West-Berlin, Mitte der 1980er-Jahre: Die Stimmung für Computer- und Automatenspieler könnte kaum trostloser sein. Vor wenigen Monaten ist das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten, harmlose Arcade-Automaten wie Pac-Man und Donkey Kong dürfen seitdem nicht mehr an öffentlichen Plätzen aufgestellt werden und fristen ihr Dasein in zwielichtigen Spielhallen und verrauchten Spelunken. Auch den Computerspielen geht es an den Kragen. Ende 1984 setzt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) das Shoot'em-Up River Raid auf den Index, weil es zu "psychischer Verkrampfung und Ärger" führe und im "Kindesalter eine paramilitärische Ausbildung" stattfinde, so die Urteilsbegründung. Ein Jahr später folgt die Indizierung der Dschungelschießerei Commando. Spiele haben in der westdeutschen Politik einen schweren Stand; Spieler ziehen sich, von der Gesellschaft argwöhnisch beäugt, in ihre eigene Subkultur zurück.
Einen Blick über die Mauer, die West- und Ost-Berlin voneinander trennt, wirft damals fast niemand. Wieso auch, im gestrengen Staatsgefüge der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) scheint für derartige Spielereien kein Platz. In Wahrheit entpuppt sich der "Arbeiter- und Bauernstaat" jedoch als Paradies für Spieler. Während es beispielsweise undenkbar wäre, im Bonner Bundestag einen Donkey-Kong-Automaten zu platzieren, stehen im Ostberliner Palast der Republik, dem Prestigebau der Sozialistischen Einheitspartei (SED), sauber aufgereiht 40 eigens entwickelte Arcade-Automaten. An den PolyPlay getauften Maschinen spielen sich Kinder und Jugendliche die Finger wund, über die Bildschirme flimmern staatlich finanzierte Kopien westlicher Produktionen. Pac-Man etwa wird zu Hase und Wolf, basierend auf der russischen Zeichentrickserie"Nu, pogodi!" ("Na, warte!").