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Dorf ist stolz auf den Photovoltaik-Hof

Der ehemals landwirtschaftlich genutzte Hof im Taubertal stand zum Verkauf. Wie vielen anderen Objekten in schrumpfenden Dörfern drohte ihm der Abriss. Die Bauherrin Martina Klärle wohnt in der direkten Nachbarschaft. Als Professorin für Landmanagement ist sie bekannt für ihre Arbeiten zu Standortfragen im Bereich der erneuerbaren Energien. Wie ihr Bruder, der Architekt des Projektes Rolf Klärle, ist sie in der Nähe aufgewachsen. "Unser gemeinsames Ziel war es, den Hof behutsam und ressourcenschonend umzunutzen und wieder mit Leben zu füllen", sagt Rolf Klärle.

Ein besonderes Augenmerk bei der Sanierung lag auf dem Energiekonzept. Die bestehenden Gebäude wurden grundlegend saniert und die Gebäudehüllen wärmegedämmt, um den Energiebedarf so niedrig wie möglich zu halten.

Die Grundversorgung mit Wärme erfolgt über eine zentrale Grundwasserwärmepumpe, für die der ehemalige Wasserbrunnen des Hofes wieder aktiviert werden konnte und der jetzt, wie früher, eine zentrale Rolle auf dem Hof einnimmt. Über ein Nahwärmenetz werden die einzelnen Gebäudeteile mit der Wärme versorgt. Eine intelligente Regelungstechnik bewirkt eine um etwa15 bis 20 Prozent günstigere Ausnutzung der Heizenergie gegenüber einer konventionellen Regelung. Das Bürogebäude ist mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Die Büroräume können im Sommer auch gekühlt werden.

Konventionelle Module ästhetisch verbaut

Auf den großen Dachflächen der Scheune, Remise und des Bauernhauses wurden vollflächig 550 Quadratmeter PV-Module angebracht. Damit habe man zeigen wollen, dass gerade die in kleinen Ortschaften oft brach liegenden großen Dachflächen von Scheunen sinnvoll zur Energiegewinnung genutzt werden können, so die Bauherren.

Zum Einsatz kamen konventionelle Aufdach-Module, die aber nach besonderen Kriterien verbaut wurden. "Wir haben lange recherchiert, um mit kosteneffizienten verfügbaren Materialien eine schöne Ästhetik zu erzielen", sagt Architekt Rolf Klärle. Die Lackierung der Modulrahmen erzielt eine besondere Wirkung. Die beim Übergang der unterschiedlichen Dächer partiell entstehenden Restflächen sind mit farblich angepassten Blechen harmonisch ergänzt.

Die Solarflächen erzeugen den gesamten Strombedarf des Hofes und darüber hinaus noch einen deutlichen Überschuss, der ins Stromnetz eingespeist wird. Zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge stehen den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung.

Viele Materialien wurden wiederverwertet

Um den Anteil der grauen Energie möglichst niedrig zu halten und die Authentizität des Hofes zu bewahren, wurden viele vorhandenen Materialien wiederverwendet, darunter Kopfsteinpflaster, Altholz für Holzreparaturen, Natursteine, Treppenstufen, alte Rahmen und Türen. Die Dämmung aus Zellulose wurden außen auf die Fassaden aufgebracht. Die vorhandenen Natursteinfüllungen des Fachwerkes, Lehmfüllungen der Decken und die Kellergewölbe fungieren als wärme- und feuchteregulierende Massenspeicher.

Beim Projekt "Hof 8" sei eine selbstbewusste Sanierungsmaßnahme mit einem integralen Energiekonzept für den Plusenergie-Gebäudekomplex gelungen, heißt es in der Würdigung des Solarenergieförderverein Bayern. Die Arbeit setze für eine nachhaltige Weiterentwicklung des ländlichen Raums wertvolle Impulse und zeige, dass Photovoltaik zu einem ganz selbstverständlichen Baumaterial einer Gebäudesanierung werden könne. Die Kombination mit bestehendem Bruchsteinmauerwerk und neuen Holzfassaden verdeutliche die gestalterischen Potenziale marktüblicher Solartechnik.

Rolf Klärle freut sich über diese Anerkennung, mehr jedoch noch über die Resonanz der Bevölkerung vor Ort: "Es gab zu Baubeginn sehr viel Skepsis. Das hat sich seit der Fertigstellung sehr gewandelt. Der Ort identifiziert sich mit dem Projekt, er ist ein beliebtes Ausflugsziel und wird Besuchern stolz vorgeführt."

Zwei Anerkennungspreise für Hamburg und Kopenhagen

Die Jury des Solarenergieförderverein Bayern vergab beim diesjährigen Wettbewerb zudem zwei Anerkennungspreise, dotiert mit jeweils 5000 Euro. Sie gingen an das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt am Main der HHS Architekten + Planer und EGS-plan. Das Aktiv-Haus sei ein herausragendes Projekt mit Pilotcharakter im verdichteten, innerstädtischen Umfeld mit einem ambitionierten Energiekonzept, so die Jury.

Die Copenhagen International School der Planungsgemeinschaft C. F. Møller Architects und ECIS), ein ein Neubau im Hafengebiet von Kopenhagen, wurde aufgrund seiner neuartigen farbigen Solarfassade geehrt.

Die besten Beiträge zur Gestaltung gebäudeintegrierter Solaranlagen und qualitativ anspruchsvoller Solararchitektur der über hundert Einreichungen aus aller Welt hat der Solarenergieförderverein Bayern zu einer Wanderausstellung zusammengestellt, die bei der Organisation kostenfrei ausleihbar ist. von Daniela Becker

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