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Staatliche Zensur: Wie Rap kriminalisiert wird // Feature

Die Kunst- und Meinungsfreiheit gilt in vielen europäischen Staaten als Grundpfeiler der demokratischen Ordnung – selbst in einem Land wie Spanien, das noch einen König hat, der das Land symbolisch repräsentiert. Wenn sich Rapper*innen in ihrer Musik allerdings mit unbequemen Themen beschäftigen, werden sie dafür teilweise von staatlicher Seite verfolgt. Das zeigt sowohl der aktuelle Fall von Pablo Hasél in Spanien, als auch die polizeiliche Verfolgung von Drill-Rappern in Großbritannien. Selbst in Deutschland gibt es Politiker, die politischen Rap gerne verstummen lassen möchten.

Ausschreitungen nach Verhaftung

Letzte Woche, am 16. Februar, wurde der spanische Rapper Pablo Hasél in der Stadt Lleida festgenommen, nachdem er sich dort in der Universität verbarrikadiert hatte. Zuvor hatte er sich geweigert eine Haftstrafe von neun Monaten anzutreten, die gegen ihn verhängt wurde. Der Grund für die Verurteilung: Raptexte, in denen Pablo Hasél den früheren spanischen König Juan Carlos angreift und unter anderem als »Dieb« bezeichnet. Der Altkönig lebt mittlerweile in Abu Dhabi, nachdem er in Spanien in eine Korruptionsaffäre verwickelt war.

Die Monarchie in Spanien ist ein Feindbild vieler Linker, die sich mit Haséls Texten identifizieren können. Der Konflikt hat allerdings noch eine andere Dimension, denn der Rapper ist ebenfalls bekennender Anhänger der Separatisten, die die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien fordern. Beide Aspekte spielen eine Rolle für die Reaktion, die die Verhaftung des Rappers ausgelöst hat. Seit einer Woche kommt es nachts zu Krawallen in Spanien, sowohl in katalanischen Städten wie Barcelona, als auch in der Hauptstadt Madrid. Mehr als hundert Menschen wurden festgenommen, eine Demonstrantin verlor ihr Auge, nachdem sie von einem Polizeigeschoss getroffen wurde. Teilnehmer*innen der Demonstrationen berichten von Polizeigewalt.

Dass Pablo Hasél für seine angriffslustigen Texte überhaupt verurteilt werden konnte, liegt am »Gesetz zum Schutz der Sicherheit der Bürger«. Das Gesetz wurde 2015 von der konservativen Regierung verabschiedet und wird von vielen nicht als Schutz der Bürger, sondern als Schutz der Regierung vor unbequemer Kritik kritisiert. Selbst kritische Tweets können als »Gefährdung« eingestuft werden und zu hohen Geldstrafen führen. Konkret wird Pablo Hasél Beleidigung der Monarchie vorgeworfen, viele sehen darin allerdings nur eine Form von Zensur. In der Vergangenheit gab es bereits Proteste gegen das Gesetz, jedoch nicht in der Art und Weise, wie sie in der Debatte um Pablo Haséls Verhaftung stattfinden.

Pablo Hasél gibt weiterhin nicht klein bei. In seinem letzten Song, der am 12. Februar samt Video erschien, legt er die Doppelmoral des aktuellen Königs Felipe VI offen, der in einer Rede die Freiheit von Meinung und Information fordert, während diese in Spanien verfolgt wird.

Auch der spanische Rapper Valtònyc, der mit antikapitalistischen Texten auf sich aufmerksam machte, wurde 2017 zu einer dreijährigen Haftstrafe für seine Texte verurteilt. Ihm wird unter anderem Verleumdung und schwere Beleidigung der Krone vorgeworfen. Seine Haft hat der Rapper allerdings nicht angetreten, sondern sich nach Belgien abgesetzt. Der Versuch, einen europaweiten Haftbefehl gegen ihn zu erlassen, wurde 2020 vom Gericht der Europäischen Union verhindert.

Auftrittsverbot und Polizei-Prüfung

Auch in Großbritannien gibt es seit mehreren Jahren eine Debatte um die Kunstfreiheit von Rap und die Einschränkungen, Verbote und Maßnahmen, die von Staat und Polizei durchgesetzt werden. Insbesondere Drill-Rapper aus London stehen in dieser Auseinandersetzung im Fokus. Die Polizei wirft einigen von ihnen vor, mit ihrer harten Musik, die auch Themen wie Kriminalität behandelt, die Rivalität und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gangs in London zu befeuern.

Schon 2018 sticht das Vorgehen gegen die Londoner Gruppe 1011 heraus. Nachdem sie 2017 verhaftet werden, weil bei einer Kontrolle Macheten und Baseballschlägern gefunden wurden, wird den Mitgliedern per Gerichtsanordnung verboten, Drill-Musik mit bestimmten Inhalten zu veröffentlichen. Die Rapper dürfen weder Verletzungen und Tod, noch bestimmte Londoner Postleitzahlen in ihren Releases vorkommen lassen. Überwacht wurde das Ganze von der Polizei, die zudem im Voraus informiert werden musste, wenn neue Musik releast werden sollte oder Auftritte und Videodrehs geplant waren. Auf Druck der Polizei hin wurden einige ihrer Videos, sowie die von weiteren Drill-Rappern von YouTube entfernt. Das Vorgehen wurden als Zensur kritisiert, zudem wiesen Aktivisten darauf hin, dass nicht die Musik das Problem sei, sondern die eigentliche Gewalt, die bekämpft werden sollte.

Die Rapper aus West-London sind allerdings nicht die einzigen, die mit Repressionen zu kämpfen haben. Das Duo Skengdo x AM wurde 2019 zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt nachdem sie gegen eine einstweilige Verfügung verstoßen hatten. Das genaue Vergehen: Sie spielten im Dezember 2018 ihren Song »Attempted 1.0« bei einem Konzert im Londoner Club »Koko«. Für die Polizei Grund genug einen Bezug zu Gang-Kriminalität herzustellen und den Song als Anstifter für weitere Gewalt einzuordnen. Auch Skengdo und AM wurden mit Auflagen belegt, die ihnen bestimmte Inhalte in ihrer Musik verbieten, beispielsweise das bloße Nennen von rivalisierten Crews oder Rappern, die zu diesen Crews gehören.

Für ein tatsächliches Gewaltverbrechen wurden Skengdo und AM bis heute nicht verurteilt. UK-Drill komplett losgelöst von tatsächlicher Gewalt zu betrachtet ist allerdings zu einfach. Einige Lyrics aus Drill-Songs wurden bereits vor Gericht zitiert, der Rapper M-Trap wurde 2017 als Teil einer Gruppe für schuldig am Mord eines 15-jährigen in Südlondon befunden. Es bleiben aber Zweifel daran bestehen, ob das Verbot von Auftritten, bestimmten Lyrics und das Löschen von Musikvideos tatsächlich dazu beiträgt, die Gewalt auf den Straßen zu stoppen.

Auch wenn die Ereignisse schon ein paar Jahre zurückliegen, ist ihre Wirkung heute noch spürbar. Rapper Digga D ist Teil der Crew 1011 und wird am 26. Februar sein Mixtape »Made in the Pyrex« veröffentlichen. In der Zwischenzeit hat er eine Haftstrafe abgesessen, unter anderem weil er seine strengen Auflagen gebrochen hat. Mittlerweile ist er auf freiem Fuß und muss neben Bewährungsauflagen auch die Einschränkungen der CBO (Criminal Behaviour Order) beachten. Die Auflagen gelten daher nicht nur für seinen Alltag, sondern auch für seine Kunst. Alle Song und Videos, die er releasen will, werden vorher von einer Behörde auf gewalttätige Inhalte überprüft. Bei Verstößen drohen ihm eine Verschärfung der Auflagen, sowie eine erneute Haftstrafe.

Dass die Polizei nicht zimperlich vorgeht und jeden Anlass nutzt, um Digga D zu schaden, zeigt sich an seiner erneuten Verhaftung im Juli 2020. Der Rapper hatte eine Black Lives Matter-Demonstration in London besucht und passende Inhalte auf Instagram geteilt. Die Polizei sah darin einen Aufruf zur Gewalt. Kurz nach seiner Festnahme wurde er wieder freigelassen, auch wenn die Regelungen der CBO weiterhin gelten. Die Inhalte des neuen Tapes werden daher wohlüberlegt sein und sind mit Sicherheit von der richterlichen Anordnung beeinflusst.

Deutschland: Kein Verbot, aber Debatte

Hierzulande gibt es noch keine vergleichbaren Prozesse, Musik mit unangemessen harten Inhalten landet hier maximal auf dem Index und soll so von minderjährigen Hörer*innen ferngehalten werden. Besonders Mitte der 2000er landeten einige Deutschrap-Alben, zum Beispiel von Bushido, Fler und Frauenarzt auf dem Index. Die Debatte drehte sich auch damals schon um den schlechten Einfluss der Texte auf junge Menschen.

Debatten um die Indizierung von Alben sind heute weniger wichtig. Trotzdem gibt es politische Akteure, die Regelungen wie in Spanien oder Großbritannien wahrscheinlich begrüßen würden. Die AfD hat dabei ganz besonders K.I.Z auf dem Schirm, wie die aktuelle Single von Nico, Tarek und Maxim belegt. Sie beginnt mit einem Ausschnitt aus der Rede des AfD-Bundestagsabgeordneten Bernd Baumann von 2018, in der er die Texte von K.I.Z als »gewaltverherrlichend«, »deutschfeindlich« und »christenfeindlich« bezeichnet. Er fordert dazu eine Rechtfertigung von Bundespräsident Steinmeier, warum er die Veranstaltung »Wir sind mehr« in Chemnitz samt Auftritt von K.I.Z besucht hat. Auch das Video zu Tareks Solosong »Nach wie vor«, in dem AfD-Politiker*innen in einem fiktiven Szenario getötet werden, hätte die Partei wohl lieber löschen lassen, wie der anschließende Shitstorm gezeigt hat.

Die Kunstfreiheit bleibt ein wichtiges Gut und man sollte den Versuchen, politische Botschaften in Musik zu beschränken, entgegentreten. In Spanien zeigt sich, wie Rap mit politischem Aktivismus zusammenwirken kann und deshalb bekämpft wird. In England wird Drill zum Sündenbock für soziale Probleme erklärt, während strukturelle Benachteiligungen im Kapitalismus und Rassismus bei der Polizei zum Nebenthema werden. In Deutschland sitzt eine rechte Partei im Bundestag, die es wert ist gehasst zu werden. Rap sollte das weiterhin dürfen.

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