Detlef Dreßlein

Autor, Journalist & Dozent, München

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Zurück in der Idylle

Unterhaching. Wer tatsächlich noch an der oftmals kolportierten Schnelllebigkeit des Fußballs zweifelt, der möge bitte nach München blicken. Vor kaum eineinhalb Jahren stand der FC Bayern vor dem Champions-League-Sieg, beim TSV 1860 trainierte der ewige Werner Lorant in seiner neunten Saison, und es gab noch einen dritten Bundesligisten: die SpVgg. Unterhaching. Heute, gerade ein Neujahrfest ist seither gefeiert, ist der FC Bayern schon in der Vorrunde der Champions League kläglich gescheitert, Lorant arbeitet in der Türkei, und die Unterhachinger kicken in der Regionalliga.

Unterhaching - einst die „Gallier der Bundesliga". Doch auf den Höhenrausch folgte der Absturz. Nicht wenige, gerade in einer Chemiestadt am Rhein, werden sich sogar gefreut haben. Schließlich ist gerade in Leverkusen noch immer ein Trauma mit dem Namen Unterhaching verbunden, hatte doch der Vorortklub der Bayer-Elf den Gewinn der Meisterschaft verdorben.

In Haching gilt der Abstieg in die Drittklassigkeit nur als ähnlicher Ausrutscher wie seinerzeit der Sprung in die Erstklassigkeit. Von der Infrastruktur her ist der Klub ein typischer Zweitligist. Nun nutzt man den Abstieg zum Umbruch. Viele Spieler jenseits der 30 gingen, junge kamen. Dazu Wolfgang Frank als Trainer. Der Kader ist nicht billig, aber man verabschiedete sich aus den höheren Ligen dank vernünftiger Vereinsführung stets ohne größere Schulden. Auch wenn man derzeit zum Unwillen des Präsidiums doch leicht in die Minuszone gerutscht ist.

Nur noch knapp 3000 kommen zu den Heimspielen in den Sportpark. Die Anfahrt über die einzige Zubringerstraße und die Parkplatzsuche verläuft jetzt wieder wesentlich stressfreier. Ohne Bundesliga ist die Idylle wieder eingekehrt. Der aktuelle Kader ist eine Mischung aus alten Bundesliga-Recken wie Matthias Zimmermann, Alex Strehmel oder Jan Seifert und einigen sehr ambitionierten Spielern. Torwart Phillip Heerwegen ist gerade 19 Jahre alt, im Sturm hat sich Jungstar Angelo Vaccaro durchgesetzt.

Allen voran profitiert man aber von der erstaunlichen Wandlung eines Spielers: Francisco Copado. Der kam vor drei Jahren, noch zu Bundesligazeiten, nach Haching und verscherzte es sich - wie es so seine Art war - mit einem baslerschen Lebenswandel gleich mit allen. Höhepunkt war eine einjährige Suspendierung. „Ich habe meine Karriere mit Füßen getreten", sagt Copado heute. Anfang 2002 begnadigte ihn der damalige Trainer Rainer Adrion, wohl auch, weil sich kein Abnehmer fand. Also spielte Copado auf Bewährung, den Abstieg aus der Zweiten Liga konnte er nicht verhindern. Aber in der Regionalliga erstarkte der 28-Jährige und zeigt jetzt, wie sehr er dem durchschnittlichen Drittliga-Balltreter überlegen ist. „Wenn er wirklich fit ist, kann ihn kaum jemand halten", sagt Trainer Frank. „Vor allem aber haben wir hier Spaß am Fußball", sagt Copado stellvertretend für die Mannschaft.

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