Sei dir bewusst: Das Outback beginnt nicht direkt hinter Brisbane. Es gibt keine Grenze, die das wilde, rote Australien von der menschenengen, hektischen Großstadt trennt. Langsam schleicht es sich in vielen kleinen Schritten ein, Kilometer für Kilometer, während du den Highway entlang fährst. Niemand weiß, wo genau das Outback beginnt. Aber du merkst es, wenn du dich auf dem richtigen Weg befindest.
SCHRITT 1: Allein unter Lastwagenfahrern (Kilometer 20) Miete dir das kleinste Auto, und schon nach wenigen Kilometern, wenn du die letzten Vororte Brisbanes hinter dir lässt, wirst du dich wie eine Maus zwischen Elefanten fühlen. Lastwagenfahrer üben sich im Elefantenrennen, und du wartest geduldig etliche Überholungsprozesse ab. Wenn du dann endlich überholen kannst, klein und flink in deinem weißen Hyundai Goetz, schauen die Lastwagenfahrer durch XXXX-Sonnenbrillen auf dich herunter durch die Windschutzscheibe, grinsen und winken vergnügt. Du bist definitiv nicht im Alleingang auf deinem Weg ins Outback.
SCHRITT 2: Hinter der Great Divide Range, sagen sie (Kilometer 126) Noch ist es verregnet, noch hängen die grauen Wolken tief und scheinen den Highway zu berühren. Du fährst höher und höher, und als du die Autotüren in Toowoomba öffnest, weht dir eine frische Brise auf 700 Metern Höhe entgegen. Dahinter beginnt das Outback, haben dir die Leute in Brisbane erzählt. Dahinter siehst du allerdings nur grüne Felder, frisch gewässert von einem Hagelsturm, den du glücklicherweise um eine Stunde verpasst hast. Nichts erinnert dich an das Outback aus den Bildbänden. Es fühlt sich mehr nach einem herbstlichen Tag zu Hause in Deutschland an.
SCHRITT 3: Du senkst den Altersdurchschnitt (Kilometer 209) Weitere Reisende, die nicht aus Lastwagen von oben herab auf dich herunter grinsen, triffst du auf Zeltplätzen. Sie erzählen dir von ihrer Rente, von ihren Wohnwägen und ihrem ehemaligen Wohnort. Das Durchschnittsalter liegt um die 65. „Eigentlich wollten wir nur zwei Monate in Dalby bleiben", erzählt dir eine Frau. „Aber es ist so schön hier." Mittlerweile sind sie schon zwei Jahre hier, sehen es aber nach wie vor nur als Zwischenstation. Ob sie jemals wieder zurück an die Sunshine Coast ziehen werden? Wahrscheinlich nur, um die Enkelkinder zu besuchen. „Wir haben unser Haus damals verkauft.", erklärt sie. So wie viele andere australische Rentner, die ihr Hab und Gut verkaufen und alles in einen Wohnwagen und ein Allradfahrzeug investieren, um nach dem Arbeitsleben endlich ihr Reisefieber ausleben zu können. Du bist beruhigt, dass das Reisefieber scheinbar nie endet, und nimmst es als Inspiration mit auf deinen lebenslangen Reiseweg.
SCHRITT 4: Verlassenheit (Kilometer 250) Zwischen Dalby und Chinchilla ist es sehr ruhig und leise, nur der Fahrtwind rauscht in deinen Ohren. Du fährst durch kleine Dörfer hindurch, aber siehst nicht mehr als das Echo einer vergangenen Zeit. Einst scheinbar berühmt für ihre Kohleindurstrie, ist nun nichts mehr übrig geblieben als ein Monument am Ortseingang. Der Supermarkt in Warra ist geschlossen, obwohl es kurz vor der Mittagszeit ist. Auf die scheinbar berühmten Burger, die sie auf einer Tafel anpreisen, musst du heute verzichten. Auf einer Wäscheleine schaukelt die Wäsche im leichten Wind, doch nirgends kannst du die Einwohner entdecken. Fenster sind dunkel, Scheiben herausgebrochen. Hier werden Dörfer einfach verlassen und stehengelassen. Hungrig fährst du weiter.
SCHRITT 7: Pubgeschichten (Kilometer 450) Die Verlassenheit und die Empfangslosigkeit zum Rest der Welt schaffen zentrale Treffpunkte. Einer davon ist eindeutig der Pub. Die Straßen können wie leergefegt sein, nicht einmal ein Lastwagen donnert durch das Dorf. Der Supermarktbesitzer ist in der Mittagspause, alle Einwohner arbeiten an einer Straße außerhalb des Dorfes. Die Stille der Hitze. Bis du die Dunkelheit und Kühle des Pubs betrittst und ein Bier und einen Meat Pie bestellst. Die Bedienung hinter der Theke mustert dich misstrauisch, doch meist sitzt ein Mann in seiner Pause auf deiner Seite der Theke und freut sich über einen Gesprächspartner.
Er erzählt dir von der Umgebung, seiner Liebe zum Outback, wo er machen kann, was er will. „Wenn ich fischen gehen will, gehe ich fischen. Wenn ich Kängurus jagen will, jage ich Kängurus." Du nickst und versuchst Filmausschnitte von Woolfs Creek in deinem Kopf zu ignorieren. Du wusstest schon damals, dass du diesen Film besser nicht hättest anschauen sollen. „Brisbane ist ein ewiges Rattenrennen.", kommentiert er noch, bevor er wieder zur Arbeit aufbricht. Oder Dingos jagen geht. Du scheinst bereits etliche Freizeitaktivitäten und Lebensstile entfernt von Brisbane zu sein. Aber es ist zu aufregend hier, um die Großstadt zu vermissen.
SCHRITT 11: XXXX Gold beim Charleville Cup (Kilometer 750) In Charleville triffst du endlich wieder auf Menschen, und stolperst in das Dorfereignis des Jahres: der Charleville Cup! Zeitversetzt mit dem Melbourne Cup auf dem Bildschirm galoppieren die Pferde auf der Rennbahn um die Wette, und die Wetten sind vielzählig und hoch. Auch du setzt einige Dollar auf Pferdenamen wie Tuscan Image und Cash In A Hurry, trinkst das in Brisbane verpönte Queenslander Bier XXXX Gold mit den Einwohnern und wippst mit den Füßen im Takt der Countrymusik. Hier bist du angekommen, 750 Kilometer entfernt von der Großstadt, und es fühlt sich an, als hättest du tatsächlich die Menschen des Outbacks gefunden.