2 Abos und 4 Abonnenten
Artikel

So sozial kann Zeitarbeit sein

Die Bilder der Münchner, die vor rund einem Jahr am Hauptbahnhof Geflüchtete mit Applaus und Sachspenden herzlich willkommen hießen, gingen um die Welt. Hunderte Ehrenamtliche fanden sich spontan zusammen, versorgten die Angekommenen mit dem Notwendigsten und betreuten die Menschen in schnell errichtenden Notunterkünften. Eine dieser freiwilligen Helfer war Zarah Bruhn. „Die Ersthilfe hat toll funktioniert, aber nun geht es darum den Geflüchteten eine langfristige Perspektive zu geben", meint die 25-Jährige.

Sie spricht von der Integration der Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt und das funktioniert momentan nicht besonders gut. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist keineswegs zufrieden mit der Situation und forderte bereits die Vorstandschefs der wichtigsten deutschen Konzerne auf, mehr Geflüchtete einzustellen.

Viele Geflüchtete rutschen in die Arbeitslosigkeit

Bruhn schätzt, dass alleine im Großraum München rund 80 Prozent aller Geflüchteten aktuell in die Langzeitarbeitslosigkeit rutschen. Geringqualifizierte sind besonders betroffen. Die fehlenden schulischen und beruflichen Referenzen sowie Sprachbarrieren erschweren es, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Denn nach dem Integrations- oder Sprachkurs erreichen Geflüchtete meist nur Deutsch auf dem Niveau A2 oder B1. Für den Start einer Ausbildung oder qualifizierten Anstellung wird jedoch in der Regel Deutsch auf Level B2 vorausgesetzt.

Hier will Bruhn ansetzen. Anfang des Jahres gründete sie gemeinsam mit Maximilian Felsner die Zeitarbeitsfirma Social Bee, die als Vermittlungsstelle zwischen Geflüchteten und Wirtschaft fungieren will.

Das Zeitarbeitsmodell wurde von den beiden Mittzwanzigern bewusst gewählt. „Wir wissen natürlich um den schlechten Ruf der Branche. Aber das Modell ist in Deutschland etabliert und erlaubt uns, unkompliziert und ohne großen Aufwand für den Arbeitgeber Geflüchtete zu vermitteln", sagt Bruhn. Das bedeutet konkret, dass die Bewerber direkt bei Social Bee fest angestellt sind. Die Zeitarbeitsfirma übernimmt den kompletten Auswahlprozess sowie den gesamten Papierkram, veranstaltet Workshops zur hiesigen Arbeitskultur und Sprachtrainings und bereitet die Geflüchtete individuell auf die zu besetzende Stelle vor. „Auf diese Weise bauen wir möglichst viele Hemmnisse bei Unternehmen ab und machen Integration auf Unternehmensseite einfach realisierbar", sagt Bruhn. Bei der Vermittlung konzentriert sich Social Bee im Moment vor allem auf die Bereiche Lager und Logistik. „Die Anforderungen sind dort vergleichsweise niedrig und stellen daher eine geeignete Einstiegsmöglichkeit für Geflüchtete mit geringen Sprachkenntnissen dar", sagt Bruhn.

Essens-Lieferant Foodora ist begeistert

Mehrere Arbeitswillige konnte Social Bee auf diese Weise zum Beispiel an den Essen-Lieferservice Foodora vermitteln. „Wir wollten bewusst mit Geflüchteten arbeiten, haben aber gemerkt, dass wir als relativ junges Unternehmen selbst nicht die Kapazitäten haben, entsprechend auf diese Menschen einzugehen. Social Bee hat die potenziellen Kandidaten sehr genau auf unser Profil hin ausgewählt und vorbereitet", sagt Andreas Matena, Operations Manager bei dem Fahrrad-Lieferdienst. So wurde etwa im Vorfeld geprüft, ob die Kandidaten ausreichend gut Fahrradfahren können. „Wir sind sehr zufrieden und können uns absolut vorstellen, weitere Mitarbeiter auf diese Weise zu einzustellen", sagt Matena.

Zeitarbeit als Sprungbrett

Social Bee bezahlt seine Angestellte nach Tarif, der in diesem Bereich bei etwas über neun Euro pro Stunde liegt; Trinkgelder können noch dazu kommen. Reich wird man als Essenslieferant also nicht, doch das ist auch nicht das Ziel. „Bei diesen Arbeiten können die Geflüchteten zeigen, welch große Motivation sie mitbringen und welches Potenzial in ihnen steckt. Sie sammeln Arbeitserfahrungen und Referenzen und können ihr Deutsch weiter verbessern. Unser Ziel ist aber, dass unsere Mitarbeiter nicht auf Dauer Hilfsarbeiter bleiben", sagt Bruhn.

Deswegen unterstützt das Sozialunternehmen die Entwicklung seiner Mitarbeiter aktiv, um sie nach spätestens anderthalb Jahren in eine Ausbildung oder Festanstellung zu vermitteln. Geboten werden den Mitarbeitern wöchentliche Sprachkurse, Bewerbungstrainings, berufsbezogene Workshops und Teilqualifikationen. Zudem stellt Social Bee den Geflüchteten durchgehend Sozialpädagogen zur Seite und organisiert wöchentliche gemeinsame Kultur- und Freizeitaktivitäten. Bislang haben Zarah Bruhn und Maximilian Felsner die Entwicklung ihres Start-ups komplett aus eigener Tasche und mit der Hilfe von Freunden finanziert. Die nächsten Schritte, um das Projekt langfristig zu sichern, seien bereits in Planung. Momentan sei sie vor allem damit beschäftigt, das Projekt auf weitere Städte auszuweiten, neue Arbeitgeber zu gewinnen und Industrie- und Handelskammern und Ämter einzubinden, sagt Bruhn. „Wir bekommen sehr viel positive Rückmeldungen", sagt Bruhn. Darunter befänden sich auch große DAX-Unternehmen - also genau die Arbeitgeber, von denen die Bundeskanzlerin mehr Engagement einfordert.

Zum Original