Daniel Urban

Wort & Ton, Frankfurt am Main

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Hanna Schygulla im Filmmuseum

Wer über Hanna Schygulla spricht, dem ist es in der Regel kaum möglich über den Regisseur Rainer Werner Fassbinder zu schweigen. Nicht, dass die Karriere wie auch das Leben der „Muse des deutschen Autorenkinos" (Die Welt) nicht interessant genug wäre, Wunderkind und Berserker Fassbinder wirft jedoch einen großen Schatten und stellt so nahezu automatisch auch immer einen gewissen Rahmen für die Beschäftigung mit Hanna Schygulla dar.

Schygulla, am 25. Dezember 1943 in Königshütte geboren, zählt von Beginn an zum engeren Kreis der sogenannten Fassbinder-Gruppe. Fassbinder lernt sie 1963 zufällig in einer Schauspielschule kennen und ist gleich so von ihr eingenommen, dass er sie kurzerhand zum zukünftigen Star seiner weiteren Arbeiten erklärt. Nach dem Ende des Action-Theater, in dem beide mitgewirkt hatten, gründen sie 1968 gemeinsam mit Peer Raben und Kurt Raab das „antitheater", jenes Gegenmodell zum Staatstheater, mit dem Fassbinder eigene Stücke realisiert und ein Ensemble formt, welches ab 1969 auch in all seinen Filmen mitspielt. Zwischen Fassbinder und Schygulla besteht ein besonderes Band und so gehört sie zu den wenigen aus der Gründungsgruppe, die nicht unter den unterdrückerischen Machtspielen und despotischen Ausbrüchen des enfant terrible zu leiden hat. 1974, nach über zehn gemeinsamen Filmen und diversen Theaterproduktionen, kommt es vorübergehend zum Bruch zwischen beiden, bis die Schauspielerin und Sängerin 1978 in „Die Ehe der Maria Braun" wieder für Fassbinder vor der Kamera steht.

Kurz vor ihrem 70. Geburtstag im Dezember erschien nun Hanna Schygullas Autobiographie „Wach auf und träume", in der sie offenherzig und unaufgeregt ihr bisheriges Leben resümiert: Beginnend mit der Geburt, die der Arzt - wie sie später erfährt ein Assistent von Joseph Mengele in Auschwitz - mit einer Spritze verzögert, da er nicht am Heiligen Abend entbinden will. Die Kindheit, die enge Bindung zur Mutter sowie die Distanziertheit zu ihrem Vater, der 1948 seelisch zerstört und unfähig zu einer emotionalen Bindung aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und nach wie vor Hitler verehrt. Der Beziehung mit Fassbinder bleibt der erste und größte Teil der Autobiographie vorenthalten. Der zweite Teil beschreibt ihr Leben in Paris, Arbeit und Freundschaften und ihre lange Beziehung mit dem Autor Jean-Claude Carrière, der ihr den sehnlichsten Wunsch - ein Kind - verwehrt, sie später für eine Jüngere verlässt und doch noch Vater wird.

Anfang des Jahres zog es Hanna Schygulla nach gut 32 Jahren von der französischen Hauptstadt weg nach Berlin, wo sie aktuell in einer Wohngemeinschaft lebt. Seit dem 01. Februar stellt die Berliner Akademie der Künste eine kleine Werkschau mit Film- und Videoarbeiten von Hanna Schygulla aus, von denen eine Auswahl nun auch im Filmmuseum zu sehen sein wird. In den späten 70er-Jahren war eigentlich eine Zusammenarbeit mit Fassbinder geplant, bei der sie nicht vor sondern hinter der Kamera agieren sollte. Aufgrund des Selbstmords Armin Meiers, von dem sich Fassbinder kurz zuvor getrennt hatte, zog sich der Regisseur jedoch aus dem Projekt zurück und so verfilmte die Schauspielerin ihre Idee alleine, ohne jegliche Kamera- oder Regieassistenz. Erst 2002, anlässlich einer Retrospektive in der New Yorker MoMA, holte sie das Material wieder hervor und verarbeitete es weiter. Die Kurzfilme sind Nachstellungen ihrer eigenen Träume, welche sie zuvor in ihren „Traumprotokollen" schriftlich festgehalten hatte.

Die Veranstaltung ist in die aktuelle Sonderausstellung „ Fassbinder JETZT" eingebettet, welche noch bis zum 1. Juni im Filmmuseum zu sehen ist. In dieser werden Filmausschnitte aus Fassbinders Werk mit Videoarbeiten zeitgenössischer Künstler in Verbindung gesetzt und so der Einfluss des deutschen Autorenfilmers sowohl auf formaler als auch inhaltlicher Ebene aufgezeigt und verständlich gemacht. Text: Daniel Urban

Veranstaltungsdetails: HANNA SCHYGULLA ZU GAST im Filmmuseum Frankfurt: Freitag, 21.02., 20:15 Uhr Hanna Schygulla besucht am Freitag, 21. Februar, das Deutsche Filmmuseum. Sie liest aus ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie "Wach auf und träume", spricht über ihre Arbeit mit Fassbinder und präsentiert eine Auswahl eigener Videoarbeiten, darunter die Videos „Schwester" und „Kinotraum".

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