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Burrata: Käse mit Herz und Kopf

Das Beste an Andria ist die Burrata. Der mit dem weichen Herz, der diese harte Stadt milder macht. Denn das süditalienische Andria gilt als gefährlich, die organisierte Kriminalität soll hier verbreitet sein, Einwohner erzählen von eingeschlagenen Autofenstern, in keiner anderen Provinz des Landes werden mehr Autos gestohlen. Der Plastikmüll stapelt sich neben den Leitplanken der Landstraßen, Touristen fahren einen Bogen um die Stadt, zum Castel del Monte, nach Trani an die Küste oder gleich ins 60 Kilometer entfernte Bari, denn Meer gibt es hier nicht. Nur Männer, die in der herausgeputzten, kleinen Fußgängerzone sitzen, manche oberkörperfrei, mit ausgestreckten Bäuchen. Ja, Andria ist vielleicht das hässlichste Städtchen Apuliens. Ist es der Käse, der die Menschen hier hält?

Fast zehn Uhr morgens, fast Feierabend in Salvatore Nuzzis Molkerei. Hinter dem auch für süditalienische Verhältnisse kleinen Mann mit grauen Haaren scheppert ein Hochdruckwasserstrahl gegen eine whirlpoolgroße, edelstahlblitzende Wanne. Rund zwanzig junge Männer mit Gummistiefeln, Schürzen, medizinischen Masken und weißen Häubchen scheuern, schreien und stapfen durch den Betrieb, es dampft. Eine römische Sauna, ein Spätsommertag, draußen schwitzt Andria, drinnen riecht es nach warmer Milch. Die letzten Maschinen surren noch, die Gummisohlen quietschen auf dem glänzenden Boden. Nuzzi, 61, hetzt durch den Raum, beugt sich über Wannen, manche eckig und flach, andere rund und so tief, dass er darin verschwinden könnte. Er überprüfe jeden Tag jede Maschine. Alles blitzblank, er schaut zufrieden. Das sei schon das ganze Geheimnis seines Betriebs: "Sauberkeit", sagt er.

Drei Stunden wird gereinigt, täglich. Salvatore Nuzzi will gleich nach Hause, zu seiner Frau, Mittagessen. Um halb vier gehe er schlafen, um Mitternacht sei er wieder da. Die jungen Männer trudeln später ein, sie machen Käse, mal flüssiger, mal fester, erhitzen Milch, verpacken Mozzarellas, hieven Styroporkisten auf Lkw und verbrühen sich ihre Finger für das kostbare Produkt.


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