Dana Neumann

Online-Redakteurin, Berlin

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Artikel

Chinas Frauen sind besessen von vier virtuellen Männern

Junge Chinesinnen geben gegenwärtig Millionenbeträge dafür aus, ein Spiel namens "Love and Producer" zu spielen. Der Dating-Simulator zieht täglich zwei Millionen Userinnen an.

Weshalb einen realen Freund haben, wenn es auch vier virtuelle Freunde sein können? In China scheint dieses Konzept seit Dezember unter jungen Frauen Anfang Zwanzig aufzugehen. Der angesagte Dating-Simulator " Love and Producer" wird laut Quartz den Daten des Forschungsunternehmens Jiguang zufolge seit seinem Start im Dezember über zwei Millionen Mal pro Tag frequentiert.

Schon jetzt gehört die App zu den Top-Verdienern im chinesischen App Store. Es wird geschätzt, dass Spielerinnen allein im Januar 2018 mindestens 200 Millionen Yuan (circa 25,5 Millionen Euro) innerhalb des Spiels ausgegeben haben, um ihre Chancen auf eine bessere virtuelle Liebesbeziehung zu steigern.

Die Story von Love and Producer

Wer sich auf Love and Producer einlässt, begibt sich in die Rolle einer Fernseh-Produzentin, die das Unternehmen ihres verstorbenen Vaters retten muss. Der Weg dorthin: die Wiederbelebung eines einstigen TV-Hits UND (natürlich) das Entwickeln romantischer Beziehungen zu vier Mädchenschwärmen.

Li Zeyan: Junger Gründer und CEO, der außen hart, aber innen weich ist Bai Qi: Polizist einer Spezialeinheit, der Frauen immer das Gefühl gibt, beschützt zu sein Xu Mo: Genialer Wissenschaftler mit einem extrem hohen IQ und EQ Zhou Qilou: Pop-Ikone mit liebem, einfühlsamem und unbeschwertem Charakter

Alle vier Helden haben übrigens noch eine spezifische Superkraft, die wahrscheinlich ihr Attraktivitätslevel für die Spielerinnen steigern soll. Li kann beispielsweise die Zeit anhalten, während Bai den Wind kontrolliert und mit dessen Hilfe fliegt. Klar ist in jedem Fall: Sie werden sich in die Protagonistin verlieben. Was den Reiz dabei besonders ausmacht: Die Spielerin muss sich nicht zwischen ihnen entscheiden.

Texten und telefonieren mit den Charakteren

Das Spiel selbst gehört zum interaktiven Spiel-Genre "Visueller Roman", das in den 1990er Jahren in Japan entstanden ist. Spielerinnen müssen dabei nicht viel mehr tun, als ab und an den Bildschirm zu berühren, um die Erzählung voranzutreiben. Entscheidungen, die sie während des Spielverlaufs treffen, beeinflussen die Richtung, in die sich die Story bewegt.

Ein Zusatzfeature: Die virtuellen Freunde melden sich auch per Telefon. Ein integrierter Messenger, der im Grunde genommen wie WeChat aufgebaut ist, dient für die Kommunikation via Textnachrichten. In seltenen Fällen rufen die vier Herren aber auch an. Für diese rare Art der Interaktion wurde eigens eine Rige an renommierten Synchronsprechern angeheuert, die die Stimmen der Charaktere in Chinesisch und Japanisch eingesprochen haben. Ausdrücke wie "meine Ohren sind schwanger" zeugen davon, dass Spielerinnen begeistert sind.

Gleichzeitig kann durch die Einbindung von Interfaces, die Chinesinnen auch im Alltag nutzen, reales Datingverhalten simuliert werden. Damit verschwimmt die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit, was sich wahrscheinlich auch positiv auf die Attraktivität des Games auswirkt.

Junge Chinesinnen haben ein starke Kaufkraft, und die wird ausgenutzt

Der Spitzname des Spiels lautet "Vier wilde Männer, mit denen du dir Dating nicht leisten kannst, egal was du dafür opferst". Er ist nicht nur amüsant, sondern auch sehr bezeichnend, da es zahlreiche Taktiken gibt, Spielerinnen um ihr Geld zu erleichtern.

Wer beispielsweise mit seinen neuen Freunden ausgehen will, benötigt Geld in Form sogenannter "lila Diamanten". In Sachen Liebe ist nichts geschenkt. Auch, um das Studio am Laufen zu halten, können verschiedene "Karten" erworben werden, die beispielsweise die Entscheidungsfindung und Kreativität des Unternehmens erhöhen, oder helfen, qualitativ hochwertige Shows zu produzieren. Zwar erhält die Spielerin Diamanten und Karten auch am Ende jeder erfüllten Mission, wer sich mit realem Geld einkauft, kommt aber deutlich schneller vorwärts. Slogans wie "Ein einmaliges Investment kann dir sechsmal so viele Diamanten einbringen" gehören zum normalen Ton.

Abgesehen von den Monetarisierungsstrategien resultiert der Erfolg des Spiels aber auch aus der Kaufkraft junger Chinesinnen. Für viele chinesische Medienindustrien repräsentieren sie das wertvollste Marktsegment.

Nicht ohne Grund, denn junge Frauen geben nicht mehr nur bei "femininen" Spielen den Ton an. Das ehemals männerdominierte Kampfarena-Spiel "Honor of Kings" von Tencent wird mittlerweile zu 54 Prozent von Frauen gespielt. Anziehend wirken dabei die kurzen Spielabläufe, die geringe Zugangshürde für Frauen, die noch keine Berührungspunkte mit Hardcore-Gaming hatten, und WeChat, das Tencent als Instrument benutzte, um eine diversere Anwenderbasis anzusprechen.

Von Frauen für Frauen

Die Zahl der weiblichen Spieler hat in China in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und beeinflusst jetzt bereits den Spielemarkt. Aber nicht nur vor den Bildschirmen: Hinter Love and Producer steht nämlich Pape Games, ein zu 80 Prozent aus Frauen bestehendes Entwicklerteam. Schon 2015 hat die Firma mit dem Fashion-Game "Miracle Nikki" einen Hit produziert. Spieler müssen darin extravagante Kleidung, Schuhe und Frisuren für die Protagonistin freischalten.

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