Connie Meyer

Freie Journalistin, München

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Wirtschaftsfaktor Cannabis: Das Milliardengeschäft mit Gras

Immer mehr Staaten lockern ihre Gesetze und legalisieren zumindest teilweise den Anbau und Konsum von Cannabis. Die Branche wittert das große Geld. Wie groß ist das Wirtschaftspotenzial von Marihuana wirklich? Kommt die Legalisierung auch bald in Deutschland?

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Das "Recht auf Rausch" setzt sich durch: Immer mehr Länder haben Cannabis entkriminalisiert, tolerieren kleine Mengen für den Eigengebrauch oder lassen es zumindest für medizinische Zwecke zu. Zuletzt verkündete Kanadas Präsident Justin Trudeau die Freigabe von Hanf ab dem 17. Oktober in seinem Land.

Damit folgt Kanada dem Pionier Uruguay, das als erstes Land der Welt offiziell große Mengen Marihuana anbaut und es in Apotheken verkaufen ließ. Der private Anbau und Konsum sind dort bereits seit 2014 legal.

Deutschland gilt als spannender Markt für Cannabis

In Deutschland gibt es seit vergangenem Jahr für Schwerkranke die Möglichkeit, Cannabis auf Rezept zu erhalten. Auch eine Ausweitung der Legalisierung ist denkbar: Bis Ende 2017 unterzeichneten rund 80.000 Menschen eine Bundestagspetition des Deutschen Hanfverbandes für eine Freigabe. Am vergangenen Mittwoch fand eine öffentliche Experten-Anhörung über den Umgang mit Cannabis statt. Und nach der Sommerpause könnten die Grünen, die Linke und die FDP neue Gesetzesentwürfe vorlegen.

Cannabis-Interessierte, Investoren und Unternehmer sind auf die weitere Entwicklung gespannt. Bisher ist der deutsche Markt davon abhängig, wie vielen Patienten der Stoff verschrieben wird. Noch wird der Bedarf durch Importe gedeckt, doch bald sollen die ersten offiziellen Ernten auch in Deutschland in gesicherten Indoor-Anlagen möglich sein.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) hat eigens eine Cannabis-Agentur gegründet, die den Hanfanbau in Deutschland kontrollieren soll. In der Branche gab es bereits Kritik an den hohen Auflagen, denn deutsche Unternehmen können aufgrund mangelnder legaler Erfahrungen den Anforderungen gar nicht selbst genügen. Somit sind Partnerfirmen aus dem Ausland nötig.

Welches Wirtschaftspotenzial steckt in Cannabis?

In den USA wurde mittlerweile in neun Bundesstaaten Cannabis unter Auflagen für den privaten Konsum freigegeben, darunter Colorado und Kalifornien. Die Legalisierungswelle löste einen Boom aus, der in Anlehnung an den großen Goldrausch auch "green rush" genannt wird. Kleine und große Unternehmen erhoffen sich hohe Profite. Stars wie der Rapper Snoop Dogg, Schauspielerin Whoopi Goldberg oder die Kinder von Reggae-Legende Bob Marley beteiligten sich an Cannabis-Firmen.

Vielfältige Arbeitsplätze entstehen, vom Anbau, über die Qualitätskontrolle, im Marketing, bis zum Handel in speziellen Shops und Cafés. Auch die Schönheitsbranche steigt mit hanfhaltigen Pflegeprodukten in den Hype ein. An der Börse locken "Marihuana-Aktien". Die Big Player der Branche wie die kanadischen Unternehmen Aphria oder Canopy Growth werden mit bis zu drei Milliarden Euro bewertet. Der Handel mit ihnen soll an der Deutschen Börse jedoch bald aufgrund eines Verbots der Luxemburger Börsenaufsicht eingestellt werden.

Das Milliardengeschäft mit Cannabis

Wie viel Umsatz könnte ein legaler Markt für Cannabis in Deutschland erwirtschaften? "Das ist gar nicht einfach zu ermitteln", sagt der Düsseldorfer Professor für Volkswirtschaftslehre Justus Haucap im Gespräch mit unserer Redaktion. Schätzungen zufolge liege der Konsum von Cannabis in Deutschland jährlich bei etwa 200 bis 400 Tonnen. Auf dem Schwarzmarkt variieren die Preise zwischen sechs bis 13 oder 14 Euro pro Gramm.

Ginge man von einem durchschnittlichen Preis von zehn Euro pro Gramm bei 250 Tonnen im Jahr aus, kommt man also auf einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro. Das wäre mehr als die Musik- oder die Filmbranche in Deutschland umsetzen. Aber immer noch kleiner als die Zigarettenindustrie, die nach Angaben des Deutschen Zigarettenverbands 2016 einen Umsatz von 20,5 Milliarden Euro erwirtschaftete (inklusive zwölf Milliarden Euro Tabaksteuer) oder die Alkoholindustrie mit einem Umsatz von etwa 14 Milliarden Euro laut Spirituosenverband BSI (inklusive rund drei Milliarden Euro Steuern).

Mögliche Steuereinnahmen hängen natürlich davon ab, wie hoch der Satz bei einer möglichen "Cannabis-Steuer" wäre. Der Steuersatz sollte allerdings nicht so hoch sein, dass trotzdem der Schwarzmarkt erhalten bleibt, rät Wirtschaftswissenschaftler Haucap: "Dann würde ich von Minimum einer Milliarde Euro im Jahr ausgehen." So viel nimmt der Staat bisher auch durch die Kaffeesteuer ein.

Staat würde Millionen an Justizkosten sparen

Ein weiteres großes wirtschaftliches Argument für die Legalisierung seien die erheblichen Justizkosten, die Cannabis als Drogenkriminalität verursache. "Ein ganz großer Teil der Verfahren wird ohnehin eingestellt und die Polizei wird abgelenkt von wichtigeren Dingen", führt der Wirtschaftsexperte auf. Wie viel genau sich dadurch einsparen ließe, kann Haucap zwar nicht beziffern, schätzt den Betrag aber auf eine dreistellige Millionenhöhe.

Haucap selbst befürwortet eine Legalisierung von Cannabis, nicht nur aus ökonomischen Gründen: "Studien aus den US-Bundesstaaten, die Cannabis bereits legalisiert haben, zeigen, dass der Problemkonsum sogar rückläufig ist, insbesondere bei Teenagern." Lediglich bei den Älteren über 65 Jahren sei der Konsum leicht angestiegen. "Aber das sind typischerweise keine Hardcore-Kiffer."

Zudem würde durch die Legalisierung ein weiteres großes Problem wegfallen. "Es gibt ja momentan keine vernünftigen Qualitätskontrollen", sagt Haucap. "Leider finden sich deshalb oft Streckmittel oder andere Verunreinigungen im Cannabis, die den Konsum noch gesundheitsschädlicher machen." In einem legalen Markt könne man dies kontrollieren.

Um den Jugendschutz zu gewährleisten, empfiehlt der Experte, nicht nur den Verkauf im Geschäft von Cannabis an Minderjährige unter Strafe zu stellen, sondern auch eine Weitergabe an Jugendliche im privaten Umfeld.

Experte erwartet künftige Freigabe in Deutschland

Dies hätte sogar eine höhere Wirksamkeit als bisher, denn noch sei es dem Dealer auf der Straße egal, ob er den Stoff an 15- oder 25-Jährige verkauft: beides ist illegal. "So könnte man das Problem wenigstens ein bisschen in den Griff kriegen, auch wenn es nicht perfekt wäre", ist Haucap überzeugt. Zudem könnten die Mitarbeiter in legalen Hanf-Shops speziell geschult werden und ihren Kunden Beratung und Informationsmaterial anbieten.

Haucap glaubt nicht, dass eine Legalisierung zu einer Zunahme des Konsums führen würde. Dafür sprächen auch die Befunde aus anderen Ländern. "Machen wir uns doch nichts vor: Cannabis ist in Deutschland problemlos an jeder Straßenecke zu bekommen." Aus der Sicht des Wirtschaftsprofessors gibt es deswegen "kein stichhaltiges Argument" gegen eine kontrollierte Freigabe von Cannabis.

Aus diesem Grund ist Haucap auch davon überzeugt, dass sich die Legalisierung früher oder später in der deutschen Politik durchsetzt: "Ich gehe nicht von einer Legalisierung in dieser Legislaturperiode aus, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir noch 10 Jahre an der Prohibition festhalten."

Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaft und Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er gehörte zu den Sachverständigen, die der Ausschuss für Gesundheit im Deutschen Bundestag zu seiner Sitzung über den Umgang mit Cannabis anhörte.

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