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Track your trash: Wie ein Start-up Recycling transparent machen will - WiWo Green

Seit Ende Oktober gilt das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz in Deutschland. Alle großen Händler, die über eine Verkaufs- oder Lagerfläche von mehr als 400 Quadratmetern für Elektrogeräte verfügen, müssen nun Altgeräte zurücknehmen - zuvor war die Rücknahme freiwillig.

Mit der neuen Regelung sorge die Bundesregierung dafür, dass „in Zukunft noch weniger alte Elektro- und Elektronikgeräte im Restmüll landen als bisher", erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Das schaffe einen erheblichen Logistikaufwand, der kaum zu bewältigen sei, klagt die Branche. Es schafft aber auch Geschäftsideen, wie das Beispiel von Martin Jaehnert zeigt.

Track your Trash

Sein Start-up Binee hat eine „smarte Tonne" entwickelt, mit der das Einsammeln vereinfacht und der Bürger für sein Engagement belohnt werden soll. Denn anders als Hendricks suggeriert, landet bislang ziemlich viel E-Schrott, insbesondere viele Kleingeräte wie elektrische Zahnbürsten, Föns oder Toaster, im Restmüll anstatt ordnungsgemäß recycelt zu werden. Auf diese Weise gehen der deutschen Wirtschaft viele Rohstoffe verloren und die Umwelt wird unnötig belastet.

Gründe für das Fehlverhalten gibt es viele. „Manchen Verbraucher ist der Weg zum Wertstoffhof zu weit, oder er weiß einfach nicht, dass Elektronikabfälle getrennt werden sollen", sagt Martin Jaehnert, der im Vorfeld der Unternehmensgründung eine umfangreiche Befragung durchgeführt hat. Dazu komme: Viel Vertrauen in die Entsorgungswirtschaft haben die Deutschen offenbar nicht. „Viele haben Bedenken, nach dem Motto: Wer sagt mir, dass mein Elektrogerät nicht irgendwo auf einer Müllhalde in Afrika landet?", sagt Jaehnert.

Keine unbegründete Sorge, denn tatsächlich verschwindet bislang ein nicht geringer Teil der rund 700.000 Tonnen Elektroschrott, die jährlich alleine in Deutschland anfallen, über dunkle Kanäle im Ausland. Etwa in Agbogbloshie nahe Accra im westafrikanischen Ghana, wo auf der größten Müllkippe der Welt illegal aus Europa eingeführter E-Schrott unter extrem gesundheitsgefährdeten Bedingungen zerlegt wird. Entsorgt der Bürger sein Gerät über die smarte Tonne von Binee, kann er jedoch genau nachvollziehen, wo sein Abfall recycelt wird, so das Versprechen.

Mit dem Elektroschrott durch die Welt

Die Tonne, die beim Elektrohändler bereitgestellt wird, lässt sich mit einer Chipkarten öffnen. Beim Einwurf wird das eingeworfene Elektroaltgerät - nur das Gerät, nicht der Kunde, wie Jähnert betont - von einer in der Tonne integrierten Kamera abgefilmt, automatisch erkannt und schließlich noch in der Tonne gewogen. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass keine falschen Materialien eingeworfen werden. Im Anschluss erhält der Verbraucher für seinen Einsatz einen Gutschein, den er beim Neukauf eines Geräts einlösen kann.

Gekoppelt ist die Tonne mit einer App, über die der Benutzer Informationen zum Recycling von Elektro erhält. Die wichtigste Funktion der App ist aber die Nachverfolgung. Ähnlich wie bei einem Trackingservice für Pakete kann der Verbraucher den Inhalt der Tonne, in die er sein Gerät geworfen hat, über die verschiedenen Stationen des Einsammelns und Verwertens nachverfolgen. „Auf diese Weise kann man sich selbst überzeugen, dass das Gerät eben nicht außer Landes geschafft, sondern fachgerecht in Deutschland recycelt wird", sagt Jaehnert.

Dies sei ein großes Plus gegenüber den bisherigen Rücknahmemodellen, meint der Binee-Gründer. Mit seinem transparenten Vorgehen könne der Händler zeigen, dass er sich seiner Verantwortung gegenüber der umweltgerechten Entsorgung seiner verkauften Produkte stellt. Mit dem Bonussystem werde außerdem eine Kundenbindung und ein Kaufanreiz direkt vor Ort geschaffen. Und: Das Verwertungsunternehmen erhält einen reinen Stoffstrom, was Grundlage für ein hochwertiges Recycling ist. Für die Idee hat Binee gerade 50.000 Euro bei dem Start-up-Preis „Speed Up Europe" gewonnen.

Pilotprojekt startet in Oldenburg

In vielen Elektrogeräten sind wertvolle Rohstoffe wie Silber und Gold enthalten. Binee will an der Wertschöpfungskette des Recyclings mitverdienen. Ob dieses Geschäftsmodell trägt, muss sich zeigen, denn die Rückgewinnung ist oft aufwendig und teuer. Das Beispiel Handy zeigt, dass es bislang sehr schwer ist, Kleingeräte in signifikanten Mengen einzusammeln und lukrativ zu verwerten.

Im Dezember soll nun ein Pilotprojekt mit zunächst drei smarten Tonnen in Oldenburg beginnen. Bewährt sich die Versuchsphase, will Binee weitere Tonnen rasch über Deutschland verteilen.

Binee-Gründer Martin Jaehnert ist in Gedanken schon ein paar Schritte weiter. Langfristig könne er sich vorstellen, das Modell auf Kunststoffe oder Metalle auszuweiten. „Meine Idealvorstellung ist: Ich entsorge zum Beispiel eine Coladose und nach einigen Monaten schickt mir mein Handy eine Nachricht, dass meine recycelte Dose in einem neuen Auto steckt."

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