Noch bevor es hell wurde, sind die Teams zur Messe gefahren, um die Impfstoffdosen beim Corona-Impfzentrum an der Festhalle abzuholen. In einem Kühlcontainer neben der Halle wird der Stoff gelagert und von einem Sicherheitsdienst bewacht. Aus Belgien, über ein hessisches Zwischenlager, hätten sie am Vortag 455 Impfdosen erhalten, berichtet Olaf Schiel, Sprecher von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Davon sei ein Teil auch für die Uniklinik reserviert. Weitere rund 4400 Dosen sollen vor dem Jahreswechsel dazukommen. Gemeinsam mit Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne), dem Leiter des Gesundheitsamts René Gottschalk, seinem Vertreter Antoni Walczok und einigen weiteren Verantwortlichen der Stadt führt Schiel durch die Festhalle, in der ab Ende Januar geimpft werden soll. Einige tragen blaue Warnwesten mit der Aufschrift „Gesundheitsamt" auf dem Rücken.
Geöffnet wird auch der Kühlcontainer, in dem nur eine Kiste mit dem Impfstoff in der Mitte auf dem Boden steht, daneben eine weitere mit Rollen montiert. Darin lagere Trockeneis, das zur Kühlung benötigt werde, berichtet Antoni Walczok. „Innerhalb von drei Stunden wird der Impfstoff von minus 80 Grad aufgetaut", sagt Udo Götsch, Infektiologe des Gesundheitsamts. Dies geschehe noch im Impfzentrum. Von dort haben die Impfteams jeweils acht Ampullen in einer kleinen Box mitgenommen. Daraus sollen, mit Kochsalzlösung vermischt, in den einzelnen Altenpflegeeinrichtungen je 40 Impfstoffdosen hergestellt und in Spritzen gefüllt werden.
Ortswechsel: Vor dem „GDA-Wohnstift" in der Waldschmidstraße streicht der Wind nur leise durch die Bäume. Die angrenzenden hohen Gebäude wie das Künstlerhaus Mousonturm sorgen für Schutz vor dem eisigen Luftstrom. Das Wohnstift zählt neben dem Seckbacher Hufeland- und dem Victor-Gollancz-Haus in Sossenheim zu den drei ersten Frankfurter Altenpflegeheimen, in denen geimpft wird. Zentral für die Vergabe sei gewesen, „dass es aktuell in den Häusern keinen Corona-Ausbruch" gegeben habe, sagt Kerstin Voigt, Koordinatorin des Gesundheitsamts. Daneben habe sie sich an den „schnellsten Rückmeldungen" orientiert, sagt Voigt weiter.
Sie steht im Wellnessbereich der Alteneinrichtung, wo heitere bis aufgeregte Stimmung herrscht. Elfriede König hat sich mit ihrem Rollator, auf dem ein kleiner Mercedes-Stern prangt, gerade daneben auf einem der drei einzeln stehenden Stühle niedergelassen. Ihren Impfpass hat die 105-Jährige auf die Sitzfläche des Rollators gelegt. Sie soll die erste von insgesamt 360 Bewohner:innen sein, die geimpft wird. „Unsere älteste Mitbewohnerin", sagt Leiterin Jenni Martin mit Stolz in der Stimme. Und der muss Martin etwas die Angst nehmen: „Das ist eine ganz schmale Nadel, da merken Sie nix, wie bei Tetanus oder Grippe", sagt sie der alten Frau. König scheint sich vor allem über die Abwechslung zu freuen: „Gestern war es langweilig, heute nicht", sagt sie trocken. Wohnstiftleiterin Martin, die sich als eine von 20 Beschäftigten auch impfen lassen will, sagt, sie sei „nervös, aufgeregt und unglaublich erleichtert". Die letzten Monate seien für das Personal der Wohnanlage sehr belastend gewesen. Es habe auch Corona-Fälle unter Bewohner:innen und Mitarbeitenden gegeben, die allerdings ohne Todesfolge überstanden worden seien.
Hannelore Hau sitzt in gehörigem Abstand auf einem Stuhl und wartet ebenfalls. „Ich bin offener Impffan und froh, dass es los geht", sagt die 87-Jährige. Wie ein „unendlich schönes Weihnachtsgeschenk" habe sie die Nachricht über den Impfstart empfunden. Dieter Ruppel, der auf einem Stuhl etwas entfernt daneben sitzt, formuliert es ähnlich. „Das war ein herrliches Weihnachtsfest", sagt der 84-Jährige, nachdem er wenige Tage zuvor die frohe Botschaft der bevorstehenden Impfung erhalten habe.
Währenddessen mischen in dem kleinen Physiotherapieraum nebenan eine Rettungssanitäterin und ein -Sanitäter des ASB in Schutzanzügen und mit Schutzbrillen den lang ersehnten Impfstoff mit Kochsalz. Das dauert einige Zeit und ein Blick hinein ist nur zu erhaschen, wenn kurz die Tür geöffnet wird. „Es kommt auf ein exaktes Mischungsverhältnis an", sagt ASB-Mitarbeiter Christian Albrecht. Er prüft in der Zwischenzeit die Impfpässe und Krankenkassenkarten der Impfkandidat:innen. „Wir müssen auch sehr auf Hygiene achten", sagt der Notfallsanitäter, der wie seine drei Kolleg:innen vom ASB eine Schulung im Umgang mit dem Corona-Impfstoff erhalten hat. „Nach Anmischung ist der Impfstoff noch eine Stunde haltbar", berichtet er.
Dann ist es endlich so weit. Elfriede König geht durch ein kleines Spalier von Mitarbeitenden und medizinischem Personal hindurch in einen kleinen Raum, wo der impfende Arzt des ASB auf sie wartet. Dort setzt sie sich auf eine Pritsche. Die Tür schließt sich. Es folgt ein kurzes Vorgespräch. Und wenige Minuten später verlässt die 105-Jährige unter kurzem Applaus der Umstehenden das Zimmer. „Was? Das war alles?", sagt sie und verschwindet mit einer Begleiterin im Aufzug, um im Klubraum des Hauses - wie alle Geimpften - noch eine Viertelstunde unter Beobachtung eventuell auftretende Nebenwirkungen abzuwarten. Dieter Ruppel antwortet, „wunderbar", auf die Frage, wie er die Spritze empfunden habe, und Hannelore Hau sagte, „ich habe gar nichts gespürt".
In drei Wochen wird es für die Senior:innen noch einen zweiten Pieks geben, ehe der Impfschutz nach insgesamt vier Wochen wirken soll. „Eine Woche nach der zweiten Impfung tritt die Immunisierung ein", sagt der impfende Arzt vom ASB, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Insgesamt sechs mobile Impfteams werden in den kommenden Wochen unterwegs sein. Neben ASB und Maltesern sollen dann auch die Johanniter zunächst Bewohner:innen und Personal der insgesamt 49 Frankfurter Altenpflegeheime impfen.