Alleinsein kann James Taylor. Sein vielleicht traurigster Song, der über Feuer und Regen, über den Suizid seiner Kindheitsfreundin Suzanne, beklagt „lonely times when I could not find a friend". „Jeder, der James Taylor kannte, wusste, dass er zu gleichen Teilen aus Musik und Isolation bestand", schreibt der Journalist David Browne in seinem Buch „Fire and Rain" über das bewegte Musikjahr 1970. Taylor war bis dahin weitgehend unbekannt. Dann erschien sein zweites Album „Sweet Baby James", darauf besagter Song. Taylor war berühmt.
Jetzt, da alle Welt allein ist, ist Taylor es nicht mehr. Er sitze in Montana fest, aber es könne schlimmer sein. Seine Frau Kim und ihre beiden achtzehn Jahre alten Söhne - „Zwillingen", sagt Taylor in gebrochenem Deutsch - waren im Skiurlaub, als das Land in den Stillstand schlitterte. Seit einem Monat harren sie nun in ihrem abseits gelegenen Häuschen aus. Ursprünglich standen Tourneen mit Bonnie Raitt und Jackson Browne an, letzterer war vor kurzem selbst am Coronavirus erkrankt. „Ein milder Fall", versichert Taylor, er wolle seinen Freund später aber unbedingt noch mal fragen. James Taylor hat jetzt viel Zeit zum Telefonieren.
Wie passt die Abschottung zur Musik? „Alleinsein ist nötig, um ein eigenes musikalisches Vokabular zu entwickeln", sagt Taylor, der jetzt zweiundsiebzig ist. Er meint damit aber sein jüngeres Ich. „Wenn man der beliebteste Kerl der Highschool ist, verbringt man seine Zeit nicht damit, seinen persönlichen Gitarrenstil zu finden. Isolation spielte da eine wichtige Rolle für mich." Der Gitarrenstil: Scharen von akustischen Fingerpickern hat er mit seinen tippelnden Hammer-ons und Pull-offs beeinflusst, diesen eckigen Taylor-Noten, die nur in der linken Hand entstehen und Songs wie „Carolina in My Mind" schon im ersten Akkord signieren. (...)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2020.
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