1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Wut motiviert Frauen zu Kandidatur

Für die Zwischenwahlen („Midterm-Elections") im November in den USA zeichnet sich eine Rekordzahl von Kandidatinnen ab. Die meisten von ihnen gehen für die Demokraten ins Rennen. Dabei haben sie unterschiedliche Motive für ihre Kandidatur. Neben politischem Ehrgeiz sind viele durch das frauenfeindliche Auftreten von US-Präsident Donald Trump und den Schwung der Frauenprotestbewegung angetrieben.

Bisher haben 113 Frauen ihre Kandidatur für das US-Repräsentantenhaus eingereicht, 328 erklärten ihre Absicht, ermittelte das Zentrum für Amerikanische Frauen und Politik an der Rutgers Universität (CAWP). Von den insgesamt 441 Frauen sind 343 Demokratinnen. 2016 waren es zu dieser Zeit nur 212 Frauen. Die Kandidatinnen sind mehrheitlich - 82 Prozent - keine Amtsinhaber, schrieb die „Washington Post" kürzlich. 


50 Frauen erklärten ihre Kandidatur für den US Senat und 79 für das Gouverneursamt.

Bei den Kongresswahlen am 6. November stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der 100 Sitze im Senat zur Wahl. Derzeit werden beide Kammern von den Republikanern beherrscht. Umfragen geben den oppositionellen Demokraten gute Chancen, zumindest die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern.


  Wut als Ansporn


Die Wahl und Amtseinführung von Trump vor etwas mehr als einem Jahr hat eine landesweite Bewegung unter Frauen losgetreten. Der „Marsch der Frauen", bei dem 

Millionen im Jänner 2017 aus Protest gegen US-Präsident Donald Trump auf die Straße gingen, läutete den Anfang ein. Zuletzt häuften sich die Fälle prominenter Männer, denen sexuelle Belästigungen und Übergriffe vorgeworfen wurden.


Es könnte das „Jahr der Frauen" werden, schreiben US-Medien angesichts der zahlreichen Kandidatinnen. Während viele von ihnen von dem Eifer, amerikanische Ideale zu verteidigen, getrieben sind, ist es für andere schlichtweg Wut. Eine von ihnen ist Rachel Crooks. Die 35-Jährige ist auch eine der 19 Frauen, die Trump sexuelle Belästigung vorwerfen. Sie will für einen Sitz im Regionalparlament des Bundesstaats Ohio kandidieren und hofft, dadurch auch mehr Gehör zu finden.


Die Anschuldigungen gegen Trump waren bereits im Wahlkampf 2016 erhoben worden, fügten seiner Kampagne aber keinen Schaden zu. Trump fuhr zuletzt eine harte Gegenattacke gegen die Frauen, die ihm sexuelle Übergriffe vorwerfen. Frauen würden dafür bezahlt, „dass sie Geschichten über mich erfinden", schrieb er vor zwei Wochen im Kurzbotschaftendienst Twitter.


  Kandidatur von ehemaliger Schönheitskönigin


Vor Kurzem gab auch die ehemalige Miss America 2013, Mallory Hagan, bekannt, dass sie für Alabamas dritten Kongressbezirk antreten will. Gegenüber der „Washington Post" schilderte sie kürzlich, dass „systematische Belästigung" sie zu diesem Schritt gebracht habe.


Der Chef des US-Schönheitswettbewerbs, Sam Haskell, soll sich jahrelang herabwürdigend über Hagan und andere ehemalige Gewinnerinnen des Wettbewerbs geäußert haben. Die „Huffington Post" veröffentlichte im Dezember E-Mails, in denen Haskell und zwei weitere Mitarbeiter das Sexleben und die Gewichtszunahme von Hagan diskutierten.


  Anstieg demokratischer Bewerber


Auch Amy McGrath ist unter den Frauen, die wegen Diskriminierung für den Kongress kandidieren. Als McGrath zwölf Jahre alt war, sagte ihr ein Kongressabgeordneter, dass sie keine Kampfeinsätze fliegen könne. Das spornte sie nur weiter an, Kampfpilotin zu werden, und ihr Kindheitstraum wurde wahr. Nun kandidiert sie für den Kongress in Kentucky. Eine andere Kandidatin ist Tippi McCullough. Sie heiratete ihre langjährige Partnerin und musste daraufhin ihren Posten als Lehrerin aufgeben. Nun kandidiert sie für das Repräsentantenhaus in Arkansas.


Dass sich dieses Jahr so viele Frauen um den Kongress bewerben, liegt auch an dem Anstieg der kandidierenden Demokraten insgesamt und daran, dass Frauen eher für die Demokraten ins Rennen gehen. Auch ist er auf strategisches Kalkül der Demokraten zurückzuführen. So oder so, dreht sich alles um Trump.


  Erfolgreiche Frauen im Herbst


Dass Frauen an der Politik teilhaben sollen, war bei den Frauenmärschen in den USA in diesem Jahr das große Thema. „Entweder ihr lasst euch heute aufstellen oder ihr unterstützt eine Schwester, die sich aufstellen lässt", mahnte damals Emily Cain, Gründerin des Frauenportals Emily's List, sich zu engagieren.

Dabei gab es bereits erste Erfolge. Bei den Wahlen in den US-Bundesstaaten Virginia und New Jersey im November gelang es vielen Frauen, altgediente republikanische Abgeordnete, teils Jahrzehnte im Amt, politisch zu beerben.


  Diskriminierendes Facebook-Posting


Dabei hatten sich viele noch nie zuvor einer politischen Wahl gestellt. Wie etwa die 32-jährige Krankenhausangestellte Ashley Bennet, die im vergangenen Herbst zur Vorsteherin ihres Landkreises in New Jersey gewählt wurde. Auslöser für ihr politisches Engagement war das Facebook-Posting eines republikanischen Politikers: „Wird die Demonstration rechtzeitig vorbei sein, damit die Frauen das Abendessen kochen können?", hatte der republikanische Politiker John Carman während des Frauenmarsches auf Facebook gefragt.


Ebenso erfolgreich war Jenny Durkan, eine frühere Staatsanwältin. Sie wird die erste Bürgermeisterin Seattles seit den 1920er Jahren und auch die erste Homosexuelle. Die erfolgreiche Kandidatur dieser Frauen lässt nun viele Demokraten - ein Jahr nach Hillary Clintons Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen - neue Hoffnung schöpfen.


  Unmut auch unter republikanischen Frauen


Zuletzt sorgte Trump für Kritik, als er nach dem Rücktritt von zwei hochrangigen Mitarbeitern des Weißen Hauses wegen Vorwürfen der häuslichen Gewalt eine Vorverurteilung der beiden Männer anprangerte. Einer von ihnen, der frühere Stabssekretär im Weißen Haus, Rob Porter, hatte den Hut nehmen müssen, weil er von seinen beiden Ex-Ehefrauen der häuslichen Gewalt beschuldigt worden war. Trump schwieg zu den Anschuldigungen, wünschte Porter „alles Gute" und prophezeite ihm eine „wundervolle Karriere".


Der Umgang der Trump-Regierung mit Missbrauchsvorwürfen gegen Männer frustriert auch prominente republikanische Frauen. „Es ist schwierig, eine republikanische Frau zu sein, die sich ständig durchkämpfen muss", sagte Senatorin Shelley Moore Capito kürzlich.

Zum Original