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Speicher auf Tauchstation

In den letzten Jahren ist die Offshore-Windenergie durchstartet. Allein in der Nordsee, der Ostsee und der Irischen See gibt es mittlerweile mehr als 3 300 Anlagen. Das ist erfreulich für die Bilanz der Erneuerbaren, doch macht auch ein neues Problem auf. Denn bislang ist es schwierig, Strom, der nicht direkt verbraucht wird, zu speichern. Das kann zu gefährlichen Schwankungen im Netz führen- oder führt dazu, dass die erzeugte Energie sinnlos verpufft. Die große Frage lautet: Wohin also mit all dem Strom, der von den großen Windrädern draußen auf dem Meer produziert wird?

Ab damit in die Kugel, meinen Forscher des Fraunhofer Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik Kassel (IWES). Konkret planen die Wissenschaftler riesige runde Behälter aus Beton auf dem Meeresboden zu versenken, um dort Energie zu speichern.

Das funktioniert ähnlich einem konventionellen Pumpspeicherwerk: Die überschüssige Energie von Windrädern auf See soll dazu genutzt werden, die zunächst mit Wasser gefüllte Kugel leer zu pumpen. Besteht Bedarf an Strom lässt man das Wasser wieder einströmen, das dann eine Turbine antreibt und auf diese Weise Strom erzeugt. Per Kabelverbindung wird die Energie ans Festland zu den Verbrauchern gebracht.

Von wegen Aprilscherz

Anekdote am Rande: Als das Konzept das erste Mal in der Tageszeitung FAZ vorgestellt wurde - zufällig am 1.4.2011 - hielten viele Leser das Ganze für einen Aprilscherz. Doch von wegen: In einem vierwöchigen Modellversuch im Bodensee konnten die Wissenschaftler Ende letzten Jahres nun das neuartige Speicherprinzips erfolgreich testen. „Es hat genau so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben", sagt Projektleiter Matthias Puchta.

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Die Kugel im Bodensee hatte einen Durchmesser von drei Metern und eine Wanddicke von 30 Zentimeter - genug um bei einer Wassertiefe von 100 Metern den Auftrieb zu kompensieren. In der Praxis soll die Kugel etwa zehnmal größer sein und idealerweise zwischen 600 und 800 Meter am Meeresboden versenkt werden. „Die Speicherkapazität steigt bei gleichem Volumen linear mit der Wassertiefe und beträgt für eine 30-Meter-Kugel bei 700 Metern ungefähr 20 Megawattstunden", erklärt IWES-Bereichsleiter Jochen Bard, der seit vielen Jahren national und international auf dem Gebiet der Meeresenergie forscht. Für die große Kugel rechnen die Forscher mit einem Wirkungsgrad, der mit konventionellen Pumpspeichern vergleichbar ist, also zwischen 75 und 80 Prozent bei konkurrenzfähiger Wirtschaftlichkeit.

Vergleichsweise umweltfreundlich

Ganz sanft ist der Eingriff in die Umwelt durch die Kugel natürlich nicht, aber im Vergleich zu konventionellen Pumpspeichern, deren Bau stets massive Einschnitte in die Landschaft bedeuten, wird wesentlich weniger Land verbraucht. Die Technologie an sich setzt im wesentlichen Beton, Stahl für die Pumpturbine und ein elektrisches Kabel ein, was alles erstmal keine umweltgefährdenden Stoffe sind - ganz anders als die Materialien, die bei vielen anderen Speichertechnologien verwendet werden. Damit keine Fische oder sonstige Tiere angesaugt werden, haben sich die Wissenschaftler nach eigenen Angaben eine spezielle Technik für den Wasserein- und auslaß einfallen lassen.

Derzeit werden die Daten aus dem Pilotversuch ausgewertet, um damit die entwickelten Computermodelle weiter zu verbessern. In einem Folgeprojekt wollen die Forscher eine größere Kugel im Meer realisieren und längerfristige Tests fahren. Dazu müssen zunächst anhand der Ergebnisse vom Bodensee mögliche Standorte genauer bewertet werden, etwa in Südeuropa oder auch in Norwegen. Mit der Durchführung eines solchen Tests im Meer sei in etwa drei bis fünf Jahren zu rechnen, so das IWES.

Neben der Finanzierung der weiteren Entwicklung besteht die Herausforderung auch darin, wie man eine 30 Meter große Kugel gießt und auslegt. In diesem großen Maßstab wurde das bisher nämlich noch nie gemacht. Eine weitere Herausforderung ist auch die Pumpturbine. Diese muss extra für das Projekt entworfen werden.

Sollte dies gelingen, könnte die Betonkugel die weltweite Energiewende ein großes Stück voranbringen. Denn natürlich muss nicht zwingend Strom aus Offshore-Windkraftanlagen gespeichert werden. Denkbar ist auch dass man solche Systeme an geeigneten Standorten in der Nähe vom Festland als reinen Speicher einsetzt. Das weltweite Speicherpotenzial ist enorm groß.

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