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Jacob Collier: Meister in jeder Hinsicht

Frankfurt ⋅ „Ausnahmetalent", „Genie", „Wunderkind" - das sind vermutlich die am häufigsten genannten Attribute, um Jacob Collier zu beschreiben. Die Biographie des gerade einmal 27 Jahre alten Musikers besteht aus Superlativen: Für jedes seiner ersten vier Alben gewann er einen Grammy. Bereits vor zehn Jahren startete er auf Youtube durch, sang solo A-cappella-Songs und coverte unter anderem Stevie Wonders „Don't You Worry 'bout a Thing". Schon bald zog er die Aufmerksamkeit des berühmten Musikproduzenten Quincy Jones auf sich, der ihn daraufhin förderte. Collier erhielt 2017 den ersten Grammy für sein Debütalbum „In My Room". Er hatte es ausschließlich in seinem Londoner Elternhaus produziert - genauer gesagt: „in seinem Zimmer".

Nach drei Monaten Tournee durch die USA und Großbritannien betritt Collier die Bühne der Batschkapp. Es ist der 52. Auftritt der „Djesse World Tour" und sein erstes Mal in Frankfurt, wie er in überraschend gutem Deutsch zugibt. Allerspätestens jetzt hat der Brite das Publikum auf seiner Seite. Und dann beginnt er endgültig, die Kontrolle über den Raum zu übernehmen: Collier leitet die Menschenmenge hin zu Harmonien, die Spannung und pure Vorfreude erzeugen. Minutenlanger Gesang, die Summe aller anwesenden Stimmen. Manche zittern aufgrund der körperlichen Anstrengung.

Komplexe Klangbilder, ergreifende Melodien

Auf einmal lässt der provisorische Dirigent die Arme fallen: Hunderte verstummen. Die Band setzt ein - mit Bass, Schlagzeug, Keyboard, Gitarre und Gesang. Und natürlich Collier, der an diesem Abend zwischen Gesang, Flügel, Keyboard, Bass, Kontrabass, Gitarre und Percussion hin und her springt. Besonders hervorzuheben ist Sängerin Alita Moses: Ihre gefühlvolle Stimme verleiht jedem Stück zusätzliche Kraft und stellt das ideale Pendant zu Collier dar. Der Multiinstrumentalist spielt auf dem Flügel eine Komposition mit kurzen, aber pointierten Anklängen der deutschen Nationalhymne. Wohl wissend um die musikalische Intelligenz und den situativen Witz des jungen Künstlers, können sich viele im Publikum ein spontanes Grinsen nicht verkneifen.

Colliers Musik zeichnet sich durch komplexe Klangbilder, ergreifende Melodien, synkopierte Rhythmen und brillante Intonationen aus, ist dadurch aber nur schwer in Worte zu fassen - vor allem sein Gesang: manchmal unverfälscht, an anderer Stelle über Effekte und eine Loop-Station bearbeitet oder durch eine „Vocal-Harmonizer-Machine" mehrstimmig aufbereitet. Die Übergänge zwischen Jazz, Funk, Soul und R 'n' B sind dabei fließend.

Mit seinen Fans interagiert Collier voller Respekt und auf einem hohen Niveau. Nachdem er allen den Refrain und Rhythmus vorgegeben hat, steigen die Sängerinnen, der Bassist und Schlagzeuger ein. Collier eilt zurück an den Flügel, das Stück gewinnt an Dynamik - zusätzlich unterstützt durch die Stimmkraft des Publikums: In jedem vierten Takt erklingt ein geballtes „You Are All I Need". Tonhöhe und Tempo sind exakt - kein Wunder bei diesem Meister.

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