Cori S. Socaciu

Autorin | Social Entrepreneur | Consultant, Ffm

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Artikel

Marketing auf der Datenautobahn

Automation gibt den Ton an, wenn es um strategische Entscheidungen im Marketing geht. iStockphoto

Im Zuge der Digitalisierung liefert Marketing-Software immer bessere Prozesslösungen. Doch wie hilfreich ist Marketing-Automation und wo gibt es Innovationslücken?

Lange Zeit wurde Marketing-Automation nur im Zusammenhang mit E-Mail-Marketing betrachtet. Doch der Begriff, oft synonym gebraucht mit Marketing 4.0 und IT-Marketing, wird inzwischen viemehr mit Smart Data, Data Mining, Web-Analytics, CRM und dynamic Pricing assoziiert. Neu ist die Bezeichnung allerdings nicht. Laut Gabler-Wirtschaftslexikon lässt sich die erste Erwähnung bis in die 1950er Jahre zurückführen, als Warenautomaten auf den Markt kamen.

Doch obwohl Marketing-Software aus Unternehmensprozessen nicht mehr wegzudenken sind, gibt es auch skeptische Stimmen, die etwa die "unpersönliche Ansprache" in Frage stellen. "Zahlreiche Marketing-Gurus raten von Automation ab", wie Dan Zarrella, Social-Media-Wissenschaftler in einem Webinar von HubSpot zu berichten weiß. Für Zarella liegen die Vorzüge jedoch auf der Hand: Marketing-Professionals können Berichte per Daten-Downloads erstellen statt manuell. Gerade im Bereich der Lead-Generierung hält er Automatisierung für unverzichtbar: "Auf Twitter kenne ich keinen einzigen Nutzer, der ohne prominent oder auf andere Weise in den Medien präsent ist, hohe Follower-Zahlen hat und keine automatisierten Prozesse nutzt."

Marketing ohne Daten ist wie Autofahren mit geschlossenen Augen

Bei der Lead-Generierung im E-Mail- und Social-Media-Marketing rät er Nutzern zu experimentieren. Das ermögliche Rückschlüsse darauf, welche Strategien erfolgreich sind und was die Konversionsrate schmälert. Zarella hebt dabei hervor, dass Marketing-Automation keinesfalls als unpersönliche Kommunikation missverstanden werden sollte. Über die Anwendung der Automationstools für E-Mail und Twitter könne der Versand von Nachrichten und Tweets am Zeitrythmus der Kunden angepasst werden. Gerade im E-Mail-Marketing, ermögliche die Ansprache beim Vornamen, die Nennung der Firma und die Bedienung spezifischer Personalisierungstools eine stärkere Kundennähe, als es beim einfachen Newsletterversand möglich wäre.

Automations-Software liefere präzisere Information darüber, was für Kunden wichtig ist, welche Inhalte eine hohe Konversionsrate haben und erleichtere die Datengenerierung. Nur so können E-Mail zum persönlich passenden Zeitpunkt verschiedene Zielgruppen erreichen und dabei auf ihre jeweiligen Touchpoints abgestimmt sein. "Marketing ohne Daten ist wie Autofahren mit geschlossenen Augen", sagt Zarella. Doch gerade, weil Marketing-Automation es ermöglicht, mit besonders vielen Daten zu arbeiten, sei es wichtig, jeden automatisierten Schritt zu überprüfen und Fehler sofort zu korrigieren. "Sonst kann Chaos entstehen", warnt der Social-Media-Experte.

Autoresponder sichern keine wertschätzende Kommunikation

Dafür liefern die Springer-Autoren Ralf T. Kreutzer und Karl-Heinz Land Beispiele aus der Praxis in ihrem Buch zur digitalen Markenführung, Kapitel "Ziele und Rahmenbedingungen der digitalen Markenführung". Dass programmierte Tweets allein noch kein gutes Kundenmanagement gewährleisten, zeigen die Autoren am Fallbeispiel von American Airlines. Beschwerden, die das Unternehmen über den Kurznachrichtendienst erhielt, beantwortete es mit "Danke für Deine Unterstützung". Auch anhand von automatisierten E-Mails des Sportherstellers Adidas zeigen die Autoren, wie der Einsatz von Marketing-Software misslingen kann: Auf eine Anfrage an die Personalabteilung gibt es lediglich eine automatische Antwort, mit dem Vermerk, dass die Anfrage geprüft wird. Eine in der E-Mail erwähnte spätere Kontaktaufnahme von Seiten des Unternehmens bleibt jedoch aus. (Seite 67 ff.)

"Ein echter Dialog zwischen Kunden und Unternehmen kann durch automatische Antworten [...] nicht entstehen", sagen Kreutzer und Land. Damit widersprechen sie der These Zarellas, wonach individuelle und zeitangepasste Elemente persönliche Nähe zum Kunden schaffen können. Ein wertschätzender Dialog mit einer relevanten Zielgruppe habe demnach anders auszusehen. Kunden hätten eine "Ich-alles-sofort-überall-Erwartungshaltung". Unternehmen müssten daher Strategien zur Echtzeit-Kommunikation entwickeln: "Kunden agieren in Realtime - ist auch die Organisation darauf ausgerichtet, in Realtime zu antworten?"

Kein funktionierender Marketing-Mix

Für viele Unternehmen sei Marketing-Automation derzeit noch ein Lernprozess im Zuge einer dreistufigen Entwicklung der Digitalisierung sagt Jan Ließ in seinem Buch "Die Digitalisierung der Kommunikation im Mittelstand", Kapitel "Marketing 4.0 als Mittelstandskommunikation":

Stufe 1: die grundlegende Digitalisierung Stufe 2: die vernetzte Information und Kommunikation Stufe 3: sowie die Vernetzung von Produkten und Diensten

Dabei bezieht sich der Autor auf eine Studie von KfW/ZEW zum Stand der ditialen Transformation in rund 2000 Unternehmen mit mindestens fünf Mitarbeitern und einen Umsatz unter 500 Millionen Euro aus den Jahren 2015 und 2016. Die erste Stufe meint dabei den Einstieg in die Big-Data-Diskussion und in die Analyse von Massendaten. Die zweite Stufe prägt aus Marketing-Sicht die Marketing-Automation. Die dritte Stufe wird unter dem Stichwort „Industrie 4.0" diskutiert. (Seite 2 ff.)

Derzeit befänden sich viele Unternehmen zwischen der Stufe Zwei, automatisierter Marketing-Prozesse, und letzterer Stufe, der Vernetzung von Produkten und Diensten. Mit der Menschen- und digitalen Prozessorientierung des Marketings 4.0 gerate der Marketing-Mix ins Fadenkreuz. Für eine gelungene Automation müsse "seine Rolle und sein Charakter für das strategische und operative Marketing" erst noch geklärt werden, meint Ließ. Denn bisher würden weder Prozesse noch Menschen oder deren Bedürfnisse im klassischen 4P-Mix - Produkt, Preis, Promotion, Place - einschlägig abgebildet werden.

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