Clara Nack

Freie Journalistin, Berlin

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Power von der grünen Insel

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Spielfreude pur: Miceál Mullen, Rónán Stewart und Eoin Murphy (v.l.n.r.).

(Foto: Toni Heigl)

Von Clara Nack, Dachau

Die Dachauer Friedenskirche leuchtet am Freitagabend grün. Am Mikrofon, an dem sonst der Frontsänger stehen und einige exaltierte Zuschauer zum Kreischen bringen würde, hängt eine Geige samt Bogen, dahinter steht das Schlagzeug mit dem Logo der irischen Folk-Band Cúig. Auch ein Dudelsack wartet schon. Dann stürmt das irische Quintett, bestehend aus den Murphy-Brüdern Cathal und Eoin, den Stewart-Brüdern Rónán und Ruairí und Banjo-Spieler Miceál Mullen, auf die Bühne. Eoin Murphy am Akkordeon ist der Tänzer der Band. Zwischen den schnellen Tönen hört man sein aufmunterndes "Hey", das die Band den Zuschauern auch gleich beibringt. "We like to get the audience dancing", spricht Mullen grinsend ins Mikro.

Ein Vater und sein Sohn machen den Anfang, in Steppschritten tanzen sie sich nach vorne an den Sitzreihen vorbei. Das Lächeln, mit dem die Bandmitglieder das Konzert anstimmen, wird immer breiter. Lange dauert es nicht, bis einige in der Friedenskirche mutiger werden und mittanzen. "Good stuff", hört man Miceál Mullen immer wieder loben, und alle, die noch die Kirchenbank drücken, beruhigt er: "Niemand wird euch hier bewerten".

Cúig - das gälische Wort für "fünf" - machen seit fünf Jahren traditionelle irische Musik mit Rock-Einflüssen. Kennengelernt haben sich die fünf Freunde schon viel früher, in der Musikschule - da waren sie gerade mal zehn. Fast jeder Schüler in Irland bekomme am Anfang einmal ein typisch irisches Instrument in die Hand gedrückt, wie zum Beispiel die Tin Whistle, eine Blechflöte, erzählt Rónán Stewart. Und Mullen fügt hinzu: "Wir haben uns aber nie dazu gezwungen gefühlt, das Interesse blieb einfach bis jetzt bestehen."

Notenblätter brauchen die Musiker nicht. "Wir schreiben eigentlich nie auf, was wir komponieren," erklärt Stewart die musikalischen Arrangements, die sie mit dem Ohr verinnerlichen. Lange vor ihrer Volljährigkeit ist die junge Band schon musikalisch erwachsen geworden. In Spanien, Italien, Portugal und den USA spielten sie bereits einige große Auftritte.

Ihr erstes Album "New Landscapes", begleitet von Musikvideos mit grünen Hügeln und Nahaufnahmen ihrer uralten Instrumente, entstand nachdem sie den "Battle of the Bands" in Derry in Nordirland gewonnen hatten; eine Woche Tonstudio war der Preis. Das zweite Album, "The Theory of Chaos", das am 16. November erscheint, in Irland vorzustellen, haben sie bisher "einfach noch nicht geschafft". Deswegen werden nun die Dachauer damit beehrt.

Neben mehr Rock, viel Tanzmusik und irischer Gelassenheit, singen Cathal Murphy und Rónán Stewart auf diesem Album erstmalig auch zu Volksmusik. Wer denkt, eine Stimme sei fesselnd, muss beide Musiker zusammen hören und sich in ihre Welt hineinziehen lassen. "Wir wären keine Boyband, wenn wir keine Break-up-Songs singen würden", gibt Mullen lachend zu. Aber auch eine Autopanne auf dem verkehrsreichsten Highway Irlands und ein italienisches Gewitter werden vertont. Am meisten, erzählen die Bandmitglieder, liebten sie das Reisen an ihrem Musikerleben. Aber auch zusammen auf der Bühne zu stehen und für die Leute zu performen, sei ein Grund dafür, dass sie kaum noch Zeit für das Studium finden, sagt Mullen. Es wirkt, als wäre es für die fünf das Normalste der Welt, ihre grüne Insel zu verlassen, schwarze Röhrenjeans überzustreifen - übrigens auch die Uniform der Trad-Musiker - und mit einem breiten Grinsen loszulegen.

Ein deutsches Publikum zum Tanzen zu bewegen ist, anders als in Irland, doch eine Herausforderung, geben die Musiker von Cúig zu. Aber sobald die Leute mal aufgestanden seien ... Mullen beendet den Satz nicht, stattdessen springt er wieder zurück auf die Bühne. Ein letztes Lied werden sie noch spielen, verspricht er, wenn alle aufstehen und tanzen.

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