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Twindexx-Tests im Zeitplan

Betonteile statt Sitze: Bis zur Inbetriebnahme des kompletten Zuges fehlt die spätere Ausstattung. In der Hennigsdorfer Bombardier-Testhalle wird der erste TwindexxSwiss-Express zurzeit auf Herz und Nieren geprüft.


"Fahrzeug nicht rangierfähig", warnt ein Schild auf der Frontseite des künftigen Twindexx-Express. Die Schweizer Bundesbahn hat ihn und 58 weitere Doppelstockzüge 2010 bestellt. "Die Auftragssumme von rund 1,8 Milliarden Schweizer Franken (1,4 Milliarden Euro) ist die größte Fahrzeugbestellung in deren Geschichte", betonte Katrin Fitschen, zuständig für zentral- und osteuropäische Kommunikation der Bombardier Transportation GmbH. Gebaut werden die Züge in Görlitz, doch getestet werden sie in Hennigsdorf. Zum ersten Mal bat der Bahntechnologie-Marktführer seinen Kunden zur Besichtigung. Ein Komitee aus Fachleuten und Schweizer Journalisten folgte der Einladung.


In der 5 300 Quadratmeter großen Testhalle des größten Bombardier-Testcenters steht bisher allerdings nur die Hülle des ersten Zuges auf dem Mittelgleis. Zusammengestellt wurde er zwischen 27. November und 4. Dezember. Jeder Arbeitsschritt wird dokumentiert und der Zeitplan bis zur Übergabe ist eng. "Die Wagen wurden einzeln vorgetestet, bis zur vollständigen Inbetriebnahme dauert es noch einige Monate", berichtet Standortleiter Ulrich Büttner. Serienprüfungen, Software-Validierungen und Typ- und Zulassungsprüfungen sind zu absolvieren. "Wir liegen im Plan", freut sich Rainer Reich, nach eigenen Worten Bombardier-Urgestein und zuständig für den Bereich "Testing & Quality".


"Am 9. Dezember haben wir zum ersten Mal die Batterie des Achtteilers angeschaltet", sagt Andreas Rauter, Teamleiter der Inbetriebnahme Hennigsdorf. Am 17. Dezember folgte die Computerprüfung, für die rund 80 Komponenten getestet werden mussten. "Seit 18. Dezember weiß das Fahrzeug, was es ist. Die Konfiguration stimmt." Experten nennen diesen Meilenstein der Testphase Zugtaufe. "Das ist immer ein großer Moment." Der nächste Höhepunkt für den IR 200-001 steht für den 21. Januar 2015 im Arbeitsplan. Dann wird der Zug mit 15 kV Fahrdraht ausgestattet. Zwei Wochen später werden die Bremsen in Betrieb genommen. "Eine große Operation", nennt das Andreas Rauter. Ende Februar soll der Twindexx-Express mit einer Geschwindigkeit bis zu hundert Kilometer pro Stunde erstmals aus eigener Kraft fahren. Auf einer externen Teststrecke und mit einer Vakuumtechnik, die verhindert, dass der Zug in der Kurve nach außen gedrückt wird. "Quasi das Gegenteil einer aktiven Neigetechnik." Bis Ende März sollen die Tests am künftigen Schweizer Zug abgeschlossen sein. Dann wird er ins tschechische Velim zu weiteren Tests geschleppt.


Im Inneren des Zuges kommt derzeit noch kein Reisefieber auf. Wo später Sitze montiert werden, liegen Betonklötze. Überall hängen Kabel aus Schächten. Verkleidungen fehlen noch. Nur das Cockpit sieht aus, als könnte der Lokführer sofort starten. Eine Besonderheit des Zuges für den Hochgeschwindigkeitsbereich ist das mit einem Aufzug ausgestattete Bordrestaurant im Obergeschoss, von dem momentan aber noch nichts zu ahnen ist. Da es nicht barrierefrei erreichbar ist, wurde nach Klagen von Schweizer Behindertenverbänden im Untergeschoss ein eigener Speisebereich eingeplant. "Es ist schön, den Zug einmal in voller Länge zu sehen", freut sich Rahel Meile, Mediensprecherin der Schweizer Bundesbahn. Für ein abschließendes Statement sei es aber noch zu früh.



veröffentlicht im Oranienburger und Hennigsdorfer Generalanzeiger vom 20.12.2014

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