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Politologe: Trump „in vielerlei Hinsicht ein abnormaler Präsident"

The Whit House / flickr

Wien (APA) - Es ist der Tag zwei einer neuen politischen Zeitrechnung. Ein Kandidat ohne politische Erfahrung zieht ins Weiße Haus ein. Wie konnte es so weit kommen und welche Auswirkung hat das? Darüber diskutierten am Donnerstagabend Politikexperten in einem Hörsaal der Universität Wien. Für Politikwissenschafter Heinz Gärtner etwa ist Trump „in vielerlei Hinsicht ein abnormaler Präsident".


Gärtner sieht den Wahlausgang ausschließlich mit weinendem Auge, da Trump nun das Vermächtnis Obama bei innenpolitischen Themen wie der Gesundheits- oder Einwanderungsreform radikal zerstören werde. Außenpolitisch merkt Gärtner an: „Er (Trump) kann nicht alles machen, aber er kann Umsetzungen begrenzen und Finanzierung stoppen. Ein Klimaabkommen, bei dem er nicht mitmacht, ist ein Halbes."

Trump „passt nicht ins Schema", meinte Gärtner. „Er ist ein radikaler Rückzugspräsident, obwohl er Republikaner ist." Mit Blick in die Zukunft glaubt Gärtner, dass die Polarisierung in der Bevölkerung weiter wachsen wird, gleichzeitig werde es aber notwendig sein, „dass sich Parteien auf multikulturelle Gesellschaft einstellen", denn die „weiße" Bevölkerung, die stärkste Wählerschicht Trumps, „werde 2040 in der Minderheit sein".


Für US-Botschaftsrat Robert J. Greene ist die Wahl von Donald Trump ein politisches Rätsel, ähnlich irrational wie der Brexit. Eine Erklärung für das Wählerverhalten habe er dennoch: „Die Amerikaner wollten Veränderung im Weißen Haus. Es kam in der amerikanischen Geschichte sehr selten vor, dass eine Partei das Weiße Haus für drei oder mehrere Amtsperioden hält", so Greene, Wie sich das Dreiecksverhältnis von Präsident, Senat und Repräsentantenhaus in den nächsten Monaten gestaltet, möchte Greene nicht vorhersagen, erinnert aber an die nächste Kongresswahl, die bereits in 20 Monaten ansteht und bei denen Abgeordnete, die das Versprechen des Wandels nicht einlösten, „gefährlich dastehen" werden. Der Wahlausgang habe Greenes Bewusstsein geschärft, denn „den Experten, die gesagt haben wer die Wahl gewinnt und den Experten, die jetzt sagen, wer in Ministerposten kommt, glaube ich überhaupt nicht mehr", so Greene.


Politikwissenschafter Jürgen Wilzewski (Uni Kaiserslautern) übte sich in Selbstkritik, denn er habe bei der Wahlvorhersage eine normative Einordnung verfolgt. Analytisch betrachtet, so erklärt er, hätte man feststellen können, dass die Anti-Establishment-Wahlen konstitutiv für das amerikanische System sind. „In der Regel nehmen die Amerikaner befeuert von einem Mehrheitswahlsystem diese Protestperspektive ein", so Wilzewski. Demgemäß folgt die Wahl Trumps einen Zyklus. Und er geht noch einen Schritt weiter: „Die (amerikanische) Demokratie hat sich dadurch ausgezeichnet, dass sie Politclowns zu Präsidenten macht. Diesmal ging sie noch weiter, indem eine TV-Realityshow-Star zum Präsidenten machte", so Wilzewski. Wichtig sei es nun, eine gute politische Mannschaft zusammen zu stellen. Trotz republikanischer Mehrheit in Senat und Republikanerhaus müsse man verhandeln und diskutieren. Auch innerparteiliche Konflikte müssten beseitigt werden. „Die (republikanische) Partei ist in einem Zustand ähnlich wie in Syrien", so Wilzewski.


Auch „Standard"-Journalist und Amerika-Experte Christoph Prantner schließt sich der Selbstkritik an. Er selbst habe auch die Kraft von sozialen Medien unterschätzt, in denen nicht klar nachvollziehbar ist, wie Narrative verlaufen. Nun komme es darauf an, wer die Schlüsselstellen wie die Posten des Verteidigungs- oder Außenministers besetzt.

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