon erste Gespräche geführt wurden und wo sich andere Staaten auch langsam auf dieses europäische Projekt einstellen sollten.
Neutralität Politische Neutralität ist die Lebensgrundlage Österreichs und davon wollen wir nicht abgehen.
Netzneutralität Netzneutralität ist ganz wichtig. Wir werden weiterhin alles dafür tun, dass es weiterhin keine Zweiklassengesellschaft im Internet gibt.
Bildung Bildung ist ein essenzielles Gut. Es muss alles unternommen werden, damit alle Gruppen in der Gesellschaft Zugang zu Bildung haben.
Startups und Entrepreneurship Ich glaube, dass in diese kleinen Unternehmen zu investieren ein ganz wichtiger Beitrag dazu ist, dass es in Europa auch eine florierende Wirtschaft gibt.
Jugenarbeitslosigkeit Jugendarbeitslosigkeit ist das größte Problem, vor dem Europa steht, weil wenn wir der jungen Generation den Glauben an die Zukunft nehmen, dann nehmen wir ihnen alles.
Grenzen Grenzen haben sich langsam ad absurdum geführt.
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