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Biscotti al vino: Etwas Süßes zum Durchhalten

Ach, Italien! Es gibt kaum einen schöneren Seufzer, um unserer ewigen Sehnsucht nach mehr Lebensfreude und Genuss Ausdruck zu verleihen. Unsere Sommerkolumne nimmt Sie mit auf die Reise.

Gerade will ich in mein Cornetto alla Crema beißen, das ich ausnahmsweise nicht am Tresen in den Cappuccino tunken und essen konnte, weil ich den Zug ans Meer noch erwischen muss. Da sehe ich ihn: Silvio Berlusconi. Gut sieht er aus! Fast genauso wie während seiner vier Amtszeiten als Ministerpräsident. Fast."Forzaaa Itaaaliaaaaa" hallt es aus dem kleinen Bildschirm, der von der Decke am römischen Bahnhof Trastevere hängt. Der Name seiner Partei.

Er ist wieder da. In fühlen sich einige schon in das Jahr 1994 zurückversetzt, als Berlusconi erstmals die politische Bühne betrat. Ich nicht, denn ich war da gerade erst geboren. Der Regionalzug fährt ein. Am Meer ist alles wie immer: Es schmeckt auch heute salzig, der Sand brennt unter den Füßen. Und doch hat sich etwas verändert in den vergangenen Tagen. Mit jedem Wahlplakat, das vor Bushaltestellen und Restaurants geklebt wird, verfliegt auch ein bisschen Leichtigkeit.

In Italien ist zum ersten Mal, seit es die Republik gibt, Wahlkampf im Sommer und man kann jetzt schon sagen: Die Kombination könnte besser sein. Zum Beispiel Sommer und eine Kugel Stracciatella. Molto bene! Sommer und ein plötzlich aufziehendes Unwetter, während man mit einem Stück Pizza auf einem Hügel Roms sitzt? Okay. Aber Sommer und ein erbitterter Wahlkampf für eine für das Land und für Europa gerade jetzt so wichtige Wahl?

Auch weil unter anderem Berlusconis konservative Partei Forza Italia im Juli dem Ministerpräsidenten Mario Draghi bei einer Vertrauensabstimmung die Unterstützung verweigert hatte, begann der Sommer mit einer Regierungskrise, mit vorgezogenen Neuwahlen wird er am 25. September enden. Un'estate italiana. Die Zeit ist knapp für die Parteien, die nächsten Wochen könnten hitzig werden, hitziger noch als sonst.

Wo man auch hinhört, darauf hat kaum jemand Lust. Viele wollen wenigstens jetzt, im August, ihre Ruhe, unterm Sonnenschirm die Wellen beobachten, liegen, lesen, Eis schlecken, sich höchstens über andere, leichtere Themen, wie etwa die sehr präsente Trennung der Moderatorin Ilary Blasi von dem ehemaligen Fußballer Francesco Totti unterhalten. Viele wollen nicht den Moment fürchten müssen, in dem Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega, in Badehose auf einer zwischen bar und mare aufgebauten Bühne zum Mikro greift. Leider kein komplett unrealistisches Szenario.

Während ich abends, zurück in Rom, eine dünne Pizza knicke, lächelt mich Giorgia Meloni von einem Plakat aus an, die Vorsitzende der rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia. Und da kommt mir der Gedanke: Man muss sich kulinarisch vorbereiten auf diese Wahl. Etwas Süßes für die nächste Zeit wäre schön, auf Vorrat. Biscotti al vino zum Beispiel. Meine in Rom lebende Großtante kennt das Rezept:

Biscotti al vino

200 Milliliter Rotwein mit den restlichen Zutaten vermengen und nicht wundern, schreibt die römische Großtante noch, der Teig bleibt sehr feucht. Dann mit den Händen Taralli formen, also erst fingerdicke Teigwürstchen kneten und rollen, die dann zu einem Kreis geschlossen werden. Die runden Kekse von einer Seite in Zucker halten und mit der Zuckerseite nach oben 30 Minuten bei 170 Grad in den Ofen stecken und abkühlen lassen. Den restlichen Wein in ein schönes Glas füllen und die Biscotti vor dem Verzehr darin tunken. Der Trinkwein könnte auch ein anderer, ein besserer sein als der Kochwein, schließlich gilt es, den Sommer zu genießen, so gut es eben geht.

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