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WBA-Titel an Chagaev - Pianeta muss Blitz-K.o. einstecken

Magdeburg. Böses Erwachen für den Ruhrpott-Boxer Francesco Pianeta. Nach zwei Niederschlägen durch den Usbeken Ruslan Chagaev schafft er es nicht mal bis zum Ende der ersten Runde. Dabei sollte der Deutsche dem legendären Schwergewichts-Weltmeister Max Schmeling folgen.

Die Zahlen treffen Francesco Pianeta wie harte Schläge mitten ins Gesicht. Runde eins, zwei Minuten, 57 Sekunden. Immer wieder muss er sich die Kombination in dieser Nacht anhören. Jedes Mal schüttelt der Gelsenkirchener den Kopf. Das Fiasko in 177 Sekunden, es macht ihn fassungslos.

Pianeta wollte in Magdeburg Box-Geschichte schreiben. Die 5000 Zuschauer in der Halle und die Millionen Fans am TV sahen vor seinem Kampf Schwarzweiß-Bilder. Sie zeigten Max Schmeling, wie er sich 1930 gegen Jack Sharkey zum Schwergewichts-Weltmeister krönte - zum ersten und bislang letzten aus Deutschland. Pianeta sollte die Nummer zwei werden. Doch WBA-Titelverteidiger Ruslan Chagaev raubte ihm in Eiltempo sämtliche Illusionen.

Leise und höflich

Der Kampf läuft 89 Sekunden, als Pianeta zwei Linke kassiert und zu Boden geht. Der gezeichnete Herausforderer rappelt sich auf und läuft wieder in Chagaevs Faust. Ein Niederschlag mit Folgen: Ringrichter Jean-Louis Legland beendet den Kampf, bevor dieser so richtig begonnen hat.

Chagaevs Begleiter stürmen nach dem schnellen Knockout den Ring, umarmen den alten und neuen Weltmeister, schwenken Fahnen. Pianeta schleicht unterdessen in seine Ecke. Das Gesicht vergräbt er zwischen den Boxhandschuhen. „Ich habe mich auf zwölf harte Runde eingestellt, und dann verpenne ich direkt die erste", erklärt Pianeta später.

Auf einer Großleinwand läuft die Wiederholung des Kampfes. Manuel Charr schaut sich die Niederschläge an und winkt ab. „Chagaev ist der weiße Mike Tyson. Da kann man nicht die Deckung so weit unten lassen", sagt er. Charr hat selber schon um einen WM-Titel geboxt, vor drei Jahren unterlag er Vitali Klitschko. Später machte der Kölner durch Pöbeleien bei Box-Veranstaltungen und im Big-Brother-Container von sich reden. Charr gilt in der Szene als laut und arrogant.

Dritter Titelkampf ist derzeit undenkbar

Francesco Pianeta aber ist leise und höflich. Deshalb berühren die Szenen nach dem Kampf auch viele Beobachter. Der geschlagene Boxer geht zu seinen Freunden von Grün-Weiß Heßler. Er will sich bei den B-Liga-Fußballern entschuldigen. Doch Pianeta verschlägt es die Sprache. Sein bester Kumpel Francesco Iacino tritt hervor. Er umarmt Pianeta. Tränen fließen. „Das tut mir leid für meine Jungs. Die nehmen so eine weite Strecke auf sich und dann enttäusche ich sie", sagt der 30-Jährige.

Immer wieder macht Pianeta lange Pausen, wenn er über diesen kurzen und schmerzvollen Box-Abend reden muss. Auch als er Promotor Ulf Steinforth in die Augen blickt, ringt der Boxer um Worte. „Er hat alles getan, um diesen Kampf auf die Beine zu stellen. Dann erlebt er so eine Enttäuschung", sagt Pianeta. Sein Blick wandert nach links. Dort liegt der Gürtel des Champions. Die Trophäe, die Pianeta eigentlich seinem Sohn versprochen hatte, ist nur zwei Meter entfernt.

So nahe dürfte der Gelsenkirchener einem WM-Gürtel nicht mehr kommen. Nach der Niederlage gegen Wladimir Klitschko vor zwei Jahren und nach dem Blitz-Knockout gegen Chagaev ist ein dritter Titelkampf derzeit undenkbar. Pianeta will Abstand gewinnen. „Ich werde mich um meine Familie kümmern und das Handy erstmal ausschalten", sagt er. Es dürfte mehrere Monate dauern bis er diese 177 Sekunden aus Magdeburg verarbeitet hat.

Denis de Haas

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