Bis zu 30 Millionen Tonnen Kunststoff landen jährlich weltweit im Meer laden - davon in Europa allein 3,4 bis 5,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Diese Kunststoffe bedrohen zunehmend die Meeresökosysteme, warnt das Umweltbundeamt. Erst kürzlich haben Wissenschaftler der Universität Kalifornien, in einer Metastudie ermittelt, das bis 2050 etwa 99 Prozent aller Seevögel-Arten Kunststoffpartikel über die Nahrung aufgenommen haben. In ihre Auswertung bezogen die Studienautoren Analysen ein, die zwischen 1962 und 2012 veröffentlicht wurden.
Demnach haben schon heute mehr als zwei Drittel aller Seevögel Kunststoff gefressen. Höchst problematisch ist auch der Zereibungsprozess großer Plastikteile. Was das Mikroplastik mit in der Umwelt und der Nahrungskette anrichten, ist längst nicht abzusehen - aber in ersten Andeutungen bereits erkennbar. Geologen fanden etwa an den Stränden Hawaiis vor einigen Jahren eine neue Gesteinsformation, deren Bestandteile Feststoffe vulkanischen Ursprungs, Sand, Muscheln und Kunststoffe sind. Die Entdecker nannte das Material Plastiglomerate. Von dem ganz offensichtlichen Problem, den verschmutzen Stränden und dem Wasser, bewegt sich die Welt inzwischen auf ganz neue Risiken zu.
Wenn also der deutsche Sportartikelhersteller Adidas meldet, dass er Plastikabfall aus den Meeren fischen und daraus künftig neue Produkte herstellen will, scheint das eigentlich eine gute Nachricht.
Das Konzept: Der Plastikmüll wird von Meeresschutzorganisationen eingesammelt. An Land wird der Müll geschreddert und zu Fasern verarbeitet. In Verbindung mit Baumwolle und Nylon lässt sich daraus ein Garn herstellen, aus dem neue Textilien hergestellt werden können. 2016 sollen nach Angaben des Unternehmens die ersten Produkte wie T-Shirts oder Sporthosen in den Läden erhältlich sein. Adidas ist damit kein Vorreiter: bereits 2014 brachtet der niederländische Kleidungshersteller G-Star eine Jeans-Kollektion heraus, die auch aus Fasern aus Meeresplastik besteht. Vorzeigegesicht der viel beachteten Kampagne ist der Musikstar Pharell Williams.
Das ist toll, denn das Problem verdient jede Aufmerksamkeit die es kriegen kann. Noch viel toller als aus Meeresplastik Schuhe und Jeans zu produzieren, wäre es allerdings, wenn der Müll erst gar nicht mühsam aus dem Wasser gefischt werden müsste.
Echte Produktverantwortung sieht anders ausDazu müssten Unternehmen erstens dazu beitragen, dass ihre Produkte nach Ende der Lebensdauer zuverlässig wieder eingesammelt werden. Das ist insbesondere in solchen Ländern wichtig, in denen die Abfallwirtschaft deutlich weniger funktioniert als in Deutschland oder überhaupt nicht existent ist.
Zweitens ist ein cleveres Produktdesign elementar. Denn die meisten Kunststoffe lassen sich eigentlich sehr gut recyceln, dazu müssen sie aber möglichst sortenrein und sauber erfasst werden. Turnschuhe wie die von Adidas, bestehen aus diversen Materialien und vielen verschiedenen, eng verpressten Kunststoffschichten. So etwas lässt sich schlicht nicht recyceln, weil sich die Materialien gar nicht mehr voneinander trennen lassen.
Die Praxis zeigt auch: nur weil etwas theoretisch wiederverwertbar ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch getan wird. Deswegen müssen sich Unternehmen verpflichten, recycelte Rohstoffe in signifikanten Mengen zu verwenden, damit hier ein echter Markt entsteht.
In diesen Punkt haben insbesondere Großkonzerne wie Adidas eine große Verantwortung. Würden Begriffe wie Herstellerverantwortung und Ökodesign ernst genommen und in der Unternehmenskultur gelebt werden, würde eine sehr große Menge Plastik gar nicht erst ins Meer gelangen. Für die gute PR ein bisschen Plastik aus den Meeren zu fischen, wird das Problem nicht lösen. Eine echte Kreislaufwirtschaft führt nicht über den Umweg Ozean.